Sir Alfred Hitchcock. Sein Name ist eine Legende. Seine Filme sind weltberühmt. Es gibt wohl kaum jemanden – sogar in der jugendlichen Bevölkerung – der nicht mindestens einen seiner Filme gesehen, oder zumindest von ihm gehört hat. Sein berühmtestes und gleichzeitig erfolgreichstes Werk ist Psycho (Link zu IMDB). Die Entstehungsgeschichte dieses Meisterwerkes, das den Schrecken auf der Leinwand salonfähig machte und als Grundstein sowohl des Psychothriller- wie auch des Slasher-Genres gilt, erzählt der Film Hitchcock.
Schon der Trailer und der hochkarätige Cast hatten mich neugierig auf Hitchcock gemacht. Bei einer Veranstaltung durfte ich den Film dann sogar schon einen Tag vor seinem offiziellen Deutschlandstart sehen. Eine glückliche Fügung.
Hitchcock ist ein Biopic, das von seiner Erzählweise und Gangart an ein fröhliches Jazzstück erinnert. Die Geschichte des Films beginnt mit einem Alfred Hitchcock, der sich mit dem Altern auseinandersetzt, auf der Suche nach einer neuen Idee ist und gleichzeitig versucht, sich selbst neu zu erfinden. Ihm zur Seite steht unerschütterlich seine Gattin Alma Revill. Bis am Ende der fertige Film „Psycho“ das erste Mal über eine Kinoleinwand flimmert, müssen die beiden einigen Widrigkeiten trotzen und nicht unerhebliche Risiken auf sich nehmen.
Die Besetzung von Hitchcock ist mit Sir Anthony Hopkins als Alfred Hitchcock und Helen Mirren als Alma Reville absolut gelungen. Die beiden Hauptdarsteller beweisen großes Talent und sind in sichtlicher Spiellaune. Einziger Nachteil ist in meinen Augen die relativ prominente Maske, unter der Anthony Hopkins ein wenig zu sehr „begraben“ wird. Natürlich tragen Kostüm- und Maskenteile an Körper und Gesicht dazu bei, ihn dem realen Vorbild ähnlicher werden zu lassen, allerdings nehmen sie ihm auch etwas Freiheit, insbesondere im Hinblick auf die Mimik. Vielleicht wäre etwas weniger hier mehr gewesen, aber Anthony Hopkins ist so talentiert, dass er schon mit seinen Augen enorm viel ausdrücken kann. Das Auftreten und markante Verhalten von Hitchcock hat er verinnerlicht. Allerdings gebührt mein vollster Respekt und der Hauptteil meiner Begeisterung in diesem Fall Helen Mirren, die in ihrer Rolle als eigenwillige, schnodderige und nicht minder liebenswerte Hitchcock-Gattin alle an die Wand spielt. Eine, wie ich finde, großartige Leistung, denn sie transportiert damit den Hauptteil der sympathischen Atmosphäre des gesamten Films.
Hitchcock beleuchtet viele verschiedene Aspekte der Entstehungsgeschichte von „Psycho“. Zum einen ist da der Regisseur, der sich in eine Idee verbeißt und bereit ist, dafür seine komplette Karriere, sowie sein Hab und Gut aufs Spiel zu setzen. Die Ehefrau, die an ihren Mann glaubt, ihm zur Seite stehen will und trotzdem gegen Zweifel und Verlockungen ankämpft. Die Studiobosse, die von dem Projekt alles andere als begeistert sind, denen Hitchcock aber noch einen Film schuldig ist. Die Zensurbehörde, die das neuartige und alles andere als gewaltfreie Filmexperiment mit Argusaugen beobachtet. Das Flair des alten Hollywood. Die Auswahl der Schauspieler. Zum anderen beleuchtet der Film auch die Beziehung von Mr. und Ms. Hitchcock, die sehr eigenwilliger Natur ist.
Viele Dinge werden nur kurz angerissen oder nur angedeutet. An einigen Stellen hätte ich mir durchaus ein paar mehr Details gewünscht. Andererseits ist Hitchcock ja keine Dokumentation, sondern ein Biopic, was letzten Endes doch wieder ein Hollywoodfilm über das Leben einer realen Person ist. Regisseur Sacha Gervasi hatte auch sicher nicht den Anspruch von A bis Z historisch korrekte Szenen zu präsentieren. Er hält die Legende Hitchcock am Leben und erweitert sie um ein paar Details, Spekulationen und Visionen. Zu viel Realität hätte dem Film viel Charme genommen. Da bin ich mir sicher. Dafür, dass manche Kritiker dennoch meinen, fehlenden Realismus lautstark beklagen zu müssen, habe ich keinerlei Verständnis (Beispiel: SPON-Kritik vom 11.03.2013).
Bei meinem Besuch in den verschiedenen Filmstudios in Hollywood wusste beinahe jeder der Touristenführer einige tolle Geschichten über den großen „Meister des Suspense“ zu erzählen. Das Bild, das ich vor Ort vermittelt bekam, deckt sich an vielen Stellen mit dem, was in Hitchcock vermittelt wird. Alfred Hitchcock war zweifelsohne ein schrulliger Typ mit einigen Eigenarten. Er war ein absolutes Ausnahmetalent mit einem einzigartigen Gespür für neue Ideen und dafür, wie man bestimmte Inhalte am besten präsentiert – nicht nur in seinen Filmen, sondern auch darum herum. Er war auch ein Marketing-Genie, sowohl filmbezogen wie auch bezogen auf seine Person.
Alfred Hitchcock verdient Bewunderung, er verdient es eine Legende zu sein und zu bleiben. Auch wenn Sacha Gervasi sie den Zuschauern humorvoll näher bringt, verliert die schillernde Figur dadurch nicht an Glanz und Mysterie. Es könnte so gewesen sein, es könnte aber auch sein, dass alles ganz anders war. Dieses Gefühl vermittelt der Film mit einem stetig spürbaren Augenzwinkern. Ich habe das Gefühl, dass vor allem die Szene, in der sich Hitchcock bei der Filmpremiere von „Psycho“ auf charmante Art an den Zuschauerreaktionen ergötzt, dem echten Hitchcock sehr nahe kommt.
Was mir an Hitchcock sehr gut gefällt, sind die authentischen Kulissen, die natürlich in Form der Studios noch heute einfach vor Ort stehen. Ich habe den Weg vor Alfred Hitchcocks Büro in den Paramount Studios schon abgeschritten. Ich habe das Bates Motel und das Bates-Haus mit eigenen Augen gesehen. Diese Orte im Film wiederzusehen ließ mein Herz fröhlich hüpfen, auch wenn mir in einer Szene nicht entging, dass man das B
ates-Haus direkt hinter Hitchcocks Paramount-Büro montiert hatte, obwohl sich die Filmkulisse in den Universal Studios befindet, die von dort aus nicht annähernd in Sichtweite sind. Es war nämlich gerade die Anordnung von Motel und Haus an einem Hügel und die Perspektive, die Hitchcock besonders begeisterte. Außerdem wurde der Film tatsächlich in zwei verschiedenen Studios gedreht. Aber das sind im Wesentlichen Kleinigkeiten und alles andere hätte vermutlich erzählerisch zu weit geführt.
Die Frage „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“, die sich François Truffaut auf dem deutschen Titel seines berühmten Buches stellt, beantwortet Hitchcock mit dem Ratschlag, an Ideen festzuhalten, zusammenzuhalten und die Eigenarten von anderen anzunehmen, egal was kommen mag. Wer zu den Sternen greift, sollte beherzt zugreifen und sich treu bleiben. Meiner Meinung nach ist das eine sehr schöne Botschaft.
Hitchcock-Fans und Fans von Anthony Hopkins und Helen Mirren sollten sich Hitchcock allen negativen und durchwachsenen Kritiken zum Trotz ansehen. Dieser Film weiß zu unterhalten. Außerdem bietet er gerade dadurch, dass so viele Dinge angerissen werden, jede Menge Stoff für Interpretationen, Spekulationen und andere Gedankenexperimente.
Hallo tigermaus8
Mit Spannung habe ich auf diesen Bericht von dir gewartet. Denn die Vorzeichen waren drüben bei Twitter und FB durchaus gegeben, dass du dir am Abend diesen Film anschauen würdest.
Meine Kino-Gänge reduzieren sich zurzeit auf das Minimum; aus bevorstehenden und freudigen Ereignisse in unserer Familie. Also lasse ich es mir nicht nehmen, hier bei dir regelmässig vorbeizuschauen, um wenigstens etwas über die Filme zu erfahren, die ich eigentlich gerne im Kino sehen würde. Aber das hole ich dann nach.
Ins Auge gefallen ist mir dein Absatz über die prominente Maske. Wenn ich das richtig interpretiere, dann könnte es durchaus eine Ähnlichkeit mit dem Film J. Edgar (Anfang 2012) haben? In der Rolle des J. Edgar Hoover Leonardo Di Caprio. Für mich war es ein interessanter Film. Gestört hat mich aber da, dass man auch da die (prominenten) Masken irgendwie nicht richtig im Griff hatte. Man es irgendwie besser hätte machen können.
Ohne Frage. Hitchcock war und ist in meinen Augen immer noch ein Meister seines Fachs. Psycho muss man da natürlich erwähnen. Für mich aber genauso seine Werke wie Das Fenster zum Hof oder Bei Anruf Mord.
So oder so. Einmal mehr ein Dankeschön in deine Richtung. Und euch ein tolles Wochenende.
Grüsse, nic
Vielen Dank für Deinen Kommentar und Dein Lob!
Man könnte die Maskerade bei „Hitchcock“ in der Tat mit der aus „J. Edgar“ vergleichen, der mir als Film übrigens auch sehr gut gefallen hat. Es ist sicher ein schmaler Grad zwischen zu wenig und zu viel Maske und ich bewundere die Kostüm- und Maskenbildner, die sich dieser Herausforderung stellen müssen.
Vielleicht bin ich ab und an auch nur nicht in der Lage, das Bild der Schauspieler ohne Maske im Kopf auszublenden. Wenn man weiß, wie sie in natura aussehen, wirken manche Kostüme irgendwie befremdlich, vor allem bei Schauspielern, die sonst wenig(er) mit Maske arbeiten.