Schütze und Vorurteil

Filme, die in ihren Trailern versuchen wie andere Filme zu wirken, betrachte ich grundsätzlich kritisch. So also auch Jack Reacher, dessen ersten Trailer ich, gelinde gesagt, für eine Katastrophe halte. Die Musik ist so dreist an Mission: Impossible angelehnt, dass das eigentlich auch der letzte Zuschauer merken muss. Im zweiten Trailer verabschiedete man sich glücklicherweise von diesem Konzept und versuchte etwas mehr Filminhalt zu erzählen. Der zweite Trailer war es dann auch, was mich neugieriger auf den Film werden ließ und als ich dann noch etwas mehr darüber las, beschloss ich, ihn mir anzusehen.

Eines möchte ich gleich klarstellen: Ich bin kein Fan von Tom Cruise. Was er bei diversen öffentlichen Auftritten von sich und seiner Weltanschauung preisgibt, finde ich alles andere als sympathisch und überzeugend. Allerdings ist der gute Mann ja Schauspieler, weshalb ich ihn lieber an seiner Leistung im Job, als an seinen persönlichen Irrungen und Wirrungen messen möchte. Das geht mir bei genügend anderen seiner Schauspielerkolleginnen und -kollegen genauso.

Die Story von Jack Reacher ist schnell erzählt. In Pittsburgh, Pennsylvania, verübt ein Sniper ein grausames Attentat auf 5 Menschen. Die erdrückende Beweislage führt die Polizei schnell zum mutmaßlichen Täter. Dieser schreibt jedoch kein Geständnis nieder, sondern verlangt nach Jack Reacher, einem alleine arbeitenden und seit Jahren abgetauchten Militär-Ermittler. Als dieser eintrifft, liegt der Verdächtige allerdings schon im Koma, zusammengeschlagen während eines Gefangenentransportes. Die engagierte Strafverteidigerin Helen Rodin setzt sich trotz allem für ihren Mandanten ein und sei es nur, um ihm aus idealistischen Gründen die Todesstrafe ersparen zu können. Sie heuert schließlich Jack Reacher als Ermittler an, immerhin ist der ja schon mal in der Stadt und verfügt auch noch über interessante Informationen über den Schützen. Was er allerdings nach und nach mit seinen ganz eigenen Methoden zutage fördert, überrascht nicht nur die blonde Anwältin.

Jack Reacher basiert auf dem Buch „Sniper“ (One Shot) von Lee Child. Da ich das Buch nicht gelesen habe und mir der Romanheld auch sonst bisher nicht bekannt war, kann ich nicht beurteilen, inwieweit der Film dem Buch gerecht wird. Ich bewerte ihn an dieser Stelle wie jeden anderen Thriller. Fans mögen mir dies nachsehen. Immerhin weiß ich, dass der Autor einen kurzen Gastauftritt im Film hatte, als Polizist, der Reacher nach einem kurzen Gefängnisaufenthalt seine klappbare Zahnbürste aushändigt.

Schon die ersten Texteinblendungen bei Jack Reacher machen klar: Dies ist ein Film von und mit Tom Cruise, der prominent als Produzent und Hauptdarsteller auftritt. Dass das nicht zwangsläufig in einer kruden One-Man-Show von Herrn Cruise resultieren muss, wurde meiner Meinung nach in Mission Impossible: Phantom Protokoll (Link zu IMDB) bewiesen. Dieser Film offenbarte außerdem die Fähigkeit des Schauspielers, sich auch mal nicht ganz so ernst zu nehmen. Gerade dies ließ er bei Jack Reacher in meinen Augen aber leider vermissen. Zu gewollt wurden manche Szenen auf Lustig getrimmt.

Generell empfand ich das Erzähltempo des Films als zu behäbig. Jack Reacher ist kein Actionfilm, bei dem es dauernd kracht und knallt. Das soll er auch nicht sein. Trotzdem hätte man manches straffen können. Als Jack Reacher beispielsweise einen besonderen Schießstand sucht, wird viel zu oft erklärt, dass dieser von Pittsburgh aus weiter entfernt liegt. Das hatte der Zuschauer nach der zweiten Erwähnung verstanden. Das scheint aber nicht Grund genug zu sein, es im Rest des Films nicht noch mehrere Male detailliert auszubreiten. Im Gegensatz dazu bleibt der Charakter von Reacher leider zu undurchsichtig. Man konnte durchaus erahnen, dass er sehr vielschichtig ist, allerdings wurde an diesen vielen Schichten leider nur oberflächlich gekratzt. Seine Beweggründe blieben die meiste Zeit relativ unbeleuchtet.

Tom Cruise liefert als Jack Reacher meiner Meinung keine Höchstleistung ab. Auch Rosamund Pike konnte mich als Helen Rodin nicht überzeugen, interpretiert sie die Figur nur mit konstant weit aufgerissenen Augen und einem völlig ahnungslosen Gesichtsausdruck. Gerade diesen beiden Figuren hätte etwas mehr Seele sehr gut getan. Gut gefielen mir David Oyelowo als der die Ermittlungen leitende Detective Emerson und Richard Jenkins als Staatsanwalt Alex Rodin, Gegenspieler und gleichzeitig Vater der Strafverteidigerin. Leider kamen diese Rollen viel zu wenig zum Tragen. Absolut austauschbar dagegen Werner Herzog als zwielichtiger Hintermann Zec.

Jack Reacher ist trotz allem kein schlechter Film. Seine tolle Machart entschädigt für vieles. Die Bilder, die der Regisseur nutzt, um die einzelnen Charaktere in Szene zu setzen, haben mir sehr gut gefallen. Oft wird eine einzige Person alleine gezeigt, nie stehen zu viele Personen im Fokus. Eine angenehme Abwechslung zu den vielen bunten, wilden Actionfilmen und dem oftmals erkennbaren Wunsch, immer mehr in einen Film zu packen.

Die beste Passage des Films war für mich die Autoverfolgungsjagd, bei der Jack Reacher gleichzeitig Jäger und Gejagter ist, auch wenn ihr Ende zwar humorvoll aber nicht nachvollziehbar ist. Es war außerdem schon in einem der Trailer zu sehen. Wer bitte leiht einem völlig Wildfremden seine Mütze, wenn der von zehn oder mehr Polizeiautos verfolgt wird? Würde nicht jeder davon ausgehen, dass das einen Grund haben könnte? Aber man soll sich ja an kleinen Logiklücken nicht zu sehr reiben. Die Verfolgungsjagd wurde filmisch jedenfalls großartig umgesetzt und kam ganz ohne zu schnelle Schnitte und verwischte Szenen aus. Ohne zu viel Hektik, den Fokus weiterhin auf die Personen in den Autos gelegt und mit dröhnendem Motorensound unterlegt, ist das Ganze wirklich sehenswert.

Am Ende verließ ich das Kino dennoch eher enttäuscht. So viel mehr hätte man meiner Meinung nach aus der Geschichte und den Charakteren machen können. Jack Reacher ist wirklich kein schlechter Film, es ist aber auch kein Werk, das man meiner Meinung nach unbedingt gesehen haben muss. Die Story beinhaltet nichts, was dem geneigten Thriller-Liebhaber nicht irgendwo schon einmal begegnet ist und die Trailer haben leider (zu) vieles schon verraten. Ohne zu spoilern kann ich sagen, dass ich das Ende als zu lustlos und zu sehr gewollt empfand. Es hat jedenfalls nicht dazu beigetragen, dass ich mir weitere Jack-Reacher-Filme wünschen würde.