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Ende gut, alles gut?

Egal ob bei Filmen, TV-Serien oder Comics, der Gesamteindruck steht und fällt oftmals mit dem Ende, dem Abschluss, dem Finale – ganz unabhängig davon, ob es ein Happy End ist, oder nicht.

Eine Comicserie, die vor einigen Wochen ihren Abschluss fand, ist The Boys. Erdacht und geschrieben wurde dieses Werk von Comic-Mastermind Garth Ennis (siehe auch Comic Book DB), der bekannt ist für seine unkonventionellen Geschichten, die nie zimperlich und oftmals mit brachialen sprachlichen und optischen Mitteln erzählt werden. Die Serie handelt von einer Welt, in der es Superhelden gibt, die allerdings gar nicht so heldenhaft sind, wie sie eigentlich sein sollten, und von einem geheimen Team, das diesen „Helden“ und ihren Hintermännern das Handwerk legen soll. Mehr will ich an dieser Stelle gar nicht verraten. Ich kann die Serie allen Comiclesern, die nicht vor derbem Humor und expliziten Bildern zurückschrecken, nur empfehlen. Mich hat The Boys über 6 Jahre von Heft zu Heft sehr gut unterhalten.

Als bekannt wurde, dass die Serie mit Heft 72 enden sollte, überkam mich sofort ein mulmiges Gefühl. Eine Serie, die mit jedem Heft in Sachen Story, Ideen und Brutalität neue Maßstäbe zu setzen versucht, kann nur mit einem großen Knall zu Ende geführt werden. Alles andere würde sich nicht richtig anfühlen. Der große Knall kam, mehrfach sogar, sehr zu meinem Vergnügen. Als ich die letzte Seite gelesen und das letzte Heft zugeklappt hatte, verblieb das Gefühl, dass hier alles richtig gemacht wurde. Das Ende war krass und es war richtig so. Aber trotz aller erzählerischer Lautstärke hat der Autor genug Raum gelassen, um alle Story-Enden zusammenzufügen und das Ende vom Ende reduzierter ausklingen zu lassen. Für mich präsentiert The Boys das Paradebeispiel eines zufriedenstellenden und echten Endes. Ich werde die Serie vermissen, aber gleichzeitig weiß ich, dass sie zu Ende ist und es eigentlich (sag niemals nie) kein weiteres Heft mehr geben kann. Wäre das Ende anders, bzw. offener ausgefallen, wäre ich sicherlich enttäuscht gewesen.

Dass ein Ende im Umkehrschluss aber auch nicht zwangsläufig alles ruinieren muss, hat mir eine Fernsehserie bewiesen: The Sopranos. Die großartige Geschichte der Mafiosofamilie Soprano endete mit Staffel 6. Die letzte Szene präsentierte ein Ende, das zugleich nichts und alles sein konnte. Es war ein offenes Ende. Ehrlich gesagt ist mir noch kein offeneres Ende untergekommen. Ich kenne Leute, die sind begeistert von diesem Ende, ich persönlich bin es nicht.

Der Grund dafür, dass das Ende von The Sopranos so konzipiert wurde, ist dass zu dem damaligen Zeitpunkt nicht sicher war, ob die Serie in irgendeiner Form fortgeführt werden sollte. Es war von Kinofilmen die Rede. Diese Idee wurde im Nachhinein aber offenbar recht schnell verworfen. Obwohl mir das Ende überhaupt nicht gefällt, ich es jedes Mal, wenn ich daran denke, noch immer als äußerst unbefriedigend empfinde und mich in Tiraden ergehen könnte, wie man es in meinen Augen hätte besser zu Ende bringen können, finde ich den Rest der Serie mehr als gelungen. Die Preise, die The Sopranos bekommen hat (Emmys, Golden Globes), wurden zu Recht vergeben. Das Ende hat das Gesamterlebnis für mich zwar leicht geschmälert, allerdings nicht so sehr, dass ich den Rest der Serie dafür komplett verurteilen könnte. Mutmaßlich liegt dies auch an der Länge der Serie und daran, dass das Positive alleine schon dadurch überwiegt.

Es gibt aber auch Enden, die mir persönlich den Rest von etwas komplett ruiniert haben. So erging es mir beispielsweise mit dem Film The Hangover. Die Kritiker und auch die Mehrzahl der Zuschauer liebten diese Komödie. Auch in meinen Augen war der Film nicht unlustig, allerdings empfand ich den ziemlich am Anfang gesetzten Hinweis auf das Ende ziemlich plump. Dafür, dass die Suche nach dem vermissten Freund den kompletten Film einnimmt und alles so dermaßen übertrieben aufgebauscht wird, hatte ich mir irgendwie eine großartigere und raffiniertere Auflösung gewünscht. Den ganzen Film über dachte ich mir (Achtung Spoiler für alle, die den Film noch nicht kennen): „Bitte, bitte, lass ihn nicht auf dem Dach sitzen.“ Und wo saß er? Natürlich auf dem Dach! Wo auch sonst?! Denn sonst hätte der Hinweis auf die Tür, die mit dem Stein aufgehalten werden muss, auch keinen Sinn ergeben (Spoiler Ende). Das Ganze hat mir am Ende jedenfalls so sehr missfallen, dass es mir den kompletten Film verhagelt hat.

Ende schlecht, alles schlecht. Das gibt es also durchaus auch.

Zu meinen derzeitigen Lieblingsfernsehserien zählen Breaking Bad und Dexter. Beide handeln von hoch kontroversen und komplexen Charakteren. Für beide steht, soweit ich informiert bin, bereits ein Ende fest. Die Geschichte um die faszinierende Charakterentwicklung von Walter White endet mit Staffel 5 und der „Bay Harbor Butcher“ treibt nur noch bis zum Ende einer achten Staffel sein Unwesen in Miami.

Sowohl Breaking Bad, wie auch Dexter leben vom Spiel mit den Begriffen „gut“ und „böse“, die im Verlauf der Serien immer wieder neu definiert und hinterfragt werden. Die dunklen Seiten der Hauptcharaktere können vom Zuschauer nicht einfach ignoriert werden. Das hat jedoch zur Folge, dass diese Serien quasi nach einem richtigen, einem endgültigen Ende verlangen. Wenn ich daran denke, wird mir schon etwas mulmig.

Werden die Macher es schaffen, einen sinnvollen Abschluss zu finden? Ich persönlich bin bei beiden Serien was das anbelangt zuversichtlich, schon aufgrund ihrer bisher meiner Meinung nach anhaltend guten Qualität, und ich bin ehrlich gespannt wie ein Flitzebogen.

Am Ende des Tages ist ja alles doch auch wieder Geschmacksache. Die einen mögen es, die anderen nicht und jeder muss am Ende für sich selbst entscheiden ob „alles gut“ ist. Ich persönlich finde es allerdings sehr spannend, darüber nachzudenken, wie verschieden Enden sein können, wie gegensätzlich man sie empfinden kann und wie unterschiedlich sie sich auf ein Gesamterlebnis auswirken können, ganz egal durch welches Medium uns dieses vermittelt wird.