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Elektrisierende Kletterpartie

Über Sinn und Unsinn von Remakes und Reboots wird unter Kritikern und Cineasten allerorts heftig und kontrovers diskutiert. Selten hat ein filmischer Neustart allerdings so viel Spaß gemacht, wie bei Marvels wandkrabbelndem Helden im hautengen, rot-blauen Anzug. Nach Abschluss von Sam Raimis Spider-Man-Trilogie entschied man sich bei Sony aus diversen Gründen anstelle einer Erweiterung der Serie dafür, den Vorhang fallen zu lassen und im Jahr 2012 unter dem Titel The Amazing Spider-Man (Link zu IMDB) ganz neu aufzuziehen. Wie sich – entgegen aller anfänglichen Zweifel – herausstellte, war dies genau der richtige Ansatz. Überschlugen sich in Spider-Man 3 (Link zu IMDB) noch die Ereignisse und versuchten die Macher krampfhaft, möglichst viel Inhalt in etwas mehr als 2 Stunden Film zu quetschen, besannen sich die neuen Drehbuchautoren zurück auf das Wesentliche: Ein Held und dessen Entwicklung plus ein klassischer Hauptgegner. Darüber hinaus wurden die Netzdrüsen eliminiert. Jene waren Spider-Fans bereits ab dem ersten Kinoauftritt des Netzschwingers ein Dorn im Auge. Der neue, jüngere Spider-Man hatte endlich Netzdüsen!

Nach dem rundum gelungenen ersten Teil, der den Spinnenmann wieder näher an die Comicvorlage rückte, waren die Erwartungen an die Fortsetzung entsprechend hoch. Skepsis schürten jedoch die Trailer zu The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro (The Amazing Spider-Man 2), enthielten sie schließlich Hinweise auf drei verschiedene Feinde. Obwohl im Film neben dem titelgebenden Meister der Elektrizität auch der Green Goblin und Rhino vorkommen, schaffen es Roberto Orci und Alex Kurtzman die Geschichte so zu konstruieren, dass sie keine wilden Kapriolen schlägt und Electro nie aus dem Fokus gerät. Die restlichen Figuren werden nicht mutwillig verheizt, sondern parallel entwickelt und aufgebaut. Anders als im Vorhinein suggeriert, spielt der Mann im mechanischen Nashornanzug lediglich eine sehr untergeordnete Rolle und auch die Einführung von Harry Osborn und dessen Wandlung zum Grünen Kobold auf dem Fluggleiter vollzieht sich so, dass sie dem Gewicht und der Bedrohlichkeit des blauhäutigen Blitzverteilers nicht schadet. Geschickt ist auch die Darstellung von Electro als gebeutelte und nicht von Natur aus bösartige Existenz – eine erfrischende Abwechslung zu den üblichen intrinsischen Weltherrschaftsfantasien von Superfeinden.

Zu der nicht zu schnell, nicht zu langsam und in atemberaubenden 3D-Bildern erzählten Geschichte, die sogar genügend Raum lässt, um Peter Parkers nicht gerade unproblematisches Privatleben zu beleuchten, kommen Darsteller, die ihre Rollen allesamt sichtlich genießen. Andrew Garfield verkörpert die typischen Eigenschaften des wendigen, vorlauten und nie um einen schlagfertigen Spruch verlegenen Spider-Man so viel stärker, als es Tobey Maguire jemals gelungen ist. Mit Emma Stone als Gwen Stacy begehrt er jene Frau, die auch in den Comics seine erste große Liebe ist. Zuhause gibt sich seine Tante May, gespielt von Sally Field, alle Mühe, die Gedanken ihres Schützlings zu verstehen und ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die Figur von Dane DeHaan als Harry Osborn und Peters Freund aus Kindertagen wirkt im ersten Augenblick etwas aus dem Zusammenhang gerissen, entwickelt sich aber schnell zu einer sinnvollen Ergänzung des Gesamtkonzepts und einem guten Ansatz für die beiden bereits geplanten Fortsetzungen zu The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro. Die meiste Zeit des Films über macht Jamie Foxx als Electro dem Netzschwinger das Leben schwer. Dass sein Aussehen an das aus dem Ultimativen Marvel Comicuniversum angelehnt ist, passt gut zu der jungen Version des Helden und entfaltet dank Computerunterstützung optimal seine Wirkung. Der Endkampf zwischen den beiden Kontrahenten ist so gekonnt animiert, dass er wahrhaftig wirkt, als seien Bilder aus einem Comicheft zum Leben erweckt worden.

Überhaupt verbreitet die in The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro von Regisseur Marc Webb und seinem Team präsentierte Action durchweg pures Superheldenflair. Die zwischendurch eingestreuten, langsamen und romantischen Szenen sind zwar präsent und für den Fortgang der Geschichte durchaus von Bedeutung, werden jedoch nicht unnötig in die Länge gezogen. Etliche Anspielungen auf weitere Charaktere und Hinweise auf die zukünftigen Leinwandabenteuer von Spider-Man und ein Ende, das als langersehnte Hommage an die Vorlage gesehen werden kann, vollenden den Film zu einer elektrisierenden Kletterpartie, die das Potenzial hat, sowohl Comicleser als auch reine Kinogänger zufriedenzustellen. Mit Kamerafahrten, die Bauchkribbeln auslösen, einem coolen Helden und interessanten Gegenspielern ist The Amazing Spider-Man: Rise of Electro den Preis für die Eintrittskarte ins nächstgelegene Filmtheater wert.

Hausbesetzung leicht gemacht

Die Filme von Roland Emmerich sorgten bei mir in den letzten Jahren regelmäßig für Gefühlschaos. Ich liebe es, mir gut gemachte und groß angelegte Zerstörung auf der Kinoleinwand anzusehen. Deshalb locken mich die Trailer zu den Filmen des Regisseurs jedes Mal ins Lichtspielhaus meiner Wahl. Nach Stargate und Independence Day war ich von den Qualitäten des auf Action spezialisierten Regisseurs vollkommen überzeugt und – ich gebe es gerne und offen zu – auch an seiner Interpretation von Godzilla fand ich Gefallen. Danach konnte ich mich mit keinem seiner Werke mehr so richtig anfreunden. Ab dem Jahr 2000 klafft diese riesige Lücke, in der ich mir, durch Werbung verleitet, zwar jeden Emmerich-Film angesehen habe, danach aber stets mit langem Gesicht und bitter enttäuscht den Kinosaal verlassen habe. An den Effekten konnte ich nie etwas aussetzen. Es sah zweifellos immer hübsch aus, wenn die Welt unterging. Allein die langatmige und pathetische Präsentation empfand ich teilweise als nahezu unerträglich.
Im Geiste hatte ich Herrn Emmerich deshalb bereits auf meine persönliche „Schwarze Liste“ gesetzt – zu Herrn Soderbergh und all den anderen Filmemachern, die es geschafft haben, mich mehrfach bitter zu enttäuschen und für die ich die Hoffnung aufgegeben habe. Dann sah ich allerdings den Trailer zu White House Down und da war sie wieder: die Möglichkeit, dass auf Jahre der brachialen, lauten Langeweile endlich wieder ein unterhaltsamer Film folgen könnte. Eine letzte Chance wollte ich dem Landsmann noch gewähren. Und siehe da: Er hat sie genutzt!

Bei White House Down ist der Name Programm. Der U.S. Capitol Police Officer John Cale ist dem Sprecher des Repräsentantenhauses als Personenschützer zugeordnet und dank seines Jobs regelmäßig im Weißen Haus unterwegs. Dem geschiedenen Vater einer Teenagerin will es trotz aller Bemühungen nicht recht gelingen, seinen Platz im Leben zu finden. Das Verhältnis mit Ex-Frau und Kind ist gespannt. Um die Karriereleiter zu erklimmen, bewirbt er sich um eine Stelle bei der Leibwache des Präsidenten, dem Secret Service. Seine Tochter Emily interessiert sich sehr für Politik, ist ein großer Fan von Präsident James Sawyer und träumt schon lange von einem Besuch im Weißen Haus. John organisiert Eintrittskarten für sich und Emily und verbindet sein Vorstellungsgespräch kurzerhand mit einem Vater-Tochter-Ausflug. Seine Unterhaltung mit Secret Service Agentin Carol Finnerty verläuft alles andere als gut. Da John als Querkopf und bisweilen sehr eigensinniger Charakter gilt, befürchtet sie, er könne für den Secret Service nicht zuverlässig genug sein und lehnt seine Bewerbung ab. Gegenüber seiner Tochter verschweigt er die Absage und die beiden schließen sich einer Tour durch das Gebäude an. Was als gemütlicher Rundgang beginnt, endet in einer waghalsigen Verbrecherjagd, bei der John seinem Traumjob ungewollt so nahe kommt, wie er es auf normalen Wege vermutlich nie wäre. Eine Truppe, bestehend aus einigen der gefährlichsten Männer Amerikas, startet eine Geiselnahme mitten im Weißen Haus und John Cale allein kann und muss sie stoppen.

Die Handlung hört sich schwer nach „Stirb langsam“ an? Sie ist in der Tat bloß eine Abwandlung der guten, alten Ein-Mann-gegen-die-Welt-Story. Nichtsdestotrotz funktioniert das Konstrukt von Drehbuchautor James Vanderbilt, so klassisch und oft genutzt es auch sein mag. Es ist der Stoff, aus dem gute Actionfilme gemacht sind. Dass White House Down unterhält ist zu großen Teilen der Story und den schwungvollen Dialogen zwischen den Charakteren geschuldet. Sie sind das nötige Gegengewicht zu dem Pathos, das der Regisseur hinzufügt. Die Geschichte ist genau so heroisch, wie sie sein muss, humorvoll und nicht ohne mild eingestreute Zeitkritik. Die Gefahr für den Präsidenten kommt nicht von außen. Für mich gehört James Vanderbilt zu den talentiertesten Drehbuchschreibern für Actionfilme in Hollywood. Sein Können und sein Gefühl dafür, alten Erzählungen neues Leben einzuhauchen, hat er bereits mit The Amazing Spider-Man eindrucksvoll bewiesen. Auf die Fortsetzung der neuen Kinoabenteuer des Netzschwingers und auf das Leinwand-Comeback von Robocop, für die er sich jeweils ebenfalls das Drehbuch verantwortlich zeigt, bin ich sehr gespannt.

Roland Emmerich seinerseits nutzt White House Down dazu, sich neben den Effekten wieder mehr auf Figuren und Dialoge zu konzentrieren. Endlich ist Destruktion nicht mehr das tragende Element des Films, sondern unterstützendes Beiwerk. Ein Actionfilm braucht zwar keine tiefsinnige Handlung – White House Down ist da keine Ausnahme – jedoch nutzt der größte Krawall am Ende nichts, wenn er rein dem Selbstzweck dient. Über durchaus existente Logiklücken muss man großzügig hinwegsehen können. In der Welt von White House Down ist manches furchtbar einfach. Superverbrecher hin oder her, so leicht lässt sich das Weiße Haus sicher nicht besetzen. Als purer, klassischer und gut gemachter Actionfilm funktioniert das Ganze trotz einiger kleiner Längen wunderbar. Roland Emmerich versteht als einer von wenigen Filmemachern die Wichtigkeit von Details bei Spezialeffekten. Wenn er Teile des Weißen Hauses unter der Wucht von diversen Explosionen zusammenbrechen lässt, wird der Flug von jeder Glasscherbe und jedem Steinbrocken penibelst inszeniert. Der Regisseur zeigt ein weiteres Mal wie beeindruckend – und in gewisser Weise schön – Zerstörung sein kann.

Die Auswahl der Schauspieler ist durchweg gut gelungen. Channing Tatum stehen das weiße Feinripp-Unterhemd und seine Rolle als zupackender Einzelgänger John Cale gut. Ich mochte ihn schon als Actionheld in den beiden G.I.-Joe-Filmen. Jamie Foxx bildet als James Sawyer die perfekte zweite Hälfte des Duos, das sich Raum für Raum gemeinsam durch das weiße Haus kämpft. Sein Präsident ist Staatsmann und Kumpeltyp zugleich, ohne dass etwas davon aufgesetzt wirkt. Bemerkenswert ist ein weiteres Mal die Leistung von Joey King als Emily Cale. Die Schauspielerin gehört meiner Meinung nach zu den derzeit begabtesten Jungtalenten. Dass die Unvernunft ihrer Figur dem Zuschauer des Öfteren die Haare zu Berge stehen lässt und gehörig auf die Nerven geht, ist beabsichtigt und gewissermaßen ihr Verdienst. Joey King ist wandelbar und in der Lage verschiedenste Emotionen überzeugend darzustellen – etwas, was für Nachwuchstalente leider nicht mehr selbstverständlich zu sein scheint. James Woods zeigt seit Längerem wieder große Lust am Spielen als Chef des Secret Service, Martin Walker, und Lance Reddick präsentiert sich routiniert in seiner Paraderolle als uniformierter Staatsdiener und Stellvertretender Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs. Maggie Gyllenhaal geht als Carol Finnerty im Tumult etwas unter, bietet aber als dauergestresste und sichtbar übermüdete Secret Service Agentin eine wohltuende Abwechslung zu den üblichen makellosen Filmgestalten. Sehr positiv aufgefallen ist mir Jason Clarke als durchtriebener Geiselnehmer, Emil Stenz. Er zelebriert den harten Bösewicht mit jeder Faser und bietet den idealen Gegner für krachende Schusswechsel mit Channing Tatum.

Mit White House Down kann Roland Emmerich die selbst gegrabene, breite Kluft aus belanglosen Weltuntergängen und schierem Ergötzen an tricktechnischen Möglichkeiten überbrücken. Dank der richtigen Mischung aus Buddy-Humor, klassischer Action, überzeugenden Darstellern und bombastischen Spezialeffekten kann sein neuer Film über die gesamte Länge unterhalten. White House Down ist keinesfalls der beste Actionfilm des Jahres und wird sicherlich keinen Platz in meinen persönlichen Top 10 für 2013 einnehmen. Verglichen mit den Werken des Regisseurs in den vergangenen Jahren, ist die Rettung des Präsidenten jedoch ein großer Schritt in die richtige Richtung. Wer einen Actionfilm im Stil von Independence Day und Armageddon sucht, der sollte sich White House Down im Kino ansehen. Diese Hausbesetzung ist für die große Leinwand gemacht.

Einen direkten Vergleich von White House Down mit Olympus Has Fallen werde ich zu gegebener Zeit nachholen. Leider habe ich Antoine Fuquas Film zum gleichen Thema im Kino verpasst und warte nun auf dessen Veröffentlichung auf Blu-ray.

(Links im gesamten Artikel zu IMDB.)