Archiv für den Monat November 2013

Zwei alte Haudegen

Arnie und Sly. Zwei Actionhelden vom alten Schlag. Ihre erfolgreiche Zusammenarbeit bei The Expendables (Link zu IMDB) und diverse Soloprojekte ließen die Liebe der beiden Haudegen für die Leinwand wieder entflammen. Jeder von ihnen hatte dem Kino aus anderen Gründen für eine Zeit lang den Rücken gekehrt. Regisseur Mikael Håfström vereint die betagten Muskelpakete in seinem neuesten Film Escape Plan für ein weiteres gemeinsames Abenteuer.

Ausbrecherkönig Ray Breslin (Sylvester Stallone) hat seine Gabe, aus jedem beliebigen Gefängnis der Welt auszubrechen, zum Geschäft gemacht. Im Auftrag verschiedener Organisationen überprüft er die Sicherheit in den Haftanstalten und zeigt Mängel auf. Als er einen Auftrag von der CIA annimmt, findet er sich eines Tages im sogenannten „Grab“, dem modernsten Knast der Welt wieder. Das Problem: Bei Transport wird er von seinem Team abgeschnitten und somit jeglichem Rettungsanker für den Notfall beraubt. Zeit für Ray, sich schleunigst neue Freunde zu suchen, die ihn bei Ausbruch unterstützen können. In Emil Rottmayer (Arnold Schwarzenegger) findet er schließlich einen Verbündeten. Der Mitinhaftierte ist Teil einer Hackerorganisation und weiß seine Muskeln ebenso einzusetzen, wie seinen Grips. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach dem Ausgang und einer Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren.

Wo Stallone und Schwarzenegger drauf steht, ist Action drin. Die zwei Helden tun das, was sie am besten können: Draufhauen und sich in flotten, zynischen Dialogen ergehen. Zusammen mit einer spannenden Story ergibt Escape Plan einen durchaus sehenswerten Streifen, der klassische Elemente mit schicken Effekten vereint, ohne dabei zu gekünstelt oder futuristisch zu wirken. In unterstützenden Rollen sind 50 Cent, Vincent D’Onofrio und die wunderbare Amy Ryan als Ray Breslins Team zu sehen. Der fiese Boss des Supergefängnisses wird von James Caviezel verkörpert. Es dürfte wohl niemanden überraschen, dass Escape Plan ganz auf seine zwei Hauptattraktionen zugeschnitten ist. Dennoch können die Nebenrollen allesamt überzeugen – sogar der Rapper wirkt dank Brille seriös und kann seine 50 Cents zur Handlung beitragen.

Mich persönlich hat Escape Plan über die gesamte Laufzeit gut unterhalten. Der geneigte Actionfan bekommt genau das, was er erwartet. Dieser Film ist sicher kein Meilenstein, kann sich im Vergleich zu anderen Genrewerken aber durchaus sehen lassen. Wer den beiden Haudraufs nicht beim Altern zusehen will, oder gedanklich zu sehr an den von ihnen definierten Klassikern hängt, sollte unter Umständen besser Abstand von ihren gemeinsamen Gefängnisprügeleien halten. Ich für meinen Teil kann nicht anders, als fröhlich grinsen, wenn Arnie zum großen Maschinengewehr greift und mit verbissenem Gesichtsausdruck drauflos ballert oder Sly seine überdimensionierten Muckis spielen lässt. In diesem Sinne: Hut ab, weiter so und bitte noch lange nicht in Rente gehen! Ich freue mich schon auf The Expendables 3 (Link zu IMDB)!

Letzte Ausfahrt

Was Komödien und humoristische Elemente auf der großen Leinwand anbelangt, war 2013 bisher ein Jahr, in dem viele Erwartungen unerfüllt geblieben sind. Die Erinnerung an den unglaublich humorbefreiten dritten Hangover-Teil, an das zweite Abenteuer der Rentneragenten, der alle Gags bereits in seinem Trailer verriet, oder an das untote Team aus Cop und den Cowboy, die viel zu viel Potenzial verschenkten, sind nach wie vor präsent. Natürlich gab es dank der falschen Familie Miller oder den lieber pumpenden statt denkenden Bodybuildern bereits einiges zu lachen. Dennoch waren meine Erwartungen an John Turtletaubs neuen Film Last Vegas eher gering. Zu meiner positiven Überraschung hält der Trailer in diesem Fall, was er verspricht und der ungewöhnliche Junggesellenabschied sorgt für 105 Minuten gute Unterhaltung. (Links in diesem Absatz zu meinen Kritiken zu den betreffenden Filmen)

Es ist vor allem den hochkarätigen Schauspielern zu verdanken, dass die doch sehr vorhersehbare Geschichte um den wohlhabenden Senioren Billy und seine ehemalige Jugendgang über die gesamte Länge von Kurzweil geprägt ist. Jeder von ihnen beweist ein überaus großes Maß an Selbstironie. Als Sam (Kevin Kline) und Archie (Morgan Freeman) erfahren, dass Billy (Michael Douglas) mit über 70 Lebensjahren endlich in den Hafen der Ehe einlaufen will, beschließen sie, ihn gebührend aus dem Junggesellendasein zu verabschieden. Fest entschlossen, noch einmal so richtig einen drauf zu machen, sammeln sie ihren nach dem Tod seiner Frau zum Dauergrantler mutierten Freund Paddy (Robert De Niro) ein und fahren nach Las Vegas. Jeden der alten Herren verleiten eigene Wünsche dazu, dem gewohnten Leben und den eigenen vier Wänden für ein paar Tage zu entfliehen. Vom fest eingefahrenen Alltagstrott eines Ehepaares bis zum überfürsorglichen Sohn gibt es genügend Gründe, gemeinsam die guten alten Zeiten noch einmal auferstehen zu lassen. Und dann ist da noch die attraktive Diana (Mary Steenburgen), die in ihrem Ruhestand endlich dem Traumjob als Barsängerin nachgeht und Paddy und Billy auf Anhieb den Kopf verdreht. Dabei steht Letzterer doch kurz davor, eine knackige Dreißigjährige zu ehelichen! Was den langjährigen Freunden zuerst als letzte Ausfahrt zurück in die weit entfernte Jugend erscheint, entpuppt sich immer mehr zum Trip der unbegrenzten Möglichkeiten.

Last Vegas ist eine romantische Komödie, die verschiedene Aspekte rund um das Thema „Alter“ beleuchtet. Die Witze sind dabei durchweg deftiger, als bei anderen Genrewerken wie Wie beim ersten Mal (Hope Springs, Link zu IMDB). Das Wolfsrudel könnte von Billy und Konsorten noch einiges lernen. Es wird gezockt, gesoffen und geflirtet. Doch verkommt der Film trotz viel Schenkelklopfen nie zu einem dauerhaften Abfeuern von übertriebenen Gags. Die leisen Untertöne sind stets spürbar. Regisseur Jon Turtletaub stellt viele wichtige und richtige Fragen – über das Älterwerden, den in unserer Gesellschaft immanenten Jugendwahn, falsche Schönheitsideale und zwischenmenschliche Beziehungen – ohne dabei zu melancholisch zu werden oder den belehrenden Zeigefinger zu hoch zu heben. Last Vegas ist ein humorvoller Lobgesang auf das Leben und die Freundschaft. So kann auf dem feuchtfröhlichen Ausflug in die glitzernde Wüstenstadt jedes Mitglied der Gruppe, an der die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen ist, auch auf die alten Tage noch etwas dazu lernen.

Mit viel Mut und ohne Scheu vor delikaten Themen beweist die alte Garde Hollywoods mit Last Vegas, dass gewisse Ängste und Marotten nur menschlich sind und dass gegen das Altern an sich kein Kraut gewachsen ist. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß bei der Arbeit an diesem Film. Billy, Archie, Sam und Paddy lassen die Agenten aus RED 2 und die verkaterte Truppe aus Hangover 3 (Links zu IMDB) ganz schön alt aussehen. Last Vegas reiht sich deshalb mühelos in die Liste der gelungenen Komödien des Jahres ein.

Der Strippenzieher

Mein lieber Freund Herr Hallmackenreuter und ich, wir haben was Geschenke anbelangt so einen Brauch. Neben dem offensichtlichen und unbestreitbaren Ziel, dem jeweils Anderen eine Freude zu bereiten, wird gleichzeitig die subtilere Absicht verfolgt, dessen Horizont zu erweitern. So fand Herr Hallmackenreuter sich schon das eine oder andere Mal vor der Herausforderung, sich einen bunten und lauten Actionfilm mit Riesenrobotern oder eine TV-Serie mit augenzwinkernden Agenten anzusehen. Umgekehrt wurde meine große DVD-Sammlung im Laufe der Jahre um einige Perlen der britischen Unterhaltungsserie sinnvoll ergänzt.

So fand unter anderem die gesammelte Ausgabe der Comedy-Drama-Serie Jeeves and Wooster eines Tages den Weg in mein Regal. Die von 1990 bis 1993 in insgesamt vier Staffeln gedrehten Geschichten um den Lebemann und passionierten Junggesellen Bertie Wooster und seinen treuen Kammerdiener Reginald Jeeves basieren auf den Romanen von P.G. Wodehouse (Link zu Wikipedia). Über die Originaltreue der Umsetzung zu den Büchern kann ich mir kein Urteil erlauben. Herr Hallmackenreuter hat sich einige davon zu Gemüte geführt und ich vertraue auf seine fachmännische Einschätzung, wenn er behauptet, dass die TV-Serie das Flair der Vorlagen zufriedenstellend einfängt.

Schon an der Reihenfolge, in der die Namen im Titel aufgeführt sind, ist unschwer zu erkennen, dass der Valet nicht nur für seinen Master eine große Rolle spielt. Jede Episode der Serie erzählt ein abgeschlossenes Kapitel aus dem turbulenten Leben von Bertie Wooster. Der ehrenvolle, leichtgläubige und stets etwas tollpatschige Single aus Überzeugung lässt sich durch seine vielen Freunde und vor allem durch etliche, resolute Tanten immer wieder in ausweglose Situationen manövrieren, aus denen ihn nur Jeeves befreien kann. Egal ob unfreiwillige Verlobung oder das unauffällige Entwenden eines bestimmten Gegenstandes aus einem ehrwürdigen Haus, der durchtriebene Kammerdiener weiß Rat in jeder Lebenslage. Während der Durchführung seiner fantasievollen Pläne schafft es der eigensinnige Valet obendrein, seinem hilflosen Arbeitgeber mehr oder weniger direkt den eigenen Willen aufzuzwingen. Jeeves Dienste kosten Bertie deshalb oftmals gleich in mehrfacher Hinsicht. Seien es ein Hut oder ein Schnurrbart, die der auf klassische Eleganz bedachte Jeeves aus der Garderobe von Wooster eliminiert sehen möchte, oder eine Reise, die er sich aus Bildungsgründen wünscht, am Ende gewinnt in diesem Fall nicht die Bank, sondern der Butler (man verzeihe mir die falsche Bezeichnung an dieser Stelle aufgrund des zum Satzbau besser passenden Anfangsbuchstaben).

Die einzelnen Erzählungen sind voller Humor und es sind vor allem die Dialoge zwischen Jeeves und Wooster, die diese Serie absolut sehenswert machen. Hinzu kommen wunderbare Aufnahmen von großen Herrenhäusern und kleinen Ortschaften in Großbritannien, welche die 1930er Jahre hochstilisiert wieder auferstehen lassen. Einige Folgen spielen sogar in meiner Lieblingsstadt: New York. Hier beschränkt man sich allerdings bei den Kulissen – mutmaßlich aus Geldgründen – auf einige wenige. Bei Touren durch die Nachtclubs der Stadt die niemals schläft müssen beispielsweise Leuchtreklamen als Einblendungen ausreichen. Die immer wiederkehrenden Zwischensequenzen fallen in jenen Übersee-Folgen besonders auf. Dies schmälert den Sehgenuss freilich nur leicht und möglicherweise nur wenn man sich, wie ich, die gesamten vier Staffeln innerhalb von kürzester Zeit anschaut.

Was hingegen selbst bei größeren Sehpausen zwischen den einzelnen Abenteuern von Jeeves and Wooster ins Gewicht fällt, ist der ständige Wechsel der Schauspieler in wichtigen Nebenrollen. Obwohl fast jede Tante und jeder Freund von Bertie Wooster im Verlauf der Serie mehrere Auftritte hat, gibt es nur ganz wenige, die über alle Folgen hinweg von derselben Person verkörpert werden. Dies geht meiner Meinung nach leider sehr zulasten der Atmosphäre. Kaum hat man einen der schrulligen Charaktere liebgewonnen und sein Äußeres samt seinen Marotten kennengelernt, muss man sich wieder umgewöhnen. Alte Gewohnheiten im neuen Gewand sind bedauerlicherweise weniger wirkungsvoll als würde man ihnen das gewohnte Erscheinungsbild lassen. Immerhin bleiben die beiden Hauptcharaktere erhalten. Stephen Fry (Jeeves) und Hugh Laurie (Wooster) hauchen ihren Figuren hinreißend überzeugend Leben ein und harmonieren perfekt miteinander.

Die Unterredungen zwischen Herr und Meister – so der deutsche Untertitel der Serie – bei denen es im Auge des Betrachters liegt wer gerade welche Rolle einnimmt, trösten über viele der Dinge hinweg, die man als Kritik anführen könnte. Ihnen ist es zu verdanken, dass die sich im Laufe der Zeit ständig wiederholenden Elemente (z.B. Diebstähle, Verlobungen) trotz ihrer Repetitivität unterhaltsam präsentiert werden. Auch lassen sie mich über Szenen und Darstellungen hinwegsehen, die in meinen Augen etwas zu extrem in den Slapstick abrutschen. Situationskomik ist ein mit Britcom untrennbar verbundenes Element. Allein die Dosierung ist mir persönlich bei Jeeves and Wooster hier und da etwas zu unausgewogen (wenngleich Herr Hallmackenreuter zweifellos wahrheitsgemäß feststellt, dass dies an den allermeisten Stellen von Treue zur Buchvorlage zeugt).

Jeeves and Wooster (Link zu IMDB) ist eine äußerst unterhaltsame Serie. Beim Abspann jeder Folge wünsche ich mir einen persönlichen Kammerdiener à la Jeeves. Die Figur des unauffälligen Strippenziehers in Form des wortgewandten und immer respektvollen Dieners ist nicht umsonst weltberühmt geworden.

Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

Eine Gruppe von Leuten trifft sich in einem abgelegenen Haus. Die geplante, fröhliche Zusammenkunft geht gründlich in die Hose, weil Wahnsinnige nach und nach die Gemeinschaft der Feierwütigen dezimieren. Klingt bekannt? Im Grundsatz ist die Geschichte, die Drehbuchautor Simon Barrett und Regisseur Adam Wingard in You’re Next erzählen auch nichts Neues. Dennoch ist ihr Film nicht einfach neue Standardkost für das gut bevölkerte Horror-Subgenre rund um Hausfriedensbruch (engl. Home Invasion). Was den Davisons in ihrem beschaulichen Landsitz widerfährt, als blutrünstige Mörder ihre mehr oder weniger erholsame Familienfeier stören, ist einfach schrecklich unterhaltsam.

Ohne Rücksicht auf Verluste wird – mit Armbrust, Machete und allem, was der Werkzeugkoffer hergibt – gemeuchelt was das Zeug hält. Zeit für Verschnaufpausen gibt es, aber nur um den nächsten Knalleffekt vorzubereiten. Gekonnt spielen die Macher die Horror-Klaviatur rauf und runter. Fröhlich bedienen sie uralte Klischees. Wer genau hinschaut, kann jede Menge Seitenhiebe auf diverse der bekanntesten Slasher- und Splatter-Werke erkennen. Wer nun denkt, bei You’re Next wären die meisten Elemente bloß billige Kopien, liegt allerdings falsch. Trotz den recht vorhersehbaren Haken, welche die Handlung schlägt, birgt sie genug Originalität und Eigenständigkeit, um für sich stehen zu können. Bemerkenswert ist dabei die eigenwillige Mixtur aus Humor und Ernst, bei sich beide Zutaten stets die Waage halten und die You’re Next in jeder Minute bravourös davor bewahrt ins Lächerliche abzudriften.

Neben überzeugenden und handgemachten, klassischen Splattereffekten sorgt Mads Heldtberg mit präsenter Musik für athmosphärische Dichte und dafür, dass die Schockmomente sitzen. Er erbringt des Beweis dafür, dass geräuschvolle Stille möglich ist. Wenn ein Familienmitlied unbedacht seinen Kopf aus dem Fenster streckt oder vorsichtig einen Flur mit knarzenden Dielen entlang schleicht und eine dräuende Tonkulisse den nächsten Angriff der Killer vorausahnen lässt, kräuseln sich bei den Zuschauern wohlig die Nackenhaare.

Einige der größten Überraschungseffekte von You’re Next hat Sharni Vinson auf ihrer Seite. Ihre Rolle als Erin Harson, die mit einigen sehr nützlichen Fähigkeiten und Tricks aufwarten kann, bei deren Anblick selbst erfahrene „Scream Queens“ wie Jamie Lee Curtis oder Neve Campbell neidisch werden, spielt sie großartig. Dabei ist die unfreiwillige Heldin bloß als Partnerin von Chrispian Davison mit zur Familienfete gekommen. Der von A. J. Bowen verkörperte Sohn der Davisons hat, wie der Rest der Gesellschaft, keine Ahnung, wie erfinderisch seine Liebste in der Not werden kann. Neben der unter anderem durch Re-Animator (Link zu IMDB) bekannten Barbara Crampton als Mutter Aubrey, können auch Nicholas Tucci, Joe Swanberg und Amy Seimetz als restliche Sprösslinge der Davisons überzeugen.

You’re Next ist ein cleverer Horrorfilm, der bekannte Elemente mit neuen Ideen kombiniert. Durch die temporeiche Inszenierung vergehen 95 Minuten wie im Flug. Obwohl nichts völlig neu erfunden wird, funktioniert das Gesamtkonzept wunderbar. Fans des gepflegten und mitunter expliziten Mordens haben freilich keine Angst vorm bösen Wolf und vor fiesen Mördern mit Tiermasken schon gar nicht. Es ist jedoch durchaus wahrscheinlich, dass selbst Schreckerprobte während You’re Next das ein oder andere Mal im Kinosessel zusammenzucken. Nach zwei Jahren seit seinem Entstehen hat der Film den Weg in die Kinos gefunden. Horrorliebhaber lassen sich diese Gelegenheit nicht entgehen.

Göttliche Unterhaltung

Ein bisschen Bammel hatte ich schon, als ich den Kinosaal betrat, um mir den brandneuen Marvel-Streifen anzusehen. Nach dem furiosen ersten Leinwand-Team-Up der Avengers hat nach Iron Man nun der Donnergott seinen nächsten Solo-Auftritt. Das dritte Abenteuer des Mannes in der eisernen Rüstung konnte mich nicht wirklich begeistern (Interessierte können meine Kritik hier nachlesen). Hoffnung, dass das enttäuschende Erlebnis ein Einzelfall im Marvel-Filmuniversum bleiben könnte, machten Wolverines Ausflug nach Japan (hier entlang zu meiner Kritik), sowie die fantastischen Trailer zu Thor: The Dark World. Warum man den Titel für Deutschland in Thor: The Dark Kingdom umbenannt hat, kann und will ich nicht verstehen. Lokale Untertitel kann man irgendwie verargumentieren, aber ein neuer englischer Titel ist in meinen Augen schlicht unnötig.

Marvels nordische Saga um die mächtigen, außerirdischen „Götter“ war schon immer etwas Besonderes. Thor und seine Geschichten aus Asgard hoben sich seit jeher von den Erlebnissen seiner Superheldenfreunde von der Erde ab. Seine Welt ist fantastisch, mystisch und hat ihre ganz eigenen Gesetze. Die sehr originalgetreue Umsetzung des alten Königreiches mit all seinen Einwohnern und ihren aufwändigen Kostümen war es, die mich bereits vor zwei Jahren begeisterte, als Kenneth Brannagh den Donnergott zum ersten Mal ins Kino brachte – ganz ohne Angst vor großen Helmen mit markanten Hörnern. Ein Wechsel unter den Machern geht bei Filmfortsetzungen in den allermeisten Fällen mit spürbaren Unterschieden einher. So war es beispielsweise der unverkennbare Stempel von Shane Black, der meiner Meinung nach nicht ganz mit Iron Man harmonieren wollte. Mit Regisseur Alan Taylor hat man im Falle von Thor jedoch einen wirklich passenden Ersatz gefunden. Der erfahrene Filmemacher kennt sich durch seine Arbeit für diverse TV-Serien, wie Game of Thrones oder Die Sopranos, mit fantastischen und komplizierten Familiengeschichten aus (Links zu IMDB). Comicautor Christopher Yost, der sich für das Drehbuch zu Thor: The Dark Kingdom verantwortlich zeigt, bringt das nötige Wissen und den gebührenden Respekt für die Vorgeschichte des Hammerschwingers in gezeichneter und gefilmter Form mit.

Nachdem er gemeinsam mit den irdischen Helden in New York den Angriff der Chitauri erfolgreich abgewehrt hat, ist Thor zurück in seine Heimat Asgard gereist. Seinen hinterlistigen Bruder Loki, der für die Katastrophe auf der Erde verantwortlich ist, nahm er mit. Eingekerkert in einer Zelle im Verlies, verbüßt dieser seine gerechte Strafe, während Thor seiner Aufgabe als Sohn des Königs nachkommt und den Frieden in den neun Welten, über die die Asen als Beschützer wachen, wieder herstellt. Egal wo im Universum er sich befindet, sein Herz lässt ihn sich ununterbrochen nach der Menschenwelt sehnen. Mithilfe von Heimdall, dem Wächter der Götter und Herrn über die Regenbogenbrücke Bifröst, dem Reiseportal der Asen, behält er seine große Liebe, Jane Foster, stets im Blick. Als die ambitionierte Wissenschaftlerin plötzlich verschwindet, greift Thor ein. Das glückliche Wiedersehen wird überschattet von einem Fund den Jane zufällig macht. Dieser ruft das uralte, gefährliche und längst besiegt geglaubte Volk der Dunkelelfen auf den Plan, dessen Anführer Malekith nach der Zerstörung nicht nur einer Welt trachtet. Gegen den Willen von Allvater Odin schmiedet der Donnergott einen gefährlichen Plan, in dem unter anderem Loki eine wichtige Rolle spielt.

Mit Malekith erweckt Christopher Yost einen alten Feind aus den Geschichten um den Donnergott zum Leben. Trotz einiger Vereinfachung der Zusammenhänge bleiben die wichtigsten Eigenschaften des Bösewichtes erhalten, der durch Christopher Eccleston in einer beeindruckenden Maske wahrhaft bedrohlich verkörpert wird. Chris Hemsworth war von Anfang an wie geschaffen für die Rolle des aufbrausenden, blonden Haudrauf, der lieber mit seinem Hammer zuschlägt, als lange zu diskutieren. Der nicht umsonst sehr beliebte Charakter des Loki, wird ein weiteres Mal als perfekter Gegenspieler für wundervolle Dialoge mit dem Donnergott etabliert. Der doppelzüngige Meisters der Täuschung ist und bleibt Tom Hiddelstons Meisterstück. Anthony Hopkins passt als Allvater wie die Faust auf Odins gesundes Auge. In Thor: The Dark Kingdom hat er endlich ein paar wichtigere Szenen. Etwas mehr Zeit bekommen auch Lady Sif und die Drei Krieger. Die Parts der insgesamt vier Charaktere hätten, ginge es nach mir, ruhig noch etwas erweitert werden können. Volstagg (Ray Stevenson), Fandral (Zachary Levi) und Hogun (Tadanobu Asano) sowie die von Jaimie Alexander gespielte Kriegerin bieten jede Menge ungenutztes Potenzial, von dem ich hoffe, dass es in kommenden Thor-Filmen genutzt wird.

In seinen 112 Minuten gewährt der Film der Geschichte Zeit, sich zu entfalten und all seinen Charakteren Raum, fühlbar in Erscheinung zu treten und bei den Zuschauern bleibende Eindrücke zu hinterlassen. Der Wechsel zwischen Action und Romantik, Düsternis und Farbenfreude, Humor und Ernst sorgt durchgehend für Abwechslung. Komponist Brian Tyler passt seine Musik perfekt an das Geschehen an und untermalt es stimmungsvoll, aber nicht zu aufdringlich. Insgesamt kommt Thor: The Dark Kingdom etwas getragener daher als Iron Man 3 oder The Avengers, wo ein Kampf den nächsten jagt (Links zu IMDB). Ich persönlich sehe gerade darin eine Stärke des Films. So wird die Welt des Donnergottes auch für diejenigen, die keine Comics lesen, mit Hintergrund und Leben gefüllt. Wer noch tiefer in das Marvel-Filmuniversum eintauchen möchte, kann die Vorgeschichte zum Film in Comicform nachlesen (Link zur Produktseite auf der Webseite des Panini-Verlages). Ein bisschen Vorwissen ist zum Verständnis des Films generell ratsam, wenngleich nicht zwingend nötig. Wer „The Avengers“ und „Thor“ nicht gesehen hat, wird zwar die Hauptgeschichte, jedoch nicht alle Feinheiten erfassen können. Dies ist das unvermeidliche Resultat des wachsenden Marvel-Filmuniversums.

Thor: The Dark Kingdom verbindet epische Fantasy mit brachialen Heldentaten und super Schurken. Dieses Werk bringt Mjölnir und seinen Besitzer zurück zu ihren Wurzeln und bietet einfach göttliche Unterhaltung. Die nächsten Helden stehen bereits in den Startlöchern und versprechen für das kommenden Jahr jede Menge Nachschub für Superheldenfans und alle, die es werden wollen.

An alle, die Lust auf einen Gang ins Kino und einen Besuch bei Marvels Donnergott bekommen haben, erfolgt an dieser Stelle noch der wichtige Hinweis: Bitte unbedingt bis ganz zum Ende sitzen bleiben, also den GESAMTEN Abspann von „Thor: The Dark Kingdom“ abwarten!