Realität und Fiktion

Argo. Der Film, der bei der Oscarverleihung 2013 mit dem begehrten Titel „Bester Film“ ausgezeichnet wurde. Ein Film, den ich aufgrund seiner in meinen Augen sterbenslangweiligen Trailer lange Zeit gar nicht auf meiner gedanklichen Liste unter „Must See“ verbucht hatte. Nach der hohen Auszeichnung musste ich ihn mir am Ende doch ansehen. Die Neugierde siegte.

Dieser Film gab mir auch die Gelegenheit, Frankfurts neues Luxuskino zu testen. Interessierte können meine Locationbewertung dazu auf Qype lesen. Am Ende konnte mich leider weder das auf Luxus getrimmte Kino, noch der Film restlos überzeugen. Aber fangen wir wie immer vorne an, und damit wovon Argo überhaupt handelt.

Argo basiert auf realen Gegebenheiten und erzählt die Geschichte einer raffinierten Rettungsaktion der CIA. Im November 1979 wird die amerikanische Botschaft in Teheran von islamischen Studenten besetzt. 52 US-Diplomaten werden als Geiseln dort festgehalten. Sechs findige Botschaftsmitarbeiter können im Tumult entkommen, als die Islamisten die Botschaft stürmen. Sie suchen Unterschlupf in der kanadischen Botschaft. Die CIA startet eine wahnwitzige Rettungsaktion, bei der die Amerikaner gemeinsam mit dem Rettungsspezialisten Tony Mendez als Filmteam getarnt entkommen sollen. Der fingierte Hollywoodfilm, der als Tarnung dient, trägt den Namen Argo.

Die reale Hintergrundgeschichte des Films ist äußerst interessant. Die Geiselnahme von Teheran, die Geheimdienstoperation, das alles gab es wirklich. Tony Mendez ist heute Künstler und Autor und berichtet offen über seine Einsätze, die inzwischen nicht mehr der Geheimhaltung unterliegen.

Dass die Realität schon spektakulär ist, ist meiner Meinung nach der größte Nachteil des Films. Denn eigentlich ist die gesamte Geiselnahme von Interesse. Immerhin wurden die Geiseln in der Botschaft für ganze 444 Tage, also mehr als ein Jahr, dort festgehalten. Man mag sich gar nicht ausmalen, was für ein Martyrium das gewesen sein muss. Gerade dieser Gedankengang war es auch, der mich den gesamten Film über beschäftigte. Ständig fragte ich mich, was eigentlich mit den Geiseln in der Botschaft passiert. Diesen Aspekt beleuchtet der Film nämlich nur am Rand. Zwar werden ständig und in verschiedenster Form echte TV-Aufzeichnungen gezeigt, anhand derer man den Verhandlungsprozess erahnen kann, das Meiste bleibt aber dennoch im Dunkeln und wird im Wesentlichen auf dann doch überflüssige eine Folterszene reduziert.

Vielleicht wäre die gesamte Geiselnahme mit all ihren Aspekten vom Inhalt her eine zu große Herausforderung gewesen. Eine etwas erweiterte Sicht hätte dem Film in meinen Augen aber nicht geschadet. So konzentriert sich Argo auf die Rettungsaktion der 6 entkommenen Amerikaner. Während ihre Kollegen in der Botschaft unter Bedingungen ausharren und Ängste ausstehen müssen, die man sich gar nicht näher vorstellen mag, residieren die Sechs vergleichsweise komfortabel beim kanadischen Botschafter, sehr charmant gespielt von Victor Garber. Als Tony Mendez schließlich auftaucht und ihnen die Rettungsaktion erklärt, geben sie sich eilweise auch noch wählerisch. Ich bin mir nicht sicher, ob das der Zielsetzung von Ben Afflecks Regie entspricht, aber ich konnte mit den sechs zu rettenden Personen den ganzen Film über nicht recht mitfühlen. Sie haben mich regelrecht erzürnt. Immerhin bekamen sie die Chance überhaupt gerettet zu werden, während das Schicksal der Geiseln dank ständiger Hinrichtungsandrohungen komplett im Ungewissen lag. Insofern hat der Film definitiv Emotionen bei mir hervorgerufen. Ob das die vom Regisseur beabsichtigten waren, halte ich eher für unwahrscheinlich.

Was die Schauspieler anbelangt, fiel mir Ben Affleck selbst leider negativ auf. Er ist in meinen Augen kein großer Mime. Eventuell ist ein immer gleicher, langweiliger und emotionsloser Gesichtsausruck mit halboffenem Mund ja das Markenzeichen von Tony Mendez. Wenn ich Bilder von dem guten Mann sehe, glaube ich das allerdings kaum. Wer eine solch kluge und ausgefeilte Rettungsaktion plant, der muss einfach mit Leib und Seele dahinter stehen und dem sieht man das sicherlich auch an. Ben Affleck verkörpert leider nichts davon. Irgendwie wartete ich den ganzen Film über darauf, dass er anfängt, aus dem Mundwinkel zu sabbern – was natürlich nicht passierte. Vielleicht sollte er sich bei seinen kommenden Filmen lieber komplett hinter denn vor der Kamera aufhalten. Er trägt bei Argo jedenfalls meiner Meinung nach nicht dazu bei, die Spannung zu erhöhen.

Großartig spielt dagegen wieder einmal Bryan Cranston seine Rolle als Mendez Vorgesetzter Jack O’Donnell. Er zählt für mich zu den derzeit besten Schauspielern überhaupt. Mimik, Gestik, Bryan Cranston nutzt sein gesamtes schauspielerisches Repertoire in jeder Rolle meisterlich. Positiv aufgefallen sind mir außerdem John Goodman als Maskenbildner John Chambers und Alan Arkin als Filmproduzent Lester Siegel, die Mendez tatkräftig unterstützen und der Geheimoperation den nötigen, glaubhaften Background verleihen. Der Rest des Cast legt eine solide Leistung an den Tag. Keiner außer den gerade Genannten fiel mir besonders auf, weder positiv noch negativ.

Was das Erzähltempo anbelangt würde ich Argo als einen sehr seichten Thriller bezeichnen. Es gibt einige Szenen, in denen mehr Spannung aufkommt, indem man die Rettungsaktion hollywoodgerecht sicherlich noch etwas spektakulärer aussehen lässt, als sie es ohnehin schon war. Wie nahe hier die Fiktion an der Realität ist, vermag ich nicht zu sagen. Den Großteil des Films plätschert die Handlung aber mehr oder weniger vor sich hin. Trotz der Konzentration auf die Rettungsaktion sind sehr viele Personen am Geschehen beteiligt. Als Zuschauer blieb mir kaum die Gelegenheit, einzelne Akteure, vor allem von den sechs zu rettenden Amerikanern, konzentrierter und spezieller wahrzunehmen.

Abschließend kann ich sagen: Der Ansatz des Films ist gut, allein die Präsentation konnte mich leider nicht überzeugen. Ich habe noch immer nicht alle Filme gesehen, die bei den Oscars 2013 im Rennen um den Titel „Bester Film“ gegeneinander antraten. Die Verleihung des Preises an Argo erscheint mir aber schon jetzt fragwürdig. Ein abschließendes Urteil werde ich mir selbstverständlich erst nach Sichtung weiterer Filme erlauben. Am Ende reduziert sich alles ja doch wieder auf die Geschichte mit dem Affen und der Seife unter der Überschrift „Geschmacksache“.

Was die Diskussionen in der Presse darüber anbelangt, wie man den Iran als Land in Argo darstellt, so kann ich diese übrigens nicht nachvollziehen. Besonders gut kommen in meinen Augen beide Seiten nicht weg – also sowohl der Iran, wie auch die USA. Zumindest das halte ich dem Film im Vergleich zu anderen plakativ pro-amerikanischen Werken zugute.