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Die Treue von entehrten Helden

Es gibt Filme, bei denen spielt die Erwartungshaltung, mit der die Zuschauer an sie herantreten, eine besonders große Rolle in Bezug auf den Sehgenuss. 47 Ronin, das Erstlingswerk von Regisseur Carl Erik Rinsch ist eines dieser Werke. Zugegebenermaßen hat es sich der Filmemacher mit dem Rückgriff auf eine der bekanntesten Geschichten Japans nicht gerade leicht gemacht. Der auf wahren Begebenheiten beruhende Stoff um die Gruppe von entehrten Samurai, die ihrem Herrn über dessen Tod hinaus treu ergeben bleiben, wurde bereits mehrfach in Filmform verarbeitet und ist weit über die Grenzen seines Ursprungslandes hinweg bekannt. Aufgepeppt mit allerlei fantastischen Elementen, spricht 47 Ronin deshalb nicht eingefleischte Fans des asiatischen Kinos, sondern auch Fantasy- und Actionliebhaber an. Wer allerdings auf einen vor Gefechten und Spezialeffekten nur so strotzenden Film hofft, der wird enttäuscht werden. Ebenso unzufrieden werden Zuschauer den Kinosaal verlassen, die einen fein durchchoreografierten Kampfkunstfilm oder ein reines Samuraiepos erwarten. Ist die Rückkehr von Keanu Reeves auf die große Leinwand also misslungen? Nein. 47 Ronin ist kein schlechter Film und hat durchaus das Potenzial, sein Publikum für 119 Minuten zu fesseln.

In ihren Grundzügen entspricht die Geschichte dem japanischen Nationalmythos um 47 herrenlose Krieger, die einen listigen Plan ersinnen, um den Tod ihres Herrn zu rächen. Drehbuchautor Chris Morgan, der sich unter anderem für die letzten vier Teile von Fast & Furious verantwortlich zeigt, würzt die klassische Erzählung mit sämtlichen Elementen, die japanische Legenden zu bieten haben. So gibt es Hexen, welche die Gestalt verschiedener Fabelwesen (Yokai) annehmen können und im Wald lebende, unheimliche Vogelwesen (Tengu). Wild aussehende Naturgeister (Oni) runden den bunten Querschnitt durch die Mythologie Japans ab. Sogar eine Prise Piratenflair dürfen die ihrer Ehre beraubten Samurai (Ronin) im Laufe ihres Abenteuers schnuppern. Kombiniert mit farbenfrohen Kulissen und Kostümen erschaffen die Macher eine fantastische Welt.

Anders als die Trailer im Voraus vermuten ließen, wird die Suche der tapferen Männer nach Ehre und Gerechtigkeit sehr ruhig inszeniert. Der Liebesgeschichte zwischen Kai (Keanu Reeves) und der Fürstentochter Mika Asano (Ko Shibasaki) wird recht viel Zeit eingeräumt. Selbstverständlich gibt es auch Kämpfe, in denen Roninanführer Oishi (Hiroyuki Sanada), der mit besonderen Kräften begabte Kai und die anderen Samurai ihr kriegerisches Können gegen die Armeen des niederträchtigen und unter dem Einfluss von Hexe Mizuki (Rinko Kikuchi) stehenden Fürtsen Kira (Tadanobu Asano) unter Beweis stellen dürfen. Die Spezialeffekte bewegen sich dabei auf solidem Hollywood-Niveau und sind in 3D hübsch anzusehen. Wäre der Film in Japan entstanden, wären die sehr deutlich herauszuhörenden Erklärungen verschiedener Begriffe rund um das Leben der Samurai, wie der des rituellen Suizids (Seppuku), entfallen. Außerdem wären die Schlachten wahrscheinlich noch epischer ausgefallen und der Fokus noch mehr auf die Kampfkunst gelegt worden. Dennoch ist 47 Ronin abwechslungsreich genug, um trotz getragenem Erzähltempo keine Langeweile aufkommen zu lassen.

Schauspielerische Höchstleistungen sind während der gesamten Spielzeit bei keinem der Beteiligten zu verzeichnen. Teilweise ist dies durch die große Anzahl verschiedener Charaktere und die damit zusammenhängenden zeitlichen Begrenzungen bedingt. So bekommen einige Darsteller gar nicht die Chance in längeren Szenen aufzutreten. Die groß beworbene Darbietung des ganzkörpertätowierten Rick Genest ist beispielsweise geradezu vernachlässigbar kurz. Ein besonders schlechtes Spiel kann man aber auch keinem der Akteure vorwerfen.

Alle, die sich nicht an der zum einen in Richtung Fantasy abgewandelten und zum anderen für die Allgemeinheit tauglich gemachten Umsetzung der Materie stören, sollten den Kinobesuch für 47 Ronin daher ruhig wagen. Auch wenn es nicht an allen Ecken und Enden knallt, so birgt Carl Erik Rinschs Regiedebut über die Treue von entehrten Helden in seiner gerade zum Ende hin Ende konsequent durchexerzierten Art auf jeden Fall den ein oder anderen sehenswerten Knalleffekt. Wer bedenkt, dass 47 Ronin kein japanischer Film, sondern Fanatsy in japanischen Gewand ist, kann für etwa zwei Stunden der Realität entfliehen und das Kino danach gut unterhalten verlassen.

Göttliche Unterhaltung

Ein bisschen Bammel hatte ich schon, als ich den Kinosaal betrat, um mir den brandneuen Marvel-Streifen anzusehen. Nach dem furiosen ersten Leinwand-Team-Up der Avengers hat nach Iron Man nun der Donnergott seinen nächsten Solo-Auftritt. Das dritte Abenteuer des Mannes in der eisernen Rüstung konnte mich nicht wirklich begeistern (Interessierte können meine Kritik hier nachlesen). Hoffnung, dass das enttäuschende Erlebnis ein Einzelfall im Marvel-Filmuniversum bleiben könnte, machten Wolverines Ausflug nach Japan (hier entlang zu meiner Kritik), sowie die fantastischen Trailer zu Thor: The Dark World. Warum man den Titel für Deutschland in Thor: The Dark Kingdom umbenannt hat, kann und will ich nicht verstehen. Lokale Untertitel kann man irgendwie verargumentieren, aber ein neuer englischer Titel ist in meinen Augen schlicht unnötig.

Marvels nordische Saga um die mächtigen, außerirdischen „Götter“ war schon immer etwas Besonderes. Thor und seine Geschichten aus Asgard hoben sich seit jeher von den Erlebnissen seiner Superheldenfreunde von der Erde ab. Seine Welt ist fantastisch, mystisch und hat ihre ganz eigenen Gesetze. Die sehr originalgetreue Umsetzung des alten Königreiches mit all seinen Einwohnern und ihren aufwändigen Kostümen war es, die mich bereits vor zwei Jahren begeisterte, als Kenneth Brannagh den Donnergott zum ersten Mal ins Kino brachte – ganz ohne Angst vor großen Helmen mit markanten Hörnern. Ein Wechsel unter den Machern geht bei Filmfortsetzungen in den allermeisten Fällen mit spürbaren Unterschieden einher. So war es beispielsweise der unverkennbare Stempel von Shane Black, der meiner Meinung nach nicht ganz mit Iron Man harmonieren wollte. Mit Regisseur Alan Taylor hat man im Falle von Thor jedoch einen wirklich passenden Ersatz gefunden. Der erfahrene Filmemacher kennt sich durch seine Arbeit für diverse TV-Serien, wie Game of Thrones oder Die Sopranos, mit fantastischen und komplizierten Familiengeschichten aus (Links zu IMDB). Comicautor Christopher Yost, der sich für das Drehbuch zu Thor: The Dark Kingdom verantwortlich zeigt, bringt das nötige Wissen und den gebührenden Respekt für die Vorgeschichte des Hammerschwingers in gezeichneter und gefilmter Form mit.

Nachdem er gemeinsam mit den irdischen Helden in New York den Angriff der Chitauri erfolgreich abgewehrt hat, ist Thor zurück in seine Heimat Asgard gereist. Seinen hinterlistigen Bruder Loki, der für die Katastrophe auf der Erde verantwortlich ist, nahm er mit. Eingekerkert in einer Zelle im Verlies, verbüßt dieser seine gerechte Strafe, während Thor seiner Aufgabe als Sohn des Königs nachkommt und den Frieden in den neun Welten, über die die Asen als Beschützer wachen, wieder herstellt. Egal wo im Universum er sich befindet, sein Herz lässt ihn sich ununterbrochen nach der Menschenwelt sehnen. Mithilfe von Heimdall, dem Wächter der Götter und Herrn über die Regenbogenbrücke Bifröst, dem Reiseportal der Asen, behält er seine große Liebe, Jane Foster, stets im Blick. Als die ambitionierte Wissenschaftlerin plötzlich verschwindet, greift Thor ein. Das glückliche Wiedersehen wird überschattet von einem Fund den Jane zufällig macht. Dieser ruft das uralte, gefährliche und längst besiegt geglaubte Volk der Dunkelelfen auf den Plan, dessen Anführer Malekith nach der Zerstörung nicht nur einer Welt trachtet. Gegen den Willen von Allvater Odin schmiedet der Donnergott einen gefährlichen Plan, in dem unter anderem Loki eine wichtige Rolle spielt.

Mit Malekith erweckt Christopher Yost einen alten Feind aus den Geschichten um den Donnergott zum Leben. Trotz einiger Vereinfachung der Zusammenhänge bleiben die wichtigsten Eigenschaften des Bösewichtes erhalten, der durch Christopher Eccleston in einer beeindruckenden Maske wahrhaft bedrohlich verkörpert wird. Chris Hemsworth war von Anfang an wie geschaffen für die Rolle des aufbrausenden, blonden Haudrauf, der lieber mit seinem Hammer zuschlägt, als lange zu diskutieren. Der nicht umsonst sehr beliebte Charakter des Loki, wird ein weiteres Mal als perfekter Gegenspieler für wundervolle Dialoge mit dem Donnergott etabliert. Der doppelzüngige Meisters der Täuschung ist und bleibt Tom Hiddelstons Meisterstück. Anthony Hopkins passt als Allvater wie die Faust auf Odins gesundes Auge. In Thor: The Dark Kingdom hat er endlich ein paar wichtigere Szenen. Etwas mehr Zeit bekommen auch Lady Sif und die Drei Krieger. Die Parts der insgesamt vier Charaktere hätten, ginge es nach mir, ruhig noch etwas erweitert werden können. Volstagg (Ray Stevenson), Fandral (Zachary Levi) und Hogun (Tadanobu Asano) sowie die von Jaimie Alexander gespielte Kriegerin bieten jede Menge ungenutztes Potenzial, von dem ich hoffe, dass es in kommenden Thor-Filmen genutzt wird.

In seinen 112 Minuten gewährt der Film der Geschichte Zeit, sich zu entfalten und all seinen Charakteren Raum, fühlbar in Erscheinung zu treten und bei den Zuschauern bleibende Eindrücke zu hinterlassen. Der Wechsel zwischen Action und Romantik, Düsternis und Farbenfreude, Humor und Ernst sorgt durchgehend für Abwechslung. Komponist Brian Tyler passt seine Musik perfekt an das Geschehen an und untermalt es stimmungsvoll, aber nicht zu aufdringlich. Insgesamt kommt Thor: The Dark Kingdom etwas getragener daher als Iron Man 3 oder The Avengers, wo ein Kampf den nächsten jagt (Links zu IMDB). Ich persönlich sehe gerade darin eine Stärke des Films. So wird die Welt des Donnergottes auch für diejenigen, die keine Comics lesen, mit Hintergrund und Leben gefüllt. Wer noch tiefer in das Marvel-Filmuniversum eintauchen möchte, kann die Vorgeschichte zum Film in Comicform nachlesen (Link zur Produktseite auf der Webseite des Panini-Verlages). Ein bisschen Vorwissen ist zum Verständnis des Films generell ratsam, wenngleich nicht zwingend nötig. Wer „The Avengers“ und „Thor“ nicht gesehen hat, wird zwar die Hauptgeschichte, jedoch nicht alle Feinheiten erfassen können. Dies ist das unvermeidliche Resultat des wachsenden Marvel-Filmuniversums.

Thor: The Dark Kingdom verbindet epische Fantasy mit brachialen Heldentaten und super Schurken. Dieses Werk bringt Mjölnir und seinen Besitzer zurück zu ihren Wurzeln und bietet einfach göttliche Unterhaltung. Die nächsten Helden stehen bereits in den Startlöchern und versprechen für das kommenden Jahr jede Menge Nachschub für Superheldenfans und alle, die es werden wollen.

An alle, die Lust auf einen Gang ins Kino und einen Besuch bei Marvels Donnergott bekommen haben, erfolgt an dieser Stelle noch der wichtige Hinweis: Bitte unbedingt bis ganz zum Ende sitzen bleiben, also den GESAMTEN Abspann von „Thor: The Dark Kingdom“ abwarten!