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Vergängliche Zukunft

Verschiedene Heldenteams, verschiedene Zeiten, verschiedene Filmstudios. So kontinuierlich sich Comic-Charaktere aus dem Hause Marvel in mehr oder minder regelmäßigen Abständen im Kino farbenfrohe und effektstrotzende Schlachten liefern, so zerfasert ist das stetig wachsende Filmuniversum mittlerweile. Geschuldet ist dies vor allem der wirren Verteilung der Rechte durch Lizenzgeber Marvel quer über die größten Studios Hollywoods. Nachdem Disney mit The Return of the First Avenger (Captain America: The Winter Soldier) und Sony mit The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro (The Amazing Spider-Man 2) in den letzten Monaten kräftig vorgelegt haben, ist nun 20th Century Fox mit dem neuesten Mutantenabenteuer X-Men: Zukunft ist Vergangenheit (X-Men: Days of Future Past) an der Reihe, den Bedarf der nach Heldengeschichten dürstenden Fans zu decken. Schließlich sind es Superheldenfilme, die wie kaum ein anderes Blockbuster-Genre auf spielerische Art zu unterhalten wissen und daher von Groß und Klein gleichermaßen geliebt werden.

Nach der von Regisseur Bryan Singer im Jahr 2000 äußerst erfolgreich gestarteten X-Men-Trilogie, bestehend aus X-Men, X-Men 2 (X2, 2003) und X-Men – Der letzte Widerstand (X-Men: The Last Stand, 2006), entschied man sich 2011 für den filmischen Neustart der Reihe mit X-Men: Erste Entscheidung (X-Men: First Class) für ein Prequel. Eingeführt wurde ein verjüngtes und in der Vergangenheit tätiges Mutantenteam um James McAvoy als Professor X, das nun in X-Men: Zukunft ist Vergangenheit seinen zweiten Einsatz hat. Der Clou: der neueste X-Men-Film ist nicht nur eine Fortsetzung, sondern auch in mehrfacher Hinsicht ein Comeback. So findet Bryan Singer den Weg zurück in den Regiestuhl und altbekannte Gesichter aus den ersten Filmen füllen erneut die Leinwand. Dies freut insbesondere all diejenigen, die  sich mit den in Jahren und Taten unerfahrenen X-Men bisher noch nicht richtig anfreunden konnten.

Große Namen prangen auf den Plakaten zu X-Men: Zukunft ist Vergangenheit gleich an mehreren Stellen, denn die Liste der bekannten Schauspieler ist lang und schon der Titel weckt bei Comicfans eine Menge Erwartungen. Wie schon X-Men: Erste Entscheidung basiert allerdings auch X-Men: Zukunft ist Vergangenheit nur sehr lose auf seiner gezeichneten Vorlage. Wer eine 1:1 Umsetzung erwartet, wird enttäuscht. Dennoch merkt man den Drehbuchautoren Simon Kinberg, Matthew Vaughn (Regisseur von X-Men: Erste Entscheidung) und Jane Goldman die Liebe zu den Figuren und ihren Abenteuern auf dem Papier an.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit spielt mit der Idee der in Comics äußerst beliebten Paralleluniversen und verschiedenen Realitäten. So ist es der Professor X aus einer düsteren Zukunftsversion der Erde (Patrick Stewart), der verzweifelt nach einer Möglichkeit sucht, einen alles vernichtenden Krieg gegen Mutanten und Menschen zu verhindern – und zwar bevor dieser überhaupt begonnen hat. Um sein jüngeres Ich rechtzeitig auf den richtigen Weg zu bringen, schickt er den Geist von Wolverine (Hugh Jackman) mithilfe der phasenverschiebenden Kräfte von Shadowcat (Ellen Page) in die Vergangenheit. Dessen nicht-alternder und selbstheilender Körper ist für die Strapazen der Zeitreise am besten geeignet (anders als in der Vorlage, in der Kitty Pride selbst zeitreist). 2023 im letzten Gefecht Seite an Seite vereint, stehen sich Professor X (James McAvoy) und Magneto (Michael Fassbender) 50 Jahre zuvor als Erzfeinde gegenüber. Dem von Natur aus aufbrausenden und ungeduldigen Wolverine werden somit gleich mehrere, wichtige Aufgaben zuteil. Er muss einen in Selbstmitleid zerfließenden und ganz und gar nicht an Heldentaten interessierten Charles E. Xavier davon überzeugen, sich aufzuraffen und die Welt zu retten, den in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebrachten Magneto befreien und die beiden Streithähne dazu bringen, zusammenzuarbeiten. Nur mit vereinten Kräften, so die Meinung ihrer Alter Egos in der Zukunft, können sie den Start des sogenannten Sentinel-Programms stoppen. Es sind nämlich jene waffenstrotzenden Riesenroboter, die für die Vernichtung nahezu der gesamten Erdbevölkerung verantwortlich sein werden. Die Bedeutung der Redensart „erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“ wird Wolverine bei seiner Zeitreise nur allzu schnell klar.

Das große Produktionsbudget merkt man X-Men: Zukunft ist Vergangenheit sofort an. Hier wird an allen Ecken und Enden geklotzt und nicht gekleckert. Die Spezialeffekte sind großartig umgesetzt und entfalten ihre Wirkung vor allem in den in 3D deutlich erkennbaren, winzigen Details. Superheldenschlachten werden diffizil ausgestaltet und zelebriert. Dabei schöpfen die Macher aus den Vollen und verhelfen einer Menge neuer Charaktere zu mehr oder weniger langen Auftritten. Die Mutanten Bishop (Omary Sy), Quicksilver (Evan Peters), und Blink (Fan Bingbing) sind nur ein paar Beispiele. Zuschauern, die mit der Welt der X-Men weniger vertraut sind, dürfte es deshalb schwer fallen, sämtliche Feinheiten zu erfassen. Fans freuen sich an unzähligen kleinen Anspielungen dafür umso mehr. Die rasant und fast ohne größere Verschnaufpausen erzählte Geschichte bildet eine geschickte Brücke zwischen den zuvor eher nebeneinanderher existierenden X-Men-Gruppen aus zwei Zeiten. Dass sie quasi auch als Abschied der „alten“ X-Men gesehen werden kann, stimmt jeden traurig, der sich fragt, wann James MyAvoy endlich seine langen Haare lässt und ob er mit Glatze wenigstens etwas mehr wie der Professor X aus den Comics wirkt. Patrick Stewart ist diese Rolle schon allein wegen seines Aussehens auf den Leib geschneidert.

Das überzeugendste Mitglied der jungen Mutantenversionen ist Michael Fassender als Magneto. Mühelos geht er in der Rolle des Superschurken auf und lässt diesen trotz vorhersehbarer Charakterentwicklung facettenreich wirken. Herrlich fies und gerissen wirkt auch Peter Dinklage als Erfinder der Sentinels, Bolivar Trask. Dass kein Anderer für den Part des Wolverine besser in Frage käme, als Hugh Jackman, steht schon lange und nicht erst seit seinen Soloauftritten im Kino außer Zweifel. Sehr talentiert zeigt sich außerdem Jennifer Lawrence, die zum zweiten Mal als Mystique zu sehen ist. Für eine äußerst positive Überraschung sorgt Evan Peters. Seine Interpretation des blitzschnellen Mutanten Quicksilver ist extrem charmant und die Szenen mit ihm gehören zu den besten des gesamten Films. Für den nächsten Avengers-Streifen The Avengers 2: Age of Ultron (geplanter Kinostart: 2015) bleibt in Anbetracht dessen nur zu hoffen, dass Aaron Taylor-Johnson die ältere Version dieser Figur ebenso gekonnt verkörpern und dass das Regieteam den Einsatz seiner Kräfte in ähnlich beeindruckenden Bildern umsetzen wird. An der Notwendigkeit, dass für zwei Filme zwei Schauspieler für eine einzige Figur zu benötigt werden, zeigt sich die eingangs bereits erwähnte, größte Schwäche des Marvel-Filmuniversums. Unterschiedliche Zeitlinien und unterschiedliche Filmstudios lassen von Fans heiß ersehnte Crossovers und Team-Ups nicht zu – zumindest bisher.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit übertrifft seinen Vorgänger in Sachen Unterhaltsamkeit, Effekte und „echtes“ X-Men-Gefühl meilenweit. Bryan Singers Handschrift ist deutlich zu spüren. Als „Meister der Mutanten“ schafft er den nicht unanspruchsvollen Spagat zwischen zwei Zeitgefügen und rückt die verschieden alten Ausführungen der Charaktere näher zueinander. Obschon ein wirklich gelungener und definitiv sehenswerter Superheldenfilm, verbleibt am Ende das Gefühl, dass in der Fortsetzung X-Men: Apocalypse (geplanter Kinostart: 2016) noch einiges getan werden muss, um die neue Truppe ähnlich routiniert und glaubwürdig aussehen zu lassen, wie Patrick Stewart, Ian McKellen und den Rest der Ur-Film-X-Men, deren Kinozukunft, mit Ausnahme der von Wolverine, vorerst so vergänglich ist, wie in der Handlung von X-Men: Zukunft ist Vergangenheit.

Alle Links in diesem Artikel zu IMDB.

Eine gar nicht öde Einöde

In der dunklen Jahreszeit stehen nicht nur das Weihnachtsfest und der Jahreswechsel an. Liebhaber von J. R. R. Tolkiens Büchern freuen sich aus einem weiteren Grund auf den Winter: Ein Jahr nach dem Kinostart des ersten von drei Hobbit-Filmen werden mit Der Hobbit – Smaugs Einöde (The Hobbit: The Desolation of Smaug) die Abenteuer des Halblings Bilbo Beutlin und seiner tapferen Reisegruppe endlich fortgesetzt.

Eine Frage, die wohl viele Kinogänger und Mittelerde-Fans nach wie vor bewegt, ist die nach der Sinhaftigkeit, den Stoff eines einzigen und relativ kompakten Buches auf drei Filme zu verteilen. Wo bei der ebenfalls dreigeteilten Verfilmung zu „Der Herr der Ringe“ aus Zeitgründen gekürzt und beschleunigt werden musste, da wird bei der Geschichte um Bilbo sämtliches verfügbares Material herangezogen, um das Geschehen um weitere Details zu ergänzen. Teils bedient sich Regisseur und Drehbuchautor Peter Jackson dabei den Anhängen des Ringe-Epos, teils lässt er seiner Fantasie freien Lauf. Nachdem ich Der Hobbit – Smaugs Einöde nun endlich gesehen habe, kann ich sagen, dass diese Vorgehensweise der Materie in meinen Augen nicht schadet. Die Tolkiensche Welt der Halblinge, Zwerge und Elben ist dank ihres ambitionierten Schöpfers so groß und reich an Interpretationsspielraum, dass an allen Ecken und Enden genügend Möglichkeiten für Ergänzungen bestehen, ohne dass dabei Langeweile aufkommen oder Einfallslosigkeit erkennbar werden muss.

Der Hobbit – Smaugs Einöde setzt dort an, wo „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise (The Hobbit: An Unexpected Journey) endete. Bilbo (Martin Freeman) und die Zwergengruppe sind unter der Leitung des Thronerben Thorin Eichenschild (Richard Armitage) nach wie vor auf der Reise zum Berg Erebor. Die altehrwürdige Heimat der Zwerge unter dem „Einsamen Berg“ wird besetzt vom mächtigen Drachen Smaug. Diesen gilt es zu vertreiben und das Königreich der Zwerge wieder aufzubauen. Doch der Weg ist lang und die Zeit drängt. Auf dem Marsch quer durch das Land treffen die Wanderer auf allerlei fremde und ihnen nicht immer wohlgesonnenen Kreaturen und Völker. Dabei ist ihnen eine Armee von Orks ständig auf den Fersen.

Wer denkt, der Inhalt des Buches sei am Ende von Der Hobbit – Smaugs Einöde bereits nahezu vollständig erzählt, der irrt gewaltig. Peter Jackson nimmt sich so viel Zeit, dass genügend Stoff verbleibt, um damit einen weiteren Film füllen zu können. Mit dem Hinzudichten geht er dabei so behutsam um, dass selbst die Szenen mit Legolas (Orlando Bloom) nicht aufgesetzt und störend wirken. Der blonde Elb hat, orientiert man sich streng an der Vorlage, in der Handlung nichts verloren. Da Elben viel älter werden als Menschen und der König der Waldelben, Thranduil (großartig gespielt von Lee Pace), Legolas Vater ist, erscheint die mitunter sehr lustige Begegnung mit den Reisenden jedoch nicht als allzu unwahrscheinlich. Zusätzlich zu einer Fülle an Querverweisen zu seiner „Der Herr der Ringe“-Trilogie ergänzt Peter Jackson die von Männerfreundschaften strotzende Erzählung um eine erfrischende Prise zarte, aber nie zu schnulzige Romantik. Ich für meinen Teil gönne Zwerg Killi jedenfalls seine Gespräche mit der schönen Elbin Tauriel (Evangeline Lilly). Als besonders positiv empfinde ich den sorgfältigen Umgang mit Nebenfiguren, wie dem Pelzwechsler Beorn (Mikael Persbrand) oder dem von Stephen Fry hinreißend schrullig gemimten Meister der Seestadt Esgaroth. Gerade wegen dieser Details ist Der Hobbit – Smaugs Einöde meiner Meinung nach trotz Änderungen und Ergänzungen insgesamt noch näher an der Vorlage als sein Vorgänger.

Bei der Betrachtung von Peter Jacksons gesamtem Mittelerde-Filmuniversum bis zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nach wie vor nur den Hut vor der großartigen Leistung aller Beteiligten ziehen. Die einzigen Fragen, die ich mir stelle, betreffen nicht die Hobbit-Filme, sondern vielmehr die „Der Herr der Ringe“-Trilogie. Jetzt, da ich sehe, wie mehr Zeit den präsentierten Inhalten nutzt, sind mir manche Änderungen an dem doch weitaus umfangreicheren Abenteuer von Frodo und seinen Gefährten fast ein Rätsel. Wie gerne hätte ich Tom Bombadil und Goldbeere auf der Kinoleinwand gesehen! Und hätte man das Schmieden von Aragorns Schwert oder die Szene mit dem Schattenheer mit einigen zusätzlichen Filmminuten nicht doch näher an der Vorlage orientieren können? All das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau.

Höhepunkt von Der Hobbit – Smaugs Einöde ist zweifellos die Begegnung zwischen Bilbo und dem Drachen Smaug (im englischen Original gesprochen von Benedict Cumberbatch). Das rote Ungetüm, das auf einem Schatz sitzt, bei dem Dagobert Duck neidisch würde, ist das Ergebnis großartiger Animationskunst. Wenn die Haut am langen Hals des Lindwurms beim Sprechen wackelt und seine Brust zu glühen beginnt, bevor er eine Feuersbrunst aus seinem Innern auf seine Feinde ergießt, hüpft mein Herz vor Freude und Verzückung in die Höhe. Besser hätte man das geldgierige Monster nicht auf die Leinwand bringen können. Daher begrüße ich das unvermeidliche Wiedersehen mit Smaug im nächsten Jahr sehr.

Mit einer Spielzeit von 161 Minuten ist Der Hobbit – Smaugs Einöde lang, dank zahlreichen und unterschiedlichen Charakteren sowie wunderschönen Bildern aber nie langweilig. Ich für meinen Teil kann von Mittelerde einfach nicht genug bekommen. Das ist mit Sicherheit auch der Grund dafür, weshalb ich gewisse Déjà-vu-Momente in Punkto Szenerie und Kamerafahrten nicht als störend oder ermüdend empfinde. Es ist vielmehr das wohlige Gefühl in eine bekannte und geschätzte Fantasiewelt zurückkehren zu können. Wer Angst vor langen Fußmärschen und ausgiebigen Gesprächen hat, dem sei versichert, dass Der Hobbit – Smaugs Einöde das Erzähltempo im Vergleich zum ersten Teil erhöht. Bilbo und die Zwerge müssen sich des Öfteren in temporeichen Szenen auf verschiedenste Arten ihrer Haut erwehren. Alles in allem gehört dieser Film für mich definitiv zu den unterhaltsamsten und besten des Jahres.