Das schöne am Urlaub ist, dass man sich den ganzen Tag frei einteilen kann. So muss man beispielsweise nicht unbedingt auf den (Feier-)Abend warten, wenn man ins Kino gehen möchte. Da der neue Disney-Pixar-Streifen Ralph reicht’s (Wreck-It Ralph) bereits seit ein paar Wochen im Kino läuft und dank neueren Blockbustern schon aus dem Abendprogramm verbannt wurde, nutzte ich diese Woche seit langer Zeit wieder einmal das Nachmittagsprogramm.
Ich bin ein großer Fan der Arbeit der Pixar Studios und ich mag Animationsfilme. Zusätzlich traf das Videospielthema des Films mitten in mein Gamerherz, weshalb ich mir Ralph reicht’s nicht auf der großen Leinwand entgehen lassen wollte. Je mehr in Filmen animiert ist, desto sinnvoller und stimmiger ist in der Regel eine 3D-Umsetzung. Animationsfilme wirken deshalb zumeist noch knuffiger in 3D. Das trifft auch auf Ralph reicht’s zu. Die bunte Welt der Spielhalle mit ihren verschiedenen Automaten wird in gewohnt brillanter Pixar-Qualität dargestellt. Die Nasen der Charaktere sind so knubbelig, dass man am liebsten reinkneifen möchte.
Ralph reicht’s handelt von Randale Ralph, der sein Dasein als Viedeospielbösewicht satt hat. Nichts kann ihn von seinem Wunsch abbringen, selbst einmal eine goldene Medaille, eine dieser in Games allgegenwärtigen Goldmünzen, zu ergattern, die einfache Charaktere zu Helden machen – nicht einmal die Selbsthilfegruppe für Bösewichte kann ihm Trost spenden. Da er sein Glück in seinem eigenen Spiel nicht finden kann, verläst er dieses kurzerhand und stolpert in ein Abenteuer, das ihn lehrt, dass es für jeden einen Platz in der Welt gibt und dass selbst Bösewichte wichtig sein können.
Das Beste an Ralph reicht’s sind die vielen, sehr gut platzierten Anspielungen auf bekannte Videospielklassiker. Bowser, Q*bert, Pac Man und seine Geister und Zangief aus Street Fighter sind nur einige wenige Beispiele für Charaktere, die ihren Weg in den Film gefunden haben. Der heldenhafte Fix-It Felix und Ralph als sein Gegenspieler sind eine Hommage an Super Mario und Donkey Kong. Letzterer hat es übrigens tatsächlich geschafft, sein Bösewicht-Image abzulegen und sogar eine eigene Spieleserie bekommen.
Was mich persönlich an Ralph reicht’s gestört hat, war die zuckersüße rosa Lollipopwelt der Super-Mario-Kart-Parodie „Sugar Rush“, in der die meiste Zeit des Films spielt. Ralph trifft hier auf eine kleine Rennfahrerin namens Vanellope von Schweetz, die von den rasanten Rennen ausgeschlossen wurde, weil sie glitcht, also Programmfehler aufweist. Wie zu erwarten, freunden sich die beiden an und Ralph willigt ein Vanellope bei der Verwirklichung ihres Traums zu helfen.
Meiner Meinung nach hat man es bei Vanellopes Welt im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Zuckerguss übertrieben. Das Ganze wirkt mehr wie ein riesiges rosa Hexenhaus aus „Hänsel und Gretel“ und nicht wie ein Videospiel. Dabei rückt das Thema des Films des Öfteren leider weit in den Hintergrund, auch wenn immer wieder krampfhaft darauf verwiesen und gefühlte tausend Mal erläutert wird, was ein Glitch ist. Schade eigentlich, denn hier hätte ich viel mehr Potenzial gesehen.
Auch nervte der Charakter der Vanellope mehr, als dass ich Sympathie für die quietschende Göre aufbringen konnte. Mutmaßlich hat man hier, wie bei der rosa Weltgestaltung, vorrangig an die kleinen Zuschauer gedacht. Andere Filme haben den Spagat zwischen Slapstick-Spaß für Jung und hintergründigem Witz für Alt aber schon besser hingekriegt. So war die kleine Agnes in Ich, einfach unverbesserlich (Despicable Me) in meinen Augen eine viel größere Sympathieträgerin. Und Pixars letztes Animationsabenteuer Merida überzeugte mich als Gesamtkonzept mehr.
In meinen Augen wurde der Fokus bei Ralph reicht’s im Laufe des Films vom Hauptcharakter und seinen Problemen zu sehr auf Vanellope und ihre Zuckerbäckerwelt verlagert. Die wesentlich interessanteren Nebencharaktere Fix-It Felix und die burschikose Weltraumkriegerin Sergeant Calhoun rückten zu weit in den Hintergrund. Dazu hätte der Film ein bisschen mehr seinem Retrospiele-Grundthema treu bleiben sollen und ruhig den bereits in „Merida“ erkennbaren Mut zur Düsternis bei Disney fortführen sollen, natürlich ohne die kleinen Zuschauer zu ängstigen. Dass das möglich ist, hat die rothaarige Schottenprinzessin aber bereits eindrucksvoll bewiesen.
Ralph reicht’s ist ein bunter Familienfilm geworden mit einem interessanten Hauptcharakter, dessen Präsenz leider im Laufe des Films abnimmt. Ich hätte mir gewünscht, dass der Film noch mehr typische Videospielatmosphäre transportiert, denn an den Stellen, wo Games und ihren Eigenheiten gehuldigt wurde, war die Liebe der Macher zum Thema deutlich spürbar. Mit etwas weniger Zuckerguss und etwas mehr handfesten Helden hätte aus einem netten Film durchaus ein epischer werden können. Nach den Trailern hatte ich als Gamer mir leider ein bisschen mehr davon versprochen. Kinder werden dennoch ihren Spaß haben, da bin ich mir sicher.