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Die Macht der Fantasie

Zwar habe ich es – trotz guten Vorsätzen – 2013 wieder nur ein einziges Mal in die Oper geschafft, immerhin ist das Jahr aber nicht ganz ohne den Genuss eines großen, klassischen Werkes verstrichen. Die Geschichte und die Musik der Zauberflöte begleiten mich schon sehr lange. Mozarts Komposition und Emanuel Schikaneders Texte habe ich schon in verschiedenen Inszenierungen gehört und gesehen. Von kindgerechten Varianten bis zu Aufnahmen bekannter Opernaufführungen, die Magie der Zauberflöte entfaltet sich beinahe von selbst – ganz unabhängig davon, wie pompös die Umsetzung auf der Bühne ist. Diese Oper ist eine der wenigen, deren Musik ich nicht bloß bruchstückhaft verinnerlicht habe. Das mag daran liegen, dass sie gemeinhin als leicht verständliche Kost gilt. Gerade in diesem Aspekt verbirgt sich allerdings die Genialität der Schöpfer.

Die von mir besuchte Aufführung in der Oper Frankfurt zeigte Die Zauberflöte in der Inszenierung von Alfred Kirchner (Links zu Wikipedia und der Webseite der Oper Frankfurt). Wenngleich es einige krankheitsbedingte Umbesetzungen gab, haben alle Mitwirkenden eine großartige Leistung erbracht, allen voran Andreas Bauer als Tamino und Björn Bürger als Papageno. Was die Damen anbelangt, habe ich hier und da schon voluminösere Stimmen gehört. Die Zauberflöte ist jedoch eine Oper mit relativ vielen Protagonisten, was dazu führt, dass sie sich (oftmals unterstützt von Chören) mühelos gegenseitig über schwächere Passagen hinwegtragen können. Kritik möchte ich deshalb keine anbringen, denn das musikalische Gesamterlebnis war wunderbar.

Das bunte und fantasievolle Bühnenbild von Michael Sowa und Vincent Callara, das wie die Faust aufs Auge zu der oftmals als unlogisch bezeichneten Erzählung passt, ist beeindruckend. Beim Anblick der aufwändigen Kulissen und Kostüme fällt es dem Zuschauer leicht, sich in die Welt von Sarastro und der Königin der Nacht zu begeben und das Märchen vom Prinzen mit dem verzauberten Instrument und dem exzentrischen Vogelfänger in vollen Zügen zu genießen. Seltsamerweise ist es ausgerechnet Papageno, dessen Äußeres im Gegensatz zu anderen Inszenierungen eher reduziert wirkt. Dies lässt dem Darsteller gleichzeitig mehr Freiraum zum Spiel. Alles in allem kommt die Oper unter der Regie von Alfred Kirchner besonders schwungvoll, leichtfüßig und vor allem absolut sehenswert daher.

Im Gegensatz zu vielen literarischen Werken ist die Zauberflöte, wie mir auffiel, noch „unzensiert“. Monostratos ist nach wie vor ein Mohr in Wort und Bild. Wenn ich an die Diskussionen um gewisse Änderungen an Kinderbüchern denke, frage ich mich, wie lange es dauert, bis hier jemand unnötigerweise Hand anzulegen versucht. Klassische Werke – egal ob geschriebene oder gesungene – sollten als solche belassen und genossen werden. Die Zauberflöte ist ausgezeichnet dafür geeignet, um ein jüngeres Publikum an die Materie heranzuführen. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Mit Wohlwollen nahm ich deshalb die große Anzahl noch-lange-nicht-erwachsener Besucher in der Vorstellung wahr und hoffe, dass Mozarts Musik und die Macht der Fantasie bei vielen weiteren Einsteigern und auch bei eingefleischten Opernfans noch ewig erfolgreich wirken können.

Die vom Wege Abgekommene

In die Oper gehen, das ist auch so eine Sache, die ich viel zu wenig mache. Seit langer Zeit habe ich endlich wieder einmal die Frankfurter Oper besucht. Zu sehen und zu hören gab es Giuseppe Verdis La Traviata in der Inszenierung von Axel Corti (Links zu Wikipedia und der Webseite der Oper Frankfurt). Ich habe die Aufführung sehr genossen, wenngleich ich die restlose Begeisterung vieler für die Inszenierung nicht ganz nachvollziehen kann.

Die Musik von Verdi ist absolut einzigartig, gefühlvoll und mitreißend. Der Lobgesang auf den Genuss am Ende des ersten Aktes dürfte vielen bekannt sein, auch wenn sie sich nicht besonders intensiv mit Opern beschäftigen.

Mit der Kunst, egal in welcher Form sie daherkommt, halte ich es einfach: Entweder etwas gefällt einem, oder es gefällt einem nicht. Das bedeutet natürlich nicht, dass man nicht offen darüber diskutieren und sich austauschen sollte. Ganz im Gegenteil: Andere Meinungen sind stets interessant, auch wenn man sie nicht teilt.

Mehr durch Zufall habe ich bei meinem Besuch eine der letzten Vorstellungen der Traviata in der von Axel Corti entwickelten Inszenierung gesehen. Wie ich gelesen habe, will die Oper Frankfurt diese nach mehr als 20 Jahren aus dem Programm nehmen. Aus meiner Sicht vielleicht keine ganz so schlechte Entscheidung, wird dadurch hoffentlich Platz gemacht für neue Interpretationen der Geschichte.

Der Regisseur beschäftigte sich gerne und viel mit dem Nationalsozialismus, was in der Inszenierung sehr deutlich wird. Er lässt die Geschichte im von den Nazis besetzten Paris spielen und macht Barone zu Nazioffizieren. Das Bühnenbild an sich hat mir gut gefallen, besonders der vielschichtige Bahnhof im letzten Akt. Allerdings empfand ich die ständige Präsenz des Faschismus-Themas besonders dort als störend. Nazipatrouillen durchstreiften ständig das Geschehen und führen nach und nach immer mehr Menschen aus dem Bahnhof ab, während sich im Vordergrund das tragische Schicksal der sterbenden Violetta erfüllte.

Nach den mit relativ vielen Darstellern bevölkerten ersten beiden Akten konzentriert sich der dritte Akt von La Traviata voll und ganz auf die Hauptrollen. Die nötige Intensität und Tragik wird dem Ganzen meiner Ansicht nach genommen, wenn im Hintergrund zu viel passiert und der Zuschauer zu sehr vom eigentlichen Geschehen abgelenkt wird.

Ich finde moderne Inszenierungen von Opern, grundsätzlich gut. So gefiel mir eine Inszenierung von Giacomo Puccinis Tosca sehr, die ich vor einigen Jahren in der Frankfurter Oper sah und die mit einem sehr stilisierten und reduzierten Bühnenbild arbeitete. Auch hat mich eine  Fernsehübertragung von den Salzburger Festspielen diesen August sehr beeindruckt, bei der Anna Netrebko und Piotr Beczala die Hauptrollen in La Bohème sangen und bei der der Spielzeugverkäufer Parpignol als fliegender Superheld dargestellt wurde. Gerne können Inszenierungen von Opern für mich ungewöhnlich und bunt sein und auch der Integration von kritischen Themen bin ich nicht gänzlich abgeneigt. Lenkt das Ganze jedoch vom eigentlichen Inhalt des Stücks zu sehr ab, empfinde ich es als störend, seien es nun Nazis oder andere Gestalten.

Gleichwohl bin ich froh, die vielgefeierte Inszenierung von Corti gesehen und mir ein eigenes Bild gemacht zu haben. Die Leistung der Sängerinnen und Sänger habe ich im Übrigen als sehr gut empfunden. Es mögen keine absoluten Ausnahmetalente darunter gewesen sein, aber ich war dennoch von der Leistung sehr beeindruckt. Besonders Cristina Antoaneta Pasaroiu als Violetta und Jean-François Lapointe als Giorgio Germont haben wundervoll gesungen.

Der gute Vorsatz für das neue Jahr wird sein, doch wieder mehr in die Oper zu gehen. Es ist einfach immer ein schönes Erlebnis.