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Bis zum bitteren Ende

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich bereits darüber sinniert, wie unterschiedlich Geschichten zu Ende gebracht werden können. In meinem damaligen Artikel habe ich mich mit Beispielen quer durch die Medienlandschaft befasst. Auf zwei davon möchte ich nun noch einmal zurückkommen. Im vergangenen Jahr fanden nämlich mit Breaking Bad und Dexter von mir sehr geschätzte TV-Serien ihren Abschluss. Inzwischen habe ich restlos alle Folgen von beiden gesehen. Zeit, die Spekulationen und Wünsche von einst mit den tatsächlichen Ergebnissen zu vergleichen und mich gebührend von den schillernden Hauptcharakteren zu verabschieden.

Da ich bei meiner Betrachtung nicht auf Details aus den finalen Staffeln verzichten kann, spreche ich an dieser Stelle eine ausdrückliche

!!! SPOILERWARNUNG !!!

aus. Wer die beiden Serien vollkommen unbeeinflusst schauen möchte, oder noch nicht an deren jeweiligen Ende angekommen ist, der sollte nicht weiterlesen. Alle, die sowohl Walter White als auch Dexter Morgan bereits bis zum Ende ihrer Abenteuer begleitet haben, sind herzlich eingeladen, sich meine Einschätzung und Gedanken zu Gemüte zu führen.

!!! Ende der Warnung !!! Letzte Chance abzuspringen !!! Los geht’s !!!

Beginnen wir bei Walter White, der in insgesamt 5 Breaking-Bad-Staffeln (beziehungsweise 6, sofern man die halbierte Finalstaffel als 2 getrennte Staffeln ansehen möchte) eine beängstigend realistische und gleichzeitig verrückte Wandlung vom biederen Chemielehrer zum Drogenbaron vollzogen hat. Auf seinem Weg hat er, neben seinem eigenen, die Leben von mehreren Personen maßgeblich und selten zum Guten beeinflusst. Was mich am Finale von Breaking Bad am meisten beeindruckt hat, war die stringente und gnadenlose Erzählweise. Die Macher sind dem Grundprinzip der Serie von der ersten Sekunde bis zum bitteren Ende treu geblieben. So ist es nur logisch, dass nach einer unfassbar langen Reihe von im Affekt getroffenen Fehlentscheidungen genau eine solche Walters Ende in einem grandios inszenierten Showdown besiegelt. Jesses Überleben wirkt durch die Torturen, die er durchstehen musste, die über den Gesamtverlauf der Geschichte hinweg jedoch nicht immer fremdverschuldet waren, nicht als vollkommene Erlösung. Ein Happy End gibt es für keinen der Seriencharaktere. Etwas Derartiges wäre in meinen Augen gänzlich unangebracht gewesen. Einziger Wermutstropfen waren für mich einige im Laufe der letzten Staffel zu rasch gezogene Schlüsse und zu schnell begriffene Zusammenhänge von Walters Gegnern. Trotzdem ist Breaking Bad für mich das strahlende Beispiel eines konsequent erzählten und zu einem unausweichlichen, endgültigen Schluss gebrachten Konzepts.

Schuld an dem passenden Finale von Breaking Bad war, soweit ich es aus Medienberichten herauslesen konnte, vor allem Serienschöpfer Vince Gilligan, der seine Kreation nie vollständig aus der Hand gab und seine Ideen und Wünsche bei Sender und Produzenten stets vehement verteidigte und durchsetzte. Ganz anders dagegen erging es den Autoren von Dexter. Ein Ende ohne mögliche Wiederkehr wurde ihnen für Hauptcharakter Dexter Morgan vom Fernsehsender Showtime von vornherein untersagt. Besonders verwunderlich ist es deshalb nicht, dass der Abschluss dieser TV-Serie sehr bemüht, fast schlampig und meiner Meinung nach unpassend wirkt.

Es ist nicht bloß das Ende, das mich furchtbar enttäuschte. Die Abkehr von der Essenz Dexters begann bereits in der vorletzten, siebten Staffel. Dem zu Emotionen unfähigen und von der Lust des Tötens getriebenen Psychopathen, der nur mit größter Mühe und allerlei Tricks in der Gesellschaft unerkannt überleben kann, wurden plötzlich immer mehr Eigenschaften angedichtet, die er im Grunde niemals hätte haben dürfen. Es waren stets einzig sein Code, dank dem er seine Messer nicht gegen Unschuldige einsetzt, sowie sein ständiges Bemühen, die Menschen um ihn herum besser verstehen zu können, die dem Zuschauer Dexters Wesen verständlich und den Charakter zugänglich machten. Dass Dexter zarte aber unbeholfene Bindungen eingeht und mehr oder weniger gewollt sogar eine Familie gründet, waren in reduzierter Intensität nachvollziehbare Vorgänge. Absurd wurde es für mich in dem Moment, in dem er sich geradezu inbrünstig und ohne nachzudenken in eine Beziehung mit einer anderen Serienkillerin stürzt. Spätestens ab diesem Augenblick schmolz aus meiner Sicht die Glaubwürdigkeit rapide dahin.

Darüber hinaus wurde der Konflikt mit Dexters Schwester, Debra Morgan, nicht kritisch genug ausgewertet. Ansätze von inneren wie äußeren Kämpfen, die hätten ausgefochten werden müssen, zeigten sich erst zu Beginn der letzten Staffel. Die ersten Folgen von Staffel 8 haben mich, nach der über die gesamte Laufzeit hinweg schwachen siebten Staffel, so muss ich zugeben, geradezu positiv überrascht. Die Idee, dass eine Psychologin Dexters Adoptivvater half, die Regeln für seinen besonderen Sprössling zu entwickeln, befand ich als interessant und plausibel. Sie wäre eine exzellente Endgegnerin für Dexter gewesen. Stattdessen entwickelte man die anfänglich kontroverse, sehr geheimnisvoll angelegte und von Charlotte Rampling exzellent gespielte Figur mit der Zeit zu einer immer profaneren und unbedeutenderen Randerscheinung. Wo man als Zuschauer etwas Mysteriöses vermutete, wurde es mit einem wilden Hakenschlag der Geschichte innerhalb von Sekunden zunichte gemacht. Hinzu kam eine in den Folgen vor dem Finale exponentiell ansteigenden Zahl von neuen Charakteren, die wie Kaninchen aus einem Zauberhut sprangen, um ihren winzigen Part zu erfüllen. Dabei verfügte man über so viele interessante Nebenrollen, die mit ein bisschen Fantasie noch genügend Konfliktpotenzial geboten hätten.

Mit Zunahme der Fragen, die sich in meinem Kopf bildeten, wuchs meine Enttäuschung in der letzten Hälfte der Finalstaffel in Unermessliche. Wozu braucht es einen für drei Folgen neu eingeführten U.S. Marshal, um Dexters Plänen und seiner wahren Natur auf die Spur zu kommen, wo man doch ein ganzes Polizeirevier voller Ermittler zur Verfügung hat? Wieso denken weder Batista noch Quinn bei Dexters letztem Mord weiter? Warum bringt man den alten Polizeichef und Vertrauten von Dexters Vater zurück, um ihn dann auf die letzten Meter als Wortgeber versauern zu lassen? Wie hätte das Ende aussehen können, wenn Dr. Vogel der eigentliche „Brain Surgeon“ gewesen wäre und Dexter im Laufe der Staffel derart manipuliert hätte, dass er in ihrem Auftrag die letzen Spuren ihrer unkonventionellen Methoden beseitigt? Wieso übersieht Dexter plötzlich so viele Details und braucht ewig, um offensichtliche Zusammenhänge zu erkennen? Warum täuscht Dexter seinen Tod im Wirbelsturm nur vor? Dexter als Holzfäller – wer bitte kam auf diese Idee? Wenn Dexter überhaupt in der Lage ist, eine emotionale Bindung einzugehen, dann (neben seiner Stiefschwester) höchstens mit seinem leiblichen Sohn. Wie kann er sich mutwillig eine solch rosarote Brille aufsetzen, dass er Harrison einer Serienmörderin überlässt, die er vorher selbst ins Gefängnis gebracht hat, weil sie versuchte seine Schwester zu töten? Warum vertraut der sonst so intelligente und berechnende Dexter, der es sein Leben lang gewohnt ist, jedem zu misstrauen, dieser Frau plötzlich derart bedingungslos? So liebeskrank könnte nicht mal ein normaler Mensch sein! Wie großartig wäre ein Ende für Dexter auf seinem eigenen Tisch oder durch die Hand des Gesetzes gewesen, bei dem er sich seinen Opfern aus acht Staffeln vor seinem Ableben ein letztes Mal hätte stellen müssen?

Ich sage nicht, dass meine Ideen das Non plus ultra sind und die einzig wahre Lösung gewesen wären. Das wäre anmaßend. Wenn mir jedoch schon etliche Details auffallen, die man im ursprünglichen Sinn der Serie anders hätte machen können und sollen, warum musste alles in einem unsäglichen, süßsauren Tränendrüsendrücken enden? Die vielleicht wichtigste und umfassendste Frage von allen ist in diesem Zusammenhang vielleicht: Warum blieb an allen Ecken und Enden so viel Potenzial ungenutzt?

Eine große Anzahl Dinge, die bei Breaking Bad richtig gemacht wurden und die letztendlich zu einem überzeugenden Ende führten, wurden bei Dexter völlig außen vor gelassen. Je weiter man sich vom Wesen des Hauptcharakters und dem Kern der Serie entfernte, desto abstruser wirkte das Geschehen auf dem Bildschirm. Ich bin überzeugt davon, dass ein „richtiges“ Ende – wie auch immer es hätte aussehen können – für Dexter besser gewesen wäre. Ein Antiheld ist eben nur so lange plausibel, wie er ein Antiheld bleibt. Der Punisher oder der Preacher können in den Comics ebenfalls nicht plötzlich zum Heldentum übertreten.

In diesem Sinne sage ich:
Tschüss Dexter! Es war schön mit dir – vor allem bis zum Ende der sechsten Staffel. Ab dann hast du leider deinen Biss verloren. Vielleicht hast du in deinem Holzfällercamp ja einen Fernseher, auf dem du dir Breaking Bad ansehen kannst. Der Chemielehrer weiß, wie ein würdiger Abgang auszusehen hat. R.I.P. Walter White.

Ende gut, alles gut?

Egal ob bei Filmen, TV-Serien oder Comics, der Gesamteindruck steht und fällt oftmals mit dem Ende, dem Abschluss, dem Finale – ganz unabhängig davon, ob es ein Happy End ist, oder nicht.

Eine Comicserie, die vor einigen Wochen ihren Abschluss fand, ist The Boys. Erdacht und geschrieben wurde dieses Werk von Comic-Mastermind Garth Ennis (siehe auch Comic Book DB), der bekannt ist für seine unkonventionellen Geschichten, die nie zimperlich und oftmals mit brachialen sprachlichen und optischen Mitteln erzählt werden. Die Serie handelt von einer Welt, in der es Superhelden gibt, die allerdings gar nicht so heldenhaft sind, wie sie eigentlich sein sollten, und von einem geheimen Team, das diesen „Helden“ und ihren Hintermännern das Handwerk legen soll. Mehr will ich an dieser Stelle gar nicht verraten. Ich kann die Serie allen Comiclesern, die nicht vor derbem Humor und expliziten Bildern zurückschrecken, nur empfehlen. Mich hat The Boys über 6 Jahre von Heft zu Heft sehr gut unterhalten.

Als bekannt wurde, dass die Serie mit Heft 72 enden sollte, überkam mich sofort ein mulmiges Gefühl. Eine Serie, die mit jedem Heft in Sachen Story, Ideen und Brutalität neue Maßstäbe zu setzen versucht, kann nur mit einem großen Knall zu Ende geführt werden. Alles andere würde sich nicht richtig anfühlen. Der große Knall kam, mehrfach sogar, sehr zu meinem Vergnügen. Als ich die letzte Seite gelesen und das letzte Heft zugeklappt hatte, verblieb das Gefühl, dass hier alles richtig gemacht wurde. Das Ende war krass und es war richtig so. Aber trotz aller erzählerischer Lautstärke hat der Autor genug Raum gelassen, um alle Story-Enden zusammenzufügen und das Ende vom Ende reduzierter ausklingen zu lassen. Für mich präsentiert The Boys das Paradebeispiel eines zufriedenstellenden und echten Endes. Ich werde die Serie vermissen, aber gleichzeitig weiß ich, dass sie zu Ende ist und es eigentlich (sag niemals nie) kein weiteres Heft mehr geben kann. Wäre das Ende anders, bzw. offener ausgefallen, wäre ich sicherlich enttäuscht gewesen.

Dass ein Ende im Umkehrschluss aber auch nicht zwangsläufig alles ruinieren muss, hat mir eine Fernsehserie bewiesen: The Sopranos. Die großartige Geschichte der Mafiosofamilie Soprano endete mit Staffel 6. Die letzte Szene präsentierte ein Ende, das zugleich nichts und alles sein konnte. Es war ein offenes Ende. Ehrlich gesagt ist mir noch kein offeneres Ende untergekommen. Ich kenne Leute, die sind begeistert von diesem Ende, ich persönlich bin es nicht.

Der Grund dafür, dass das Ende von The Sopranos so konzipiert wurde, ist dass zu dem damaligen Zeitpunkt nicht sicher war, ob die Serie in irgendeiner Form fortgeführt werden sollte. Es war von Kinofilmen die Rede. Diese Idee wurde im Nachhinein aber offenbar recht schnell verworfen. Obwohl mir das Ende überhaupt nicht gefällt, ich es jedes Mal, wenn ich daran denke, noch immer als äußerst unbefriedigend empfinde und mich in Tiraden ergehen könnte, wie man es in meinen Augen hätte besser zu Ende bringen können, finde ich den Rest der Serie mehr als gelungen. Die Preise, die The Sopranos bekommen hat (Emmys, Golden Globes), wurden zu Recht vergeben. Das Ende hat das Gesamterlebnis für mich zwar leicht geschmälert, allerdings nicht so sehr, dass ich den Rest der Serie dafür komplett verurteilen könnte. Mutmaßlich liegt dies auch an der Länge der Serie und daran, dass das Positive alleine schon dadurch überwiegt.

Es gibt aber auch Enden, die mir persönlich den Rest von etwas komplett ruiniert haben. So erging es mir beispielsweise mit dem Film The Hangover. Die Kritiker und auch die Mehrzahl der Zuschauer liebten diese Komödie. Auch in meinen Augen war der Film nicht unlustig, allerdings empfand ich den ziemlich am Anfang gesetzten Hinweis auf das Ende ziemlich plump. Dafür, dass die Suche nach dem vermissten Freund den kompletten Film einnimmt und alles so dermaßen übertrieben aufgebauscht wird, hatte ich mir irgendwie eine großartigere und raffiniertere Auflösung gewünscht. Den ganzen Film über dachte ich mir (Achtung Spoiler für alle, die den Film noch nicht kennen): „Bitte, bitte, lass ihn nicht auf dem Dach sitzen.“ Und wo saß er? Natürlich auf dem Dach! Wo auch sonst?! Denn sonst hätte der Hinweis auf die Tür, die mit dem Stein aufgehalten werden muss, auch keinen Sinn ergeben (Spoiler Ende). Das Ganze hat mir am Ende jedenfalls so sehr missfallen, dass es mir den kompletten Film verhagelt hat.

Ende schlecht, alles schlecht. Das gibt es also durchaus auch.

Zu meinen derzeitigen Lieblingsfernsehserien zählen Breaking Bad und Dexter. Beide handeln von hoch kontroversen und komplexen Charakteren. Für beide steht, soweit ich informiert bin, bereits ein Ende fest. Die Geschichte um die faszinierende Charakterentwicklung von Walter White endet mit Staffel 5 und der „Bay Harbor Butcher“ treibt nur noch bis zum Ende einer achten Staffel sein Unwesen in Miami.

Sowohl Breaking Bad, wie auch Dexter leben vom Spiel mit den Begriffen „gut“ und „böse“, die im Verlauf der Serien immer wieder neu definiert und hinterfragt werden. Die dunklen Seiten der Hauptcharaktere können vom Zuschauer nicht einfach ignoriert werden. Das hat jedoch zur Folge, dass diese Serien quasi nach einem richtigen, einem endgültigen Ende verlangen. Wenn ich daran denke, wird mir schon etwas mulmig.

Werden die Macher es schaffen, einen sinnvollen Abschluss zu finden? Ich persönlich bin bei beiden Serien was das anbelangt zuversichtlich, schon aufgrund ihrer bisher meiner Meinung nach anhaltend guten Qualität, und ich bin ehrlich gespannt wie ein Flitzebogen.

Am Ende des Tages ist ja alles doch auch wieder Geschmacksache. Die einen mögen es, die anderen nicht und jeder muss am Ende für sich selbst entscheiden ob „alles gut“ ist. Ich persönlich finde es allerdings sehr spannend, darüber nachzudenken, wie verschieden Enden sein können, wie gegensätzlich man sie empfinden kann und wie unterschiedlich sie sich auf ein Gesamterlebnis auswirken können, ganz egal durch welches Medium uns dieses vermittelt wird.