Thriller. Filme, die mit „Thrill“, also mit Nervenkitzel, zu tun haben. Schon der King of Pop besang einst den Reiz der Spannung. Mit Niels Arden Oplev hat ein dänischer Regisseur seinen Weg nach Hollywood gefunden, der seinen Einstand im Land der Filmemacher in diesem Filmgenre ansiedelt. Zuvor bekannt war mir Herr Oplev vor allem durch seine Verfilmung von Stieg Larssons gleichnamigem Roman Verblendung (Män som hatar kvinnor, Link zu IMDB) aus dem Jahr 2009. Ich muss zugeben, dass ich die Romanvorlage nicht gelesen habe und den Film deshalb nicht auf Originaltreue hin analysieren konnte. Die zweiteilige „Extended Version“ empfand ich als soliden TV-Kriminalfilm, gut genug um meine Neugierde für das Hollywooddebüt des Regisseurs zu wecken und mir Dead Man Down im Kino anzusehen.
Hauptakteur der Geschichte ist Victor, Mitglied einer Verbrecherorganisation in den Außenbezirken von New York. Er lebt in einem hohen Wohnbunker. In der Wohnung gegenüber und in Sichtweite von Victor haust die geheimnisvolle, französische Kosmetikerin Beatrice. Die attraktive Frau wurde durch einen Autounfall entstellt und tut sich seitdem schwer, ihren Platz im Leben wiederzufinden. Die beiden kommen sich mit der Zeit näher und müssen feststellen, dass jeder von ihnen ein gefährliches Spiel treibt und dass Rache ein Gericht ist, das am besten kalt serviert wird.
Die Story klingt einfacher, als sie am Ende ist. Ich möchte an dieser Stelle aber auch nicht zu viel verraten. Das Geschehen des Films ist in seiner Gänze betrachtet kompliziert und sehr verworren. Die Zusammenhänge erschießen sich dem Zuschauer erst nach und nach, wobei ständig mit der Frage danach gespielt wird, wann wer wo stirbt, gestorben ist oder sterben soll. Prinzipiell ist das ein gutes Konzept, das jedoch nicht aufgeht, sobald wie bei Dead Man Down zu große logische Lücken sichtbar werden und zu viele Handlungsstränge offen bleiben oder künstlich und brachial geschlossen werden. Es muss in Filmen nicht immer alles logisch sein. Das wäre ja auch langweilig. Allerdings bin ich der Meinung, dass das logische Konzept innerhalb eines Film oder eines Fantasieuniversums stets stimmig sein muss. Alles andere wirkt sich auf dit Atmosphäre und die Glaubwürdigkeit (oder besser Vorstellbarkeit) aus.
Niels Arden Oplev hat sich bei Dead Man Down in meinen Augen zu viel vorgenommen. Er will zu viel in zu kurzer Zeit erzählen. Dies hat allerdings kein – wie man annehmen könnte – besonders hohes Erzähltempo zur Folge. Ganz im Gegenteil lässt der Regisseur die Handlung durchgehend leise vor sich hinplätschern. Einzig am Anfang und am Ende des Films geht es etwas mehr zur Sache. Dazwischen gibt es noch eine rasantere Szene, die allerdings augenscheinlich nur dazu dient, sich schnell und effektiv lästiger Nebencharaktere zu entledigen. Generell habe ich nichts gegen Filme, die ihre Geschichten mit Bedacht erzählen, schließlich kann das in Thrillern ein wichtiges Stilmittel sein, um die Spannung zu erhöhen. Dead Man Down hat mich stellenweise allerdings eher eingeschläfert. Zu getragen, zu gewollt und zu symbolüberladen kommen Worte und Bilder daher.
Es gibt einige Szenen und Einstellungen, die durchaus Potenzial für mehr erkennen lassen. Niels Arden Oplev zeigt die düstere Seite von New York aus teilweise neuen und ungewohnten Blickwinkeln. Die große Metropole wird quasi als Randerscheinung einer anderen Welt inszeniert. Er versucht sich auch an einer Situation, in der sich zwei Erzfeinde gegenüberstehen und eine Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht zu führen. Diese geht aber erstens leider im monotonen Erzählstil unter und zweitens enthält sie wichtige Gedankengänge, die nicht konsequent zu Ende geführt werden. Nur so viel sei gesagt: Wenn jemand einem anderen eine Falle stellt und derjenige erscheint dann nicht, muss es dem Fallensteller in irgendeiner Weise komisch vorkommen und weitere Überlegungen nach sich ziehen. Hier reicht Oplev nicht annähernd an andere Meister des Genres heran. Die beste Darstellung eines Treffens von zwei Gegenspielern Auge in Auge ist für mich persönlich nach wie vor die Kaffeehausszene in Michael Manns Heat (Link zu IMDB).
Der Regisseur verlässt sich bei Dead Man Down auch zu viel auf seine Darsteller. Mit Noomi Rapace hatte er bereits bei „Verblendung“ erfolgreich zusammengearbeitet. Sie spielt die Rolle der durch einen Autounfall entstellten und zwischen Zerbrechlichkeit und trotzigem Zorn schwankenden Beatrice routiniert. Dafür, dass sie aufgrund ihrer Narben von den Nachbarn als „Monster“ bezeichnet wird, erscheint sie allerdings viel zu hübsch. Hier hätte sich die Maske durchaus noch etwas Krasseres einfallen lassen können. Und wer würde übrigens, egal ob labil oder nicht, schmähende Kinderkritzeleien an seiner Wohnungstür einfach stehen lassen? Nur eines, der vielen Dinge, die bei mir zu wachsendem Unmut bezüglich der Glaubwürdigkeit des Films beitrugen. Colin Farrell liefert als Victor eine solide Leistung ab. Der verbitterte und gewaltbereite Mann, der verbissen seinen Plänen folgt, ist für den Schauspieler keine große Herausforderung. Dominic Cooper als Victors Freund Darcy hätte viel mehr Potenzial gehabt. Raum für Entfaltung hatte er keinen. Die restlichen Charaktere gehen in der Last der Geschichte unter und sind damit mehr oder weniger Kanonenfutter.
Dass die Charaktere zu wenige Tiefe erkennen lassen, ist in diesem Fall eher die Schuld des Regisseurs, als der Schauspieler selbst. Zu viele unterschiedliche Aspekte werden zu langsam und zu umständlich miteinander verwoben. Die Geschichte von Dead Man Down bietet viel Inhalt, allerdings hätte man diesen ruhig etwas reduzieren und entweder Victor oder Beatrice und ihre jeweilige Geschichte klar in den Vordergrund stellen sollen. Herausgekommen ist trotz einiger guter Bilder leider nur ein sehr durchschnittlicher Thriller, der sich meiner Meinung nach eher auf TV- als auf Leinwandniveau bewegt. Zu offensichtlich und vorhersehbar sind viele Wendungen in der Story trotz allem. Der Regisseur lässt gute Ansätze erkennen, kann mit Hollywoodgrößen wie Michael Mann oder Oliver Stone aber (noch) nicht mithalten.