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König der Monster

Von Zeit zu Zeit entdeckt Hollywood den Reiz und den Charme von Monsterfilmen für sich neu. In Japan haben Riesenungeheuer (jap. Kajiū) hingegen eine lange Tradition und immer Saison. Das wohl berühmteste von ihnen ist Godzilla (jap. Gojira). Seit seiner Schöpfung vor 60 Jahren erfreut sich der König der Monster auch außerhalb Japans extremer Beliebtheit. Sogar ein Stern auf dem Walk of Fame wurde ihm bereits gewidmet. Im Jahre der Zeit hat die gigantische, aufrecht gehende Echse allerlei Nachahmer und Verehrer auf den Plan gerufen. 1998 versuchte sich Roland Emmerich am ersten, außerhalb Japans produzierten Godzilla-Film. Visuell zwar zum Erscheinungstermin auf dem neuesten Stand und mit allerlei Szenen ausgestattet, in denen der Regisseur seiner Leidenschaft für die imposant arrangierte Zerstörungswut freien Lauf ließ, fand das modernisierte Aussehen von Godzilla nicht überall Anklang, vornehmlich bei den eingefleischten Fans des Klassikers. Einen gänzlich anderen Ansatz wählte jüngst Guillermo del Toro, der sich mit seinem Actionspektakel Pacific Rim tief vor dem gesamten Kaiju-Genre verneigte. (Links in diesem Absatz zu IMDB.)

Zurück zu den Wurzeln. So lautet das Motto von Gareth Edwards, dem Inszenator von Godzillas neuestem Leinwandabenteuer. Seine große Liebe zum Original ist dabei von der ersten bis zur letzten Sekunde deutlich erkennbar und offenbart sich nicht nur im Monsterdesign. Die mit viel Ruhe erzählte Geschichte von Godzilla kommt mit wenigen Hauptcharakteren aus. Besonders Bryan Cranston brilliert einmal mehr mit seinem schier unerschöpflichen, schauspielerischen Talent. Wenngleich sein Auftritt verhältnismäßig kurz ist, mimt er den Familienvater Joe Brody, der sich auf einer verzweifelten Suche nach der Wahrheit befindet, mit extremer Eindringlichkeit und macht dessen Hysterie und Angst spürbar. Aaron Taylor-Johnson gibt sich als sein Sohn, Ford Brody, redlich Mühe, lässt als Charakterdarsteller allerdings einige Schwächen erkennen, vor allem in der Interpretation unterschiedlicher Gefühlsregungen. Sehr routiniert spielt Ken Watanabe seinen Part als Wissenschaftler und Godzilla-Experte Dr. Ichiro Serizawa. Dass er nicht mehr von seinem Talent zeigen kann, liegt nicht an ihm, sondern in der Konzentration des Films auf die Konsequenzen für die Masse und nicht für den Einzelnen.

Es gibt einiges, was Godzilla nicht ist. Dieses Werk ist kein Monsterfilm im eigentlichen Sinne. Es entpuppt sich vielmehr als waschechter Katastrophenfilm, garniert mit Riesenungeheuern. Diese überdimensionierten Launen der Natur setzen auf ihrem Weg zum alles entscheidenden Endkampf folgenschwere Ereignisse in Gang, welche verheerende Auswirkungen für die Menschheit haben. Dabei werden sie nicht einmal als absolut böse und niederträchtig dargestellt. Sie folgen einfach ihren Instinkten. Die zum Zuschauen gezwungenen Menschen können nichts weiter tun, als fieberhaft nach Mitteln zu suchen, um möglichst viele Exemplare der eigenen Art rechtzeitig in Sicherheit zu bringen und vor der unabwendbaren, ultimativen Zerstörung zu retten. Der Ansatz, die Motivation der Monster nicht als intrinsisch offensiv abzustempeln, ist ein erfrischender Gegensatz zu den sonst so oft genutzten Schwarz-Weiß-Mustern. Endlich darf der Zuschauer wieder Verständnis für alle Seiten aufbringen und sich mit dem sich daraus ergebenden Gewissenskonflikt auseinandersetzen. Wie im Original stehen die Ungeheuer darüber hinaus für wesentlich mehr als für allein wegen ihrer Größe zerstörerische Kolosse. Eine Menge Anspielungen auf reale Katastrophen der letzten Jahre und nicht nur unterschwellig integrierte Atomkraft-Kritik veranschaulichen die mutige Botschaft, dass die Menschheit zur Selbstüberschätzung neigt und niemals die vollständige Herrschaft über die Natur erlangen wird. An intensiven, düsteren und nachdenklichen Momenten mangelt es dem Film daher nicht.

Godzilla ist außerdem kein Non-Stop-Actionfeuerwerk. Der Weg ist das Ziel. So werden die monströsen Kombattanten von der Handlung die meiste Zeit über auf ihrer Reise zum endgültigen Treffpunkt begleitet. Verglichen mit Pacific Rim bietet Godzilla deshalb wenig „echte“ Monsteraction. Die finale Schlacht ist quasi als Sahnehäubchen auf beeindruckenden Katastrophenszenen zu sehen. Entsprechend spärlich ist der Anteil der Spielzeit von etwas mehr als zwei Stunden, welche auf den König der Monster selbst entfällt. Dafür orientiert sich sein Erscheinungsbild wieder eindeutig mehr an dem seines japanischen Urahnen als in Roland Emmerichs Film. Fans freuen sich außerdem über sein wirklich gelungenes und majestätisch anmutendes Gebrüll. Über das eigenwillige Design des Gegenparts kann man streiten. Um die Handlung und deren Inhalte in den Vordergrund zu rücken, wählten die Macher offenbar absichtlich keinen bekannten Godzilla-Gegner, sondern erfanden ein neues Kaiju. Hier haben Guillermo del Toro und sein Team bessere Arbeit geleistet, als sie die Feinde für die Jaeger in Pacific Rim entwarfen. Nichtsdestotrotz wirkt der sogenannte M.U.T.O. (massiver unbekannter terrestrischer Organismus) bedrohlich und ernstzunehmend genug, um zum Schluss einen würdigen Kontrahenten für Godzilla abzugeben.

Trotz aller Kritikpunkte ist Godzilla ein sehr gelungener Neustart für den Monsterkönig. In beeindruckenden Bildern und mit viel Gefühl erzählt, mit einem bombastischen Soundtrack hinterlegt und nahe am Erbe des Originals hat Gareth Edwards ein monumentales Abenteuer geschaffen, das seine Wirkung im dunklen Kinosaal und auf der großen Leinwand vollständig zu entfalten vermag.

Hausbesetzung leicht gemacht

Die Filme von Roland Emmerich sorgten bei mir in den letzten Jahren regelmäßig für Gefühlschaos. Ich liebe es, mir gut gemachte und groß angelegte Zerstörung auf der Kinoleinwand anzusehen. Deshalb locken mich die Trailer zu den Filmen des Regisseurs jedes Mal ins Lichtspielhaus meiner Wahl. Nach Stargate und Independence Day war ich von den Qualitäten des auf Action spezialisierten Regisseurs vollkommen überzeugt und – ich gebe es gerne und offen zu – auch an seiner Interpretation von Godzilla fand ich Gefallen. Danach konnte ich mich mit keinem seiner Werke mehr so richtig anfreunden. Ab dem Jahr 2000 klafft diese riesige Lücke, in der ich mir, durch Werbung verleitet, zwar jeden Emmerich-Film angesehen habe, danach aber stets mit langem Gesicht und bitter enttäuscht den Kinosaal verlassen habe. An den Effekten konnte ich nie etwas aussetzen. Es sah zweifellos immer hübsch aus, wenn die Welt unterging. Allein die langatmige und pathetische Präsentation empfand ich teilweise als nahezu unerträglich.
Im Geiste hatte ich Herrn Emmerich deshalb bereits auf meine persönliche „Schwarze Liste“ gesetzt – zu Herrn Soderbergh und all den anderen Filmemachern, die es geschafft haben, mich mehrfach bitter zu enttäuschen und für die ich die Hoffnung aufgegeben habe. Dann sah ich allerdings den Trailer zu White House Down und da war sie wieder: die Möglichkeit, dass auf Jahre der brachialen, lauten Langeweile endlich wieder ein unterhaltsamer Film folgen könnte. Eine letzte Chance wollte ich dem Landsmann noch gewähren. Und siehe da: Er hat sie genutzt!

Bei White House Down ist der Name Programm. Der U.S. Capitol Police Officer John Cale ist dem Sprecher des Repräsentantenhauses als Personenschützer zugeordnet und dank seines Jobs regelmäßig im Weißen Haus unterwegs. Dem geschiedenen Vater einer Teenagerin will es trotz aller Bemühungen nicht recht gelingen, seinen Platz im Leben zu finden. Das Verhältnis mit Ex-Frau und Kind ist gespannt. Um die Karriereleiter zu erklimmen, bewirbt er sich um eine Stelle bei der Leibwache des Präsidenten, dem Secret Service. Seine Tochter Emily interessiert sich sehr für Politik, ist ein großer Fan von Präsident James Sawyer und träumt schon lange von einem Besuch im Weißen Haus. John organisiert Eintrittskarten für sich und Emily und verbindet sein Vorstellungsgespräch kurzerhand mit einem Vater-Tochter-Ausflug. Seine Unterhaltung mit Secret Service Agentin Carol Finnerty verläuft alles andere als gut. Da John als Querkopf und bisweilen sehr eigensinniger Charakter gilt, befürchtet sie, er könne für den Secret Service nicht zuverlässig genug sein und lehnt seine Bewerbung ab. Gegenüber seiner Tochter verschweigt er die Absage und die beiden schließen sich einer Tour durch das Gebäude an. Was als gemütlicher Rundgang beginnt, endet in einer waghalsigen Verbrecherjagd, bei der John seinem Traumjob ungewollt so nahe kommt, wie er es auf normalen Wege vermutlich nie wäre. Eine Truppe, bestehend aus einigen der gefährlichsten Männer Amerikas, startet eine Geiselnahme mitten im Weißen Haus und John Cale allein kann und muss sie stoppen.

Die Handlung hört sich schwer nach „Stirb langsam“ an? Sie ist in der Tat bloß eine Abwandlung der guten, alten Ein-Mann-gegen-die-Welt-Story. Nichtsdestotrotz funktioniert das Konstrukt von Drehbuchautor James Vanderbilt, so klassisch und oft genutzt es auch sein mag. Es ist der Stoff, aus dem gute Actionfilme gemacht sind. Dass White House Down unterhält ist zu großen Teilen der Story und den schwungvollen Dialogen zwischen den Charakteren geschuldet. Sie sind das nötige Gegengewicht zu dem Pathos, das der Regisseur hinzufügt. Die Geschichte ist genau so heroisch, wie sie sein muss, humorvoll und nicht ohne mild eingestreute Zeitkritik. Die Gefahr für den Präsidenten kommt nicht von außen. Für mich gehört James Vanderbilt zu den talentiertesten Drehbuchschreibern für Actionfilme in Hollywood. Sein Können und sein Gefühl dafür, alten Erzählungen neues Leben einzuhauchen, hat er bereits mit The Amazing Spider-Man eindrucksvoll bewiesen. Auf die Fortsetzung der neuen Kinoabenteuer des Netzschwingers und auf das Leinwand-Comeback von Robocop, für die er sich jeweils ebenfalls das Drehbuch verantwortlich zeigt, bin ich sehr gespannt.

Roland Emmerich seinerseits nutzt White House Down dazu, sich neben den Effekten wieder mehr auf Figuren und Dialoge zu konzentrieren. Endlich ist Destruktion nicht mehr das tragende Element des Films, sondern unterstützendes Beiwerk. Ein Actionfilm braucht zwar keine tiefsinnige Handlung – White House Down ist da keine Ausnahme – jedoch nutzt der größte Krawall am Ende nichts, wenn er rein dem Selbstzweck dient. Über durchaus existente Logiklücken muss man großzügig hinwegsehen können. In der Welt von White House Down ist manches furchtbar einfach. Superverbrecher hin oder her, so leicht lässt sich das Weiße Haus sicher nicht besetzen. Als purer, klassischer und gut gemachter Actionfilm funktioniert das Ganze trotz einiger kleiner Längen wunderbar. Roland Emmerich versteht als einer von wenigen Filmemachern die Wichtigkeit von Details bei Spezialeffekten. Wenn er Teile des Weißen Hauses unter der Wucht von diversen Explosionen zusammenbrechen lässt, wird der Flug von jeder Glasscherbe und jedem Steinbrocken penibelst inszeniert. Der Regisseur zeigt ein weiteres Mal wie beeindruckend – und in gewisser Weise schön – Zerstörung sein kann.

Die Auswahl der Schauspieler ist durchweg gut gelungen. Channing Tatum stehen das weiße Feinripp-Unterhemd und seine Rolle als zupackender Einzelgänger John Cale gut. Ich mochte ihn schon als Actionheld in den beiden G.I.-Joe-Filmen. Jamie Foxx bildet als James Sawyer die perfekte zweite Hälfte des Duos, das sich Raum für Raum gemeinsam durch das weiße Haus kämpft. Sein Präsident ist Staatsmann und Kumpeltyp zugleich, ohne dass etwas davon aufgesetzt wirkt. Bemerkenswert ist ein weiteres Mal die Leistung von Joey King als Emily Cale. Die Schauspielerin gehört meiner Meinung nach zu den derzeit begabtesten Jungtalenten. Dass die Unvernunft ihrer Figur dem Zuschauer des Öfteren die Haare zu Berge stehen lässt und gehörig auf die Nerven geht, ist beabsichtigt und gewissermaßen ihr Verdienst. Joey King ist wandelbar und in der Lage verschiedenste Emotionen überzeugend darzustellen – etwas, was für Nachwuchstalente leider nicht mehr selbstverständlich zu sein scheint. James Woods zeigt seit Längerem wieder große Lust am Spielen als Chef des Secret Service, Martin Walker, und Lance Reddick präsentiert sich routiniert in seiner Paraderolle als uniformierter Staatsdiener und Stellvertretender Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs. Maggie Gyllenhaal geht als Carol Finnerty im Tumult etwas unter, bietet aber als dauergestresste und sichtbar übermüdete Secret Service Agentin eine wohltuende Abwechslung zu den üblichen makellosen Filmgestalten. Sehr positiv aufgefallen ist mir Jason Clarke als durchtriebener Geiselnehmer, Emil Stenz. Er zelebriert den harten Bösewicht mit jeder Faser und bietet den idealen Gegner für krachende Schusswechsel mit Channing Tatum.

Mit White House Down kann Roland Emmerich die selbst gegrabene, breite Kluft aus belanglosen Weltuntergängen und schierem Ergötzen an tricktechnischen Möglichkeiten überbrücken. Dank der richtigen Mischung aus Buddy-Humor, klassischer Action, überzeugenden Darstellern und bombastischen Spezialeffekten kann sein neuer Film über die gesamte Länge unterhalten. White House Down ist keinesfalls der beste Actionfilm des Jahres und wird sicherlich keinen Platz in meinen persönlichen Top 10 für 2013 einnehmen. Verglichen mit den Werken des Regisseurs in den vergangenen Jahren, ist die Rettung des Präsidenten jedoch ein großer Schritt in die richtige Richtung. Wer einen Actionfilm im Stil von Independence Day und Armageddon sucht, der sollte sich White House Down im Kino ansehen. Diese Hausbesetzung ist für die große Leinwand gemacht.

Einen direkten Vergleich von White House Down mit Olympus Has Fallen werde ich zu gegebener Zeit nachholen. Leider habe ich Antoine Fuquas Film zum gleichen Thema im Kino verpasst und warte nun auf dessen Veröffentlichung auf Blu-ray.

(Links im gesamten Artikel zu IMDB.)