Richter und Henker

Das Jahr 2012 hat nur noch wenige Wochen. Als Cineastin beginne ich langsam im Kopf das Filmjahr Revue passieren zu lassen. Was waren die Highlights? Welche Highlights stehen in der üblicherweise blockbusterstarken Vorweihnachtszeit noch bevor? In diese Überlegungen drängte sich gestern Abend ein Film, den ich für meine persönlichen Bestenlisten eigentlich nicht auf dem Schirm hatte: Dredd.

Nach dem modernen Klassiker Judge Dredd hätte man meinen können, dass die Rolle des Zukunftspolizisten, der Richter und Henker in einer Person vereint, bereits eindeutig von Mr. Stallone und seiner markanten Mundpartie besetzt ist. Über die filmische Qualität des Streifens aus dem Jahr 1995 kann man diskutieren, für Actionfilmfans gehört er jedoch trotzdem stets zum Standardrepertoire.

November 2012. Der Judge ist zurück. Der Name des Films: Dredd. Kurz. Knapp. Eindeutig.

Von den Trailern, die ich im Voraus gesehen hatte, konnte ich mich nicht wirklich zu euphorischer Vorfreude hinreißen lassen, es wurden aber genug Feuergefechte gezeigt, um mich neugierig zu machen. Als Fan von Filmen, die keine halben Sachen machen und echte, harte Action bieten, konnte ich mir Dredd natürlich nicht entgehen lassen.

Nachdem ich den Film nun im Kino gesehen habe, muss ich feststellen und festhalten, dass die Trailer die Qualität des Films nicht im Geringsten widerspiegeln. Geboten wird ein Actionfeuerwerk der Extraklasse!

Als Vorlage für den Film dient, wie auch schon bei der Version aus 1995, die britische Comicserie 2000 AD, die eine postapokalyptische Zukunft beschreibt.

Die Erde ist verbraucht und verstrahlt. Die verbleibenden Menschen leben in riesengroßen Städten mit Mega-Wolkenkratzern, zusammengepfercht, sich selbst überlassen. Die einzige Gesetzesinstanz sind die sogenannten Judges, die verzweifelt versuchen der Kriminalität Herr zu werden. Sie kämpfen einen aussichtslosen Kampf. Judge Dredd ist einer dieser futuristischen Polizisten, cool und brutal. Durch seinen Helm geradezu gesichtslos. „I am the law!“ („Ich bin das Gesetz!“) wird er nicht müde zu verkünden.

Zu Beginn von Dredd bekommt der berühmte Judge eine Rekrutin zur Seite gestellt, Cassanrda Anderson, die als Mutantin telepathische Fähigkeiten besitzt. Nicht besonders begeistert über dem ihm anvertrauten Schützling, begibt er sich in einen der Wolkenkratzer, um ein Verbrechen aufzuklären. Seine Gegenspielerin ist Ma-Ma, die Anführerin einer gefährlichen Gang, die im Verlauf des Films so einige Überraschungen für die Gesetzeshüter bereit hält.

Der Film ist düster und brutal. Hier werden keine Kompromisse gemacht. Der Judge kommt, der Judge richtet und vollstreckt. In seiner Position und angesichts der Zustände in Mega City One, kann er sich auch keine Kompromisse erlauben. Er spricht nicht viel, er handelt. Heraus kommen unvergessliche One-Liner, die das Herz von Actionfilmfans höher schlagen lassen, wie „Judgement time.“ oder „Negotiation’s over. Sentence is death.“

Die schmutzige und kalte Optik von Dredd ist bemerkenswert, wird sie doch konterkariert von bunten, geradezu in Regenbogenfarben gehaltenen Szenen, durch die der Gebrauch von Drogen und die damit verbundene Suche nach einem Ausweg aus dem tristen Alltag in der Megastadt verdeutlicht wird. Die 3D-Effekte werden hierbei sehr geschickt und visuell überzeugend eingesetzt. Es wird deutlich, dass 3D hier nicht nur für das Klingeln der Mehreinnahmen in den Kinokassen aufgesetzt, sondern mit Bedacht und gezielt eingesetzt wurde. Das lobe ich mir und bin deshalb auch gerne gewillt, den Aufpreis zu zahlen.

Slow-Mo heißt die neue Droge in Mega City One. Die Szenen, die ihre Auswirkungen in Slow Motion darstellen, sind mit die besten des Films, wird der Zuschauer durch sie doch in Zeitlupe Zeuge der Arbeit des Judges. Er muss hinsehen und bekommt frech, bunt und krass seinen Voyeurismus vor Augen geführt. Der unterschwellige und trockene Humor aus den Comics wird auf Marginalniveau betrieben, was aber gut zu den brutalen und explizit dargestellten Feuergefechten passt.

Die Story ist nicht allzu tiefsinnig, dennoch lässt sich über die düstere Zukunftsvision als Gesamtkonstrukt hinterher durchaus nachdenken. In erster Linie ist der Film aber ein Actionfilm, der sein Publikum für etwas mehr als 90 Minuten unterhalten soll, und das hat er bei mir definitiv geschafft.

Judge Dredd wird gespielt von Karl Urban, von dem man im Judge-Kostüm und den gesamten Film über nur Mund und Kinnpartie zu Gesicht bekommt. Trotzdem macht er seine Sache gut und setzt das Wenige, was ihm zum Schauspielern bleibt, gekonnt ein. Ihm zu Seite steht Olivia Thirlby als Cassanrda Anderson, die als abgebrühte aber nicht unmenschliche Rekrutin überzeugen kann. Auch der Part der Ma-Ma ist mit Lena Headey, die in ihrer Rolle auch Mut zur Hässlichkeit beweist, gut besetzt.

Dredd ist knallharte Action am laufenden Band. Atemlos entlässt er seine Zuschauer, berauscht von der Macht und Gewalt der Bilder. Der Judge ist das Paradebeispiel eines Antihelden und gerade durch seine reduzierte Optik und die zuweilen überstilisierten Figuren und Bilder, ist dieser Dredd näher an der Comicvorlage, als sein Vorgänger aus den Neunzigern.

Für mich ist Dredd definitiv einer der besten und coolsten Actionfilme des Jahres. Ein Fest für Fans von harten Actionhelden, One-Linern, fliegenden Geschossen und ästhetischer Zerstörung.