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Vom Lügen und Betrügen

Knapp zwei Wochen vor der Verleihung der Oscars läuft mit American Hustle ein in Fachkreisen dafür hoch gehandelter Favorit in den deutschen Kinos an. David O. Russells neuer Film startet mit insgesamt zehn Nominierungen in das Rennen um die in Hollywood heiß begehrten, goldenen Trophäen. Etliche Preise hat die hochkarätig besetzte und mit viel Liebe zum Detail inszenierte Komödie bereits gewonnen, unter anderem bei den Golden Globe Awards und den Critics‘ Choice Movie Awards (Links zu Wikipedia). Sämtliche Aufstellungen und Auszeichnungen sind verdient, denn American Hustle bietet Schauspielkunst auf höchstem Niveau, kombiniert mit maximalem Unterhaltungswert.

Die Arbeit an diesem Werk muss allen Beteiligten einen Riesenspaß bereitet haben. Anders sind die hervorragenden Leistungen von Cast und Crew nicht zu erklären. Angefangen bei den bis ins kleinste Detail geschliffenen Dialogen, über die opulente Ausstattung im Stil der 70er Jahre, bis zu den facettenreichen Darbietungen der Darsteller, stimmt bei American Hustle einfach alles. Die Geschichte um den Lebenskünstler und Trickbetrüger Irving Rosenfeld (Christian Bale) und seine schöne wie gerissene Komplizin Sydney Prosser (Amy Adams) entfaltet sich vor den Augen der Zuschauer in stoischer Ruhe und bisweilen kaum auszuhaltender Gelassenheit. Dem ehrgeizigen FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper) ausgeliefert, der das Geheimnis der Beiden kennt und sie damit erpresst, müssen die Betrüger ihre Fähigkeiten im Dienste des Staates einsetzen, um korrupte Politiker zu überführen. Dass der Gesetzeshüter dabei immer skrupelloser und unbedachter vorgeht, stellt die Gruppe regelmäßig vor neue Herausforderungen und treibt die Ereignisse in einer unaufhaltsamen Spirale weg von deren Kontrollierbarkeit.

Lang gezogene Kragenenden, wilde Muster und tiefe Dekolletés bei Frauen und Männern wirken im Vergleich zur Mode der heutigen Zeit alleine schon befremdlich. Bei American Hustle trägt jede dieser Feinheiten zur einzigartigen Atmosphäre bei. Erst inmitten dieser farbenfrohen Welt mit ihren wallenden Stoffen und auffälligen Dekors an Menschen und Wänden wird das Verwirrspiel, das die Protagonisten austragen, perfekt. Christian Bale beweist in der Rolle des Irving Rosenfeld ein weiteres Mal sein unglaubliches Talent und seine Gabe, sich so tief in seine Rollen hineinzuversetzen, dass er sie aus jeder Faser ausstrahlt. Körperliche Makel präsentiert er dabei völlig ungeniert. In der glamourösen Welt Hollywoods ist dies keine Selbstverständlichkeit. Ebenso überzeugend spielt Bradley Cooper seinen Part als vom Wunsch nach Aufstieg getriebener FBI-Agent Richie DiMaso. Sein Minenspiel und seine Fähigkeiten reichen so viel weiter als das von ihm in seiner Karriere viel zu lange zelebriertes Sonnyboy-Image. Nach The Place Beyond the Pines (Link zu IMDB) weiß er erneut in einer Charakterrolle zu überzeugen. Wunderbar authentisch ist auch die Darbietung von Jeremy Renner als korrupter Politiker und Familienmensch Carmine Polito. Wenn er in einer Feierszene mit Christian Bale lauthals zu Tom Jones „Delilah“ singt, ist das so herzerwärmend komisch, dass sich wohl keiner der Zuschauer ein Schmunzeln verkneifen kann. Amy Adams spielt die nicht mit ihren Reizen geizende Sydney Prosser mit viel Herz. In ihren Nebenrollen absolut bemerkenswert sind Jennifer Lawrence und Elisabeth Röhm als energische und eigenwillige Ehefrauen im Hintergrund – von Robert De Niros kurzem Auftritt in seiner Paraderolle als Mafioso ganz zu schweigen.

Der Humor von Amercian Hustle ist kein lauter, aber nicht minder vergnüglich und langanhaltend in seiner Wirkung. Für Liebhaber von ausgedehnten, stimmigen Dialogszenen und hintergründigem Witz, ist dieser Film genau das Richtige. David O. Russells Arbeit wirkt insgesamt zurückhaltender als die seiner Regiekollegen Quentin Tarantino (Pulp Fiction), Guy Ritchie (Bube Dame König grAS) oder Martin McDonagh (7 Psychos), seine beharrliche Erzählweise jedoch dennoch mit der Ihren vergleichbar (Links zu IMDB). Seine Geschichte vom Lügen und Betrügen ist so charmant wie lustig und jeden Cent für die Kinokarte wert.

Hätte ich bei der Vergabe der Oscars etwas zu sagen, würde ich – basierend auf meinem aktuellen Wissensstand – für American Hustle als „Bester Film“ stimmen. Ich habe zugegebenermaßen nach wie vor (noch) nicht alle nominierten Filme gesehen. In Sachen Hintergründigkeit, Storytelling und Leistung des gesamten Ensembles hat American Hustle zumindest dem Konkurrenten The Wolf of Wall Street einiges voraus. Über den in meinen Augen zwar visuell überzeugenden, aber inhaltlich flachen Gravity will ich mich an dieser Stelle gar nicht mehr auslassen. (Links in diesem Absatz zu IMBD)

Letzte Ausfahrt

Was Komödien und humoristische Elemente auf der großen Leinwand anbelangt, war 2013 bisher ein Jahr, in dem viele Erwartungen unerfüllt geblieben sind. Die Erinnerung an den unglaublich humorbefreiten dritten Hangover-Teil, an das zweite Abenteuer der Rentneragenten, der alle Gags bereits in seinem Trailer verriet, oder an das untote Team aus Cop und den Cowboy, die viel zu viel Potenzial verschenkten, sind nach wie vor präsent. Natürlich gab es dank der falschen Familie Miller oder den lieber pumpenden statt denkenden Bodybuildern bereits einiges zu lachen. Dennoch waren meine Erwartungen an John Turtletaubs neuen Film Last Vegas eher gering. Zu meiner positiven Überraschung hält der Trailer in diesem Fall, was er verspricht und der ungewöhnliche Junggesellenabschied sorgt für 105 Minuten gute Unterhaltung. (Links in diesem Absatz zu meinen Kritiken zu den betreffenden Filmen)

Es ist vor allem den hochkarätigen Schauspielern zu verdanken, dass die doch sehr vorhersehbare Geschichte um den wohlhabenden Senioren Billy und seine ehemalige Jugendgang über die gesamte Länge von Kurzweil geprägt ist. Jeder von ihnen beweist ein überaus großes Maß an Selbstironie. Als Sam (Kevin Kline) und Archie (Morgan Freeman) erfahren, dass Billy (Michael Douglas) mit über 70 Lebensjahren endlich in den Hafen der Ehe einlaufen will, beschließen sie, ihn gebührend aus dem Junggesellendasein zu verabschieden. Fest entschlossen, noch einmal so richtig einen drauf zu machen, sammeln sie ihren nach dem Tod seiner Frau zum Dauergrantler mutierten Freund Paddy (Robert De Niro) ein und fahren nach Las Vegas. Jeden der alten Herren verleiten eigene Wünsche dazu, dem gewohnten Leben und den eigenen vier Wänden für ein paar Tage zu entfliehen. Vom fest eingefahrenen Alltagstrott eines Ehepaares bis zum überfürsorglichen Sohn gibt es genügend Gründe, gemeinsam die guten alten Zeiten noch einmal auferstehen zu lassen. Und dann ist da noch die attraktive Diana (Mary Steenburgen), die in ihrem Ruhestand endlich dem Traumjob als Barsängerin nachgeht und Paddy und Billy auf Anhieb den Kopf verdreht. Dabei steht Letzterer doch kurz davor, eine knackige Dreißigjährige zu ehelichen! Was den langjährigen Freunden zuerst als letzte Ausfahrt zurück in die weit entfernte Jugend erscheint, entpuppt sich immer mehr zum Trip der unbegrenzten Möglichkeiten.

Last Vegas ist eine romantische Komödie, die verschiedene Aspekte rund um das Thema „Alter“ beleuchtet. Die Witze sind dabei durchweg deftiger, als bei anderen Genrewerken wie Wie beim ersten Mal (Hope Springs, Link zu IMDB). Das Wolfsrudel könnte von Billy und Konsorten noch einiges lernen. Es wird gezockt, gesoffen und geflirtet. Doch verkommt der Film trotz viel Schenkelklopfen nie zu einem dauerhaften Abfeuern von übertriebenen Gags. Die leisen Untertöne sind stets spürbar. Regisseur Jon Turtletaub stellt viele wichtige und richtige Fragen – über das Älterwerden, den in unserer Gesellschaft immanenten Jugendwahn, falsche Schönheitsideale und zwischenmenschliche Beziehungen – ohne dabei zu melancholisch zu werden oder den belehrenden Zeigefinger zu hoch zu heben. Last Vegas ist ein humorvoller Lobgesang auf das Leben und die Freundschaft. So kann auf dem feuchtfröhlichen Ausflug in die glitzernde Wüstenstadt jedes Mitglied der Gruppe, an der die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen ist, auch auf die alten Tage noch etwas dazu lernen.

Mit viel Mut und ohne Scheu vor delikaten Themen beweist die alte Garde Hollywoods mit Last Vegas, dass gewisse Ängste und Marotten nur menschlich sind und dass gegen das Altern an sich kein Kraut gewachsen ist. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß bei der Arbeit an diesem Film. Billy, Archie, Sam und Paddy lassen die Agenten aus RED 2 und die verkaterte Truppe aus Hangover 3 (Links zu IMDB) ganz schön alt aussehen. Last Vegas reiht sich deshalb mühelos in die Liste der gelungenen Komödien des Jahres ein.