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Zwei Ballermänner

Nach den eher enttäuschenden Kinoerlebnissen, die mir R.I.P.D. und RED 2 in den letzten Wochen bescherten, blickte ich der nächsten Verfilmung einer Comic-Miniserie mehr als skeptisch entgegen. Die Herausforderung bei der Umsetzung einer Vorlage, die nicht genügend Inhalte für einen Film von über 100 Minuten Länge bietet, ist es, möglichst nahe am Original zu bleiben und die Geschichte gleichzeitig mit sinnvollen Inhalten zu ergänzen. Gewisse Änderungen bleiben in solchen Fällen nicht aus. Der erste Teil von RED war der eindrucksvolle Beweis, wie man es richtig macht und hielt für mich nach dem eher mäßig amüsanten Trailer zu 2 Guns als letzte Hoffnung und Begründung her, mir den Film auf der großen Leinwand anzusehen. Außerdem hatte ich viel Spaß beim Lesen der Comics und wusste, dass die Story einiges Potenzial für eine Filmumsetzung birgt. (Links in diesem Absatz zu IMDB.)

Robert „Bobby“ Trench ist ein Drogenfahnder. Jahrelang hat er sich unter dem Namen „Bobby Beans“ langsam die Karriereleiter in der Organisation des mexikanischen Drogenbarons Manny „Papi“ Greco hochgearbeitet. Er steht kurz davor, die Früchte seiner Arbeit endlich ernten zu können. Der als final geplante Deal verläuft anders, als erwartet. Aufgeben kommt für Bobby jedoch nicht in Frage. In einem verzweifelten Versuch, an Papis Geld zu gelangen und den Gangster damit zum Aufgeben zu zwingen, überfällt er zusammen mit Michael „Stig“ Stigman eine Bank. Was Bobby nicht weiß: Michael, den er für einen Kleinkriminellen hält, ist ebenfalls undercover unterwegs. In Wahrheit ist er ein Ermittler der Navy, der seine ganz eigenen Pläne für das erbeutete Geld hat. Bobby, Michael und Papi sind allerdings nicht die Einzigen, die hinter der beachtlichen Beute her sind … So beginnt eine aberwitziges Verwirr- und Versteckspiel in dessen Verlauf die Loyalität jedes Einzelnen auf den Prüfstand gestellt wird.

Wer Comics mag, dem kann ich die Vorlage nur empfehlen. Anlässlich des Films gibt es das englische Original als Sammelband in einer schicken Deluxe Edition mit Prägeelementen auf dem Cover (Link zur Produktseite auf Amazon.de). Autor Steven Grant und Zeichner Mateus Santoluco haben mit 2 Guns eine äußerst unterhaltsame und charmant illustrierte Geschichte um zwei ungleiche Partner geschaffen, die trotz aller Meinungsverschiedenheiten und falscher Vorgaben zusammenarbeiten müssen. Der betont einfach anmutende Zeichenstil harmoniert dabei perfekt mit den redegewandten Protagonisten. Eine Fortsetzung ist unter dem Namen „3 Guns“ in Arbeit. Ich freue mich darauf.

Erstaunlich viel der Originalgeschichte wurde in den Film übernommen. All die wundervollen Szenen, in denen sich Bobby und Michael ein ums andere Mal einen herrlichen verbalen Schlagabtausch liefern – und wenn es bloß um ein Frühstück geht – wurden von Drehbuchautor Blake Masters gekonnt für die Leinwand adaptiert. Die Veränderungen, die vorgenommen wurden, sind nachvollziehbar und verbiegen die Handlung in keinster Weise. 2 Guns bleibt, was es vorher bereits war: Eine herzerfrischende und spannende Buddy-Story. Regisseur Baltasar Kormákur inszeniert das Thema so klassisch, wie es ihm gebührt. Stilistisch orientiert er sich dabei an lieb gewonnenen Filmen der 80er und 90er Jahre, wie Lethal Weapon oder Stirb langsam – Jetzt erst recht, in denen handfeste und teilweise explizite Action mit einer ordentlichen Portion Humor gewürzt wird. Das Ergebnis passt perfekt und bringt eine Art Film zurück, die schon lange ein würdiges Comeback verdient – nicht als Element, wie es Shane Black in Iron Man 3 versuchte, sondern als eigenständiges Werk. Die Dialoge zwischen den Charakteren sind großartig und die Szenen, in denen die beiden Helden zu ihren Ballermännern greifen und ihre Gegner aufmischen, sind eine erfrischende Abwechslung zur zunehmenden Effekthascherei Hollywoods. Von der staubigen Autoverfolgungsjagd in der Wüste bis zu einer Schleichszene in Stigs Apartment, bei der Sam Fisher neidisch werden würde, weiß 2 Guns in jeder Minute zu unterhalten. (Links in diesem Absatz zu IMDB.)

Einen Großteil seines Charmes hat 2 Guns seinen Darstellern zu verdanken. Mark Wahlberg, der seit Kurzem zu seiner alten, körperlichen Form zurückgefunden hat, passt perfekt in der Rolle des geschwätzigen und vorlauten Michael Stigman. Manchmal sind Worte eben stärker als Waffen. Im zur Seite steht Denzel Washington als tiefenentspannter Bobby Trench, der nach einigen ernsteren Rollen sichtlich Spaß an einer Abwechslung zu haben scheint. Edward James Olmos Part als Papi Greco ist vergleichsweise klein, jedoch beweist auch er eine Menge Humor. In weiteren Rollen sind Paula Patton als Deb Rees, Bobbys Partnerin bei der DEA und James Marsden als Harold Quince, Stigs Kommandant bei der Navy zu sehen. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, dem gesamten Ensemble bei der Arbeit zuzusehen und am Ende des Films verließ ich den Kinosaal mit einem breiten Grinsen.

Dass 2 Guns in den USA hinter den Erwartungen zurückblieb, empfinde ich persönlich als schade. Mutmaßlich ist die aktuell sehr große Konkurrenz schuld daran. Dieser Film verdient in meinen Augen mehr Beachtung, weshalb ich ihn Fans von klassischer Kumpelaction und flotten Sprüchen ans Herz legen möchte.

Abstürze

Nachdem in den letzten Wochen sehr viel Action im Kino geboten wurde, befand ich, dass es mal wieder an der Zeit sei, sich einem anderen Filmgenre zu widmen. Zwei Oscar-Nominierungen und viele gute Kritiken lenkten mein Augenmerk auf Flight, den neuen Film von Robert Zemeckis. Zur Abwechslung gab es im Kino diese Woche also ein Drama, bevor es spätestens zum Valentinstag auf der Leinwand wieder explosiv zugeht.

Flight handelt von dem Piloten William „Whip“ Whitaker, einem schweren Alkoholiker, der trotz seiner Sucht in den Pilotensitz steigt, um hunderte ihm anvertraute Passagiere zu transportieren. Auf einem seiner Flüge geschieht ein schreckliches Unglück: Die Technik versagt und das Flugzeug droht unkontrolliert abzustürzen. Whip schafft es jedoch, die Maschine in einem spektakulären Manöver notzulanden. Er rettet dadurch vielen Menschen, inklusive sich selbst, das Leben. Von 102 Passagieren sterben „nur“ 6. Der Rest überlebt den Absturz mehr oder weniger schwer verletzt. Im Nachgang muss der Vorfall natürlich gründlich Untersucht werden. Eine Anhörung der Flugsicherheitsbehörde steht an. Da es eindeutig technische Probleme waren, die zum Absturz geführt haben, entscheiden sich die Pilotengewerkschaft und die Airline dazu, Whitaker zu unterstützen. Der Flugzeughersteller soll als einzige Partei für die Tragödie bezahlen. Der Pilot bekommt einen Anwalt zur Seite gestellt, der den toxikologischen Befund anfechten und Whitaker entsprechend auf die Befragung vorbereiten soll. Bis zur Anhörung kämpft Whitaker an verschiedenen Fronten, um das Geschehene zu verarbeiten, einschließlich eines Kampfes gegen sich selbst und gegen sein immer wiederkehrendes, unstillbares Verlangen nach Alkohol.

Flight ist im Wesentlichen eine One-Man-Show von Denzel Washington, der den äußerlich und innerlich gebeutelten Flugkapitän sehr eindringlich und mit viel Fingerspitzengefühl spielt. Die innere Zerrissenheit, der Kampf gegen die Sucht, die Hässlichkeit der Niederlage – Washington schafft es jede Nuance einzufangen. Die Oscar-Nominierung hat er meiner Meinung nach zu Recht erhalten, auch wenn ich nicht sagen kann, ob er die Trophäe im Vergleich zu den restlichen Nominierten bekommen sollte. Die anderen Hauptdarsteller  (z.B. Daniel Day-Lewis als Lincoln) habe ich in ihren aktuellen Werken zugegebenermaßen noch nicht gesehen.

Die restlichen Rollen sind zwar gut besetzt, leider verblassen sie aber alle hinter dem übermächtigen Denzel Washington, obwohl es sicher interessant gewesen wäre auch die anderen Charaktere noch etwas genauer zu beleuchten. So bleiben viele Details über den Vertreter der Pilotengewerkschaft, Charlie Anderson (Bruce Greenwood), der offenbar schon länger über Whips Sucht Bescheid weiß, den ehrgeizigen Anwalt Hugh Lang (Don Cheadle) und den fröhlichen Drogendealer Harling Mays (John Goodman), im Dunkeln. Auch die Figur der drogenabhängigen Nicole (Kelly Reilly), in die sich Whip im Verlauf der Story verliebt, wird nur sehr oberflächlich angekratzt.

Robert Zemeckis schickt den Zuschauer in Flight auf eine verstörende Gefühlsreise, Wechselbäder inklusive. Er konzentriert sich voll auf die Darstellung des Hauptcharakters und zeigt diesen gnadenlos mit allen Höhen und insbesondere auch mit allen Tiefen. Es ist der moralische Konflikt, in den man während des Films in Gedanken immer wieder kommt, der dieses Werk sehenswert macht. Es sind diese Momente, in denen man bereit ist, auf die Frage „War der Pilot wirklich in der Lage, das Flugzeug zu fliegen?“ sofort mit „Ja!“ zu antworten, obwohl man weiß, dass dieser Alkohol und Drogen im Blut hatte. „Schließlich brauchen Alkoholiker einen gewissen Alkoholpegel, um „normal“ denken und handeln zu können“, versucht man sich innerlich herauszureden. Es sind die Momente in denen man für den gleichen Mann nur noch Abscheu empfindet, wenn er seiner Sucht nachgibt und beim Autofahren an einer Sportflasche gefüllt mit Alkohol nuckelt. Und es ist der Umgang mit der Frage „Wie weit soll man gehen, um diesen Menschen, der trotz allem eine Heldentat vollbracht hat, bei der Anhörung zu decken?“, der gerade das letzte Drittel des Films in meinen Augen zum besten Teil des Films macht. Im Großen und Ganzen erzählt der Film zwar nichts, was man über das Thema Alkoholsucht nicht schon wüsste, allerdings angereichert vielen kleinen Details, die die Botschaft sehr intensiv vermitteln.

Das alles konnte mich jedoch nicht über die relativ großen Logiklücken hinwegtrösten, an denen der Film in meinen Augen krankt. Der Flugzeugabsturz ist filmtechnisch sehr gut und auch spannend inszeniert. Ob es allerdings möglich ist, ein so großes Flugzeug in Rückenlage und anschließend wieder zurück in einen Gleitflug zu bringen, ohne dass es bei dem Versuch es zu drehen schon auseinanderbricht, wage ich stark zu bezweifeln. Außerdem müssen sich Piloten regelmäßigen Gesundheitschecks unterziehen, bei denen eine solch starke Form der Alkoholsucht, wie sie bei Captain Whitaker vorliegen muss, kaum zu vertuschen wäre, zumal er auch Drogen nimmt, die länger nachweisbar sind, als Alkohol. Ferner glaube ich nicht, dass ein Mitglied der Pilotengewerkschaft einfach schweigt, wenn es sich bewusst ist, dass ein alkoholkranker Pilot regelmäßig Passagiere befördert. Ein Alkoholiker, der jahrelang und regelmäßig so viel trinkt, wie Whip es offenbar tut, würde auch nicht mehr so gut aussehen, wie Denzel Washington im Film. Der Alkohol hätte die Gesichtszüge sicher schon mehr aufgeschwemmt. Flight beinhaltet einige Dinge, über die man großzügig hinwegzudenken in der Lage sein muss, um den Film als herausragend zu bezeichnen. Für mich verliert er dadurch leider massiv an Glaubwürdigkeit.

Dass in Flight die moralische Keule geschwungen wird, war mir von vornherein klar. Das ist bei dem Thema, dem sich der Film annimmt auch völlig in Ordnung. Bis zu einem gewissen Grad muss das auch so sein. Was mich jedoch sehr stört ist die Tatsache, dass Whip als Weg aus den Problemen und als Erklärung der Geschehnisse gleich mehrfach und von verschiedenen Stellen „Gott“ angeboten wird. Der Pilot lehnt zwar immer dankend ab und möglicherweise will der Regisseur damit auch zeigen, wie nervig spirituelle Moralpredigten sein können, ich finde es aber in der heutigen multikulturellen und multireligiösen Zeit zu einfach, sich auf eine solche Botschaft zu konzentrieren. Außerdem wäre es geschickter gewesen, dem Zuschauer die Interpretation des „Warum?“ selbst zu überlassen, so wie auch der Hauptcharakter seinen eigenen Weg finden muss. Es gibt Filme aus verschiedenen Genres, die ohne Benennung des Spirituellen auskommen und alle Interpretationsmöglichkeiten offen lassen. Flight gehört leider nicht dazu.

Trotz all dieser Kritikpunkte halte ich Flight für einen mutigen und was das Thema Alkoholismus anbelangt gelungenen Film. In einer Zeit, in der der Konsum von Alkohol immer noch häufig zum guten Ton gehört, ist es löblich, dass ein Film bereit ist, alle Facetten einer Alkoholkrankheit schonungslos offenzulegen. Mir sind im Leben bereits einige Menschen begegnet, die mehr oder weniger große Probleme mit Alkohol hatten. Alkoholsucht ist eine schleichende Sucht, von der es mehrere Formen gibt. Schnell kann es sein, dass jemand ohne das erste Glas Wein am Abend unruhig wird. Deshalb ist es durchaus wichtig und richtig, das Ganze zu thematisieren.

Zu oft werden Alkoholabstürze als „coole Sache“ für Erzählungen verwendet. Filme wie „Hangover“ tun ihr übriges, um Filmrisse als etwas Lustiges und beinahe schon Erstrebenswertes zu verkaufen. Man mag mich als spießig bezeichnen, aber meine Stirn wirft sich auch jedes Mal in nachdenkliche Falten, wenn mir Taio Cruz im Radio fröhlich entgegenkräht, dass er einen Kater (Hangover) hat und man ihm gefälligst noch etwas in den leeren Becher einschenken solle, damit er weiter Party machen kann. Häufen sich Hangovers, sind sie gefährlich und können leicht zur Sucht oder gleich zum Tod führen.

Fatal wäre natürlich ebenfalls, Alkohol komplett zu verteufeln. Der richtige Umgang damit zählt. Auch ich trinke sehr gerne einen guten Wein zum Essen. Man sollte meiner Meinung nach den Alkoholrausch einfach weniger glorifizieren. Dass Alkoholkrankheit letzten Endes zum totalen Absturz führt, verdeutlich Flight jedenfalls in mehrerlei Hinsicht.

Abschließend würde ich Flight als durchaus sehenswerten Film bezeichnen, der mit einem großartig spielenden Denzel Washington ein Thema behandelt, über das in unserer Gesellschaft noch zu oft geschwiegen wird, obwohl es den meisten Menschen bekannt ist. Wenn man über die eklatanten Logiklücken hinwegsieht, verlässt man den Kinosaal doch mit einigem Material zum Nachdenken.