In Zeiten, in denen sich über die sozialen Netzwerke Menschen mithilfe der abstrusesten Behauptungen Gehör verschaffen, ist es sogar möglich, dass eine Familienkomödie ob der darüber geführten Debatten geradezu skandalös wirkt. So geschehen im Fall Peter Hase (Peter Rabbit, Link zu IMDB). Zum einen waren da die vorlagentreuen Puristen aus dem Vereinigten Königreich. Denen kräuselte sich – so hatte man beim Lesen so manchen Artikels das Gefühl – beinahe die sorgfältig kultivierte „Stiff upper lip“, weil Regisseur Will Gluck in seiner rasanten Interpretation der Geschichte so gar kein klassisches Kuschelfeeling aufkommen lässt. Zum anderen ereiferten sich in den Vereinigten Staaten Allergiker über eine bestimmte Szene und riefen gar zum Boykott des Films auf (Link zur News auf moviepilot.de), wodurch sich Sony Pictures tatsächlich zu einer öffentlichen Entschuldigung genötigt fühlte. Das ganze internationale Gewese führte dazu, dass man auch hierzulande im Radio pünktlich zum Filmstart fröhlich über die Altersfreigabe und die Eignung des Werkes für das ganz junge Publikum debattierte. Am Ende musste ich meinen Ehemann, der dies gehört hatte und deswegen eine leichte Verunsicherung verspürte, quasi zu einem Kinobesuch mit der ganzen Familie überreden. Der Trailer gefiel mir und dem mittlerweile schon zum kleinen Cineasten gewordenen Junior zu gut, als dass ich mir das Hasenabenteuer auf der großen Leinwand entgehen lassen wollte.
Warum sich allzu eng an die bestehenden Geschichten halten, wenn es schon eine ganze Animationsserie (Link zu Peter Hase auf fernsehserien.de) gibt, die sich an junge Zuschauer richtet? Diese in meinen Augen absolut berechtigte Frage mögen sich Will Gluck und Rob Lieber gestellt haben, als sie begannen, das Drehbuch für ihre Version zu schreiben. Obwohl ich selbst in der Regel zu denjenigen gehöre, die Buchverfilmungen lieber nicht zu weit vom jeweiligen Original entfernt sehen, muss ich sagen, dass dies bei Peter Hase zu einem viel langweiligeren und in Anbetracht der wirklich süß gemachten Kinderserie überflüssigen Ergebnis geführt hätte. So bietet das schwungvoll inszenierte Kinoabenteuer vom wehrhaften Mümmelmann Peter (deutsche Stimme: Christoph Maria Herbst) einen ganz anderen Blick auf die Thematik. Der kämpft mit seinen tierischen Freunden nämlich verbissen um ein Stück Land, von dem er und seine Familie von einem alten Griesgram rabiat vertrieben wurden. Nachdem der Besetzer das Zeitliche gesegnet hat, wähnen sich die Waldbewohner in Sicherheit und übernehmen nicht nur den Gemüsegarten, sondern gleich das ganze Haus. Die wilde Party, bei der sich Fuchs und Hase gemeinsam prächtig amüsieren, wird jäh unterbrochen als der Erbe, Thomas McGregor (Domhnall Gleeson), einzieht und sich als noch unfreundlicher und streitsüchtiger erweist als sein entfernter Onkel. Obendrein versteht er sich auffallend gut mit Bea (Rose Byrne), der einzigen menschlichen Tierfreundin und standhaften Fürsprecherin Peters weit und breit. Das bringt für den frechen Randalerammler das Fass zum Überlaufen. Entschlossen, den Neuankömmling schnellstmöglich zu vertreiben, stürzt er sich in eine immer weiter ausufernde Auseinandersetzung.
Wenngleich eine amerikanische Produktion, ist der Humor bei Peter Hase durchweg recht britisch geraten. Garniert mit einer ordentlichen Prise Slapstick und Haudraufhumor, servieren die Macher einen Film, bei dem sich Groß und Klein über ganz unterschiedliche Dinge gemeinsam amüsieren können. Sehr geschickt geschriebene Charaktere, von denen kein einziger ein lupenreiner Sympathieträger ist, sorgen gleichzeitig für eine in Komödien selten anzutreffende Tiefgründigkeit. Im wahren Leben bewegen sich Konfliktparteien nachweislich ebenfalls zumeist eher in Grauzonen, als dass sie eindeutig als gut oder böse zu identifizieren wären. Das althergebrachte Schema „Held gegen Schurke“ funktioniert in Geschichten zwar immer gut, wir sollten unseren Kindern aber trotzdem das Verständnis für etwas komplizierter gestrickte Konzepte zutrauen. Und wenn es nach dem Film Gesprächs- oder Diskussionsbedarf gibt: umso besser. Man kann ruhig einmal darüber reden, dass Sympathie und Antipathie keine vordefinierten Ansichten sind und jeder seine guten und seine schlechten Seiten hat. Dabei muss meiner Meinung nach keiner Angst haben, dass die Kleinen nach der berüchtigten Szene, in der Peter Hase die Allergie von Mr. McGregor heimtückisch zu seinem Vorteil auszunutzen versucht, Menschen mit einer solchen Erkrankung nicht mehr ernst nehmen. Ganz im Gegenteil: das Krawallkarnickel bekommt für die Aktion – und für weitere Gemeinheiten – ordentlich Gegenwind von seinen Verbündeten. Die Action ist zusätzlich so überzogen, dass – ähnlich wie einst bei den Holzhammergags der Looney Tunes – niemand im Nachhinein ernsthaft Gedanken zum Nachmachen hegen sollte. Um unter allem Gelächter eine Botschaft zu transportieren, müssen Witze einfach manchmal dahin zielen, wo es weh tut.
Wer das ganz naturnahe Motiv vom Fressen und Gefressenwerden und die Visualisierung eines Konfliktes, bei dem auf beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft wird, scheut, der sollte sich Peter Hase nicht ansehen – und im übrigen auch keine alten Märchen der Gebrüder Grimm lesen. Im Konflikt zwischen Hoppler und Hausherr geht es ordentlich zur Sache. Wer sich von der heilen Welt der Bücher nicht lösen kann, der sollte bei diesen bleiben oder sich die noch harmlosere Serie anschauen. Alle, die eine gut gemachte Familienkomödie sehen wollen, die bei näherer Betrachtung mehr Tiefgang offenbart, als man zuerst meinen könnte, und die vor möglichen interessanten Gesprächen mit ihren Kindern hinterher nicht zurückweichen, sind im Kino dagegen richtig aufgehoben. Nebenbei bemerkt haben sich mein Mann und mein Sohn am Ende beide gut amüsiert – und ich ebenso.