Schlagwort-Archive: Jon Bernthal

Der Wolf und sein Rudel

Für den ersten Kinobesuch im neuen Jahr entschied ich mich für Altmeister Martin Scorseses neuestes Werk über Einfluss, Gier und die Macht des Geldes. Dass der Regisseur dazu neigt, mit talentierten Schauspielern gleich mehrfach zusammenzuarbeiten und mitunter sehr fruchtbare Arbeitsbeziehungen aufzubauen, ist hinlänglich bekannt. So ist es Leonardo DiCaprio, der in The Wolf of Wall Street bereits zum fünften Mal unter der Anleitung des großen Filmemachers agiert. Die bewährte Mischung führt erneut zum gewünschten Ergebnis, einem bildgewaltigen Kinoerlebnis der besonderen Art.

Angelehnt an die Biografie des Börsenmaklers Jordan Belfort erzählt The Wolf of Wall Street den Aufstieg und Fall des begnadeten Verkaufsgenies, der auf seiner Suche nach Reichtum vor nichts zurückschreckt und sich gnadenlos seinen Weg von der Arbeiterschicht hin zur ausschweifenden Dekadenz in der Welt der Reichen und Schönen bahnt. Ob seine Methoden halb oder am Ende gar nicht mehr legal sind, stört ihn wenig, denn er ist der festen Überzeugung, dass Geld die ultimative Lösung für sämtliche Probleme ist, da man sich damit einfach alles kaufen kann. Leonardo DiCaprio verkörpert diesen von einer Spirale der Süchte getriebenen Charakter bravourös und lässt genau die richtige Mischung aus Spitzbübigkeit und Skrupellosigkeit erkennen. Den gewonnenen Golden Globe hat er in meinen Augen mehr als verdient. Seine Darbietung ist so großartig, dass er allein in der Lage wäre den Film zu tragen. Das muss er aber nicht, denn The Wolf of Wall Street ist bis in die kleinsten Nebenrollen hochkarätig und treffsicher besetzt. Nicht nur Jonah Hill geht in seiner Rolle als Belforts Geschäftspartner und engster Vertrauter, Donnie Azoff, auf. Auch Matthew McConaughey, dem ich ob seiner derzeitig viel zu mageren Figur zu gerne mal einen großen Hamburger spendieren würde, brilliert in seiner vergleichsweise winzigen Rolle als Mark Hanna, Belforts Mentor bei dessen erstem Job an der Wall Street. Ein weiteres Beispiel ist Jon Bernthal, der einen schrulligen Strohmann mit größter Perfektion für Details mimt. Er gehört für mich zu den aktuell vielversprechendsten und unverbrauchtesten Talenten Hollywoods und ich hoffe, dass man in Zukunft noch viel mehr von ihm sehen wird.

Stilistisch bedienen sich Regisseur Martin Scorsese und Drehbuchautor Terence Winter einem bunten Mix, der die komödiantischen Elemente unterstreicht, ohne den bitteren Unterton von Belforts Taten ungehört vorbeiziehen zu lassen. Mal kommentiert der Hauptcharakter das Geschehen auf der Leinwand aus dem Off, mal dürfen die Zuschauer direkt an den Gedanken verschiedener Protagonisten teilhaben und selbst die vierte Wand stellt kein Hindernis dar. Letzterer scheint in den Film- und Fernsehfabriken im Land der Unbegrenzten Möglichkeiten in den letzten Monaten eine immer größere Bedeutung zugemessen zu werden. Man denke nur an das subtile Einbeziehen des Betrachters in der zweifelsfrei sehenswerten TV-Serie House of Cards (Link zu IMDB). Leonardo DiCaprio spricht als Jordan Belfort weniger häufig direkt zu seinem Publikum, das Gefühl einer um die Beobachtung wissenden und sie gar genießenden Figur bleibt gleichwohl bestehen. So oft während der gesamten Spielzeit im Kinosaal lautes Lachen über die an Maßlosigkeit, Verantwortungslosigkeit und Lächerlichkeit kaum zu überbietenden Ausschweifungen des Gernegroß Belfort ertönt, so oft bleibt es den Beobachtern im Halse stecken. Egal wie sehr er es sich einreden möchte und egal wie groß das Rudel aus Brokern mit unerschöpflicher Geldgier ist, das der Wolf von der Wall Street mit der Zeit um sich schart: Mit Geld kann man eben doch nicht alles auf der Welt kaufen.

Lohnt es sich, eine Eintrittskarte für The Wolf of Wall Street zu lösen, um den Film auf der großen Leinwand zu genießen? Auf jeden Fall! Finden die Oscar-Nominierungen für dieses Werk meine Zustimmung? Ja, denn hier wird meiner Meinung nach weitaus mehr und leidenschaftlicher gespielt, als in Gravity (Link zu IMDB). Ob The Wolf of Wall Street mein ganz persönlicher Oscar-Favorit ist, darüber kann ich mir jedoch an dieser Stelle kein Urteil erlauben. Dazu habe ich (noch) zu wenige der ebenfalls nominierten Filme gesehen. Ganz ohne Schwächen kommt nämlich auch der große, böse Wolf über stolze 179 Minuten nicht ins Ziel. Bisweilen hätte ich mir weniger Orgien, mehr Einblicke in Belforts Privatleben sowie aussagekräftigere Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinem Widersacher vom FBI, Agent Patrick Denham (Kyle Chandler), gewünscht. Im Großen und Ganzen liefern die Beteiligten aber allesamt eine bemerkenswerte und sehenswerte Leistung ab und machen The Wolf of Wall Street zu einem äußerst unterhaltsamen Start ins Kinojahr 2014.

Maß und Ziel

Ein Film mit Dwayne Johnson, mit Realitätsbezug, kritischen Untertönen und weniger Action, als es mancher Trailer vermuten lässt. Funktioniert das? Davon abgesehen, dass „The Rock“ für mich einer der derzeit wichtigsten Actionstars ist und ich ihn gerne auf der Leinwand sehe, war das die zentrale Frage, die mich beschäftigte, als ich ins Kino ging um mir Snitch anzusehen.

Im Nachhinein kann ich nur sagen: Ja, es funktioniert, sehr gut sogar. Eine wichtige Info gleich vorab: Wer bei Snitch einen lauten Actionkracher erwartet, wird enttäuscht werden. Es gibt Actionszenen. Diese sind gut inszeniert, allerdings nicht der Hauptbestandteil des Films. Ich würde Snitch als Thriller mit Actioneinlagen bezeichnen.

Erzählt wird die Geschichte eines Vaters, der einen riskanten Deal mit der Staatsanwaltschaft eingeht, um die Haftstrafe für seinen wegen Drogenbesitzes im Gefängnis sitzenden Sohn zu verringern. Der Bauunternehmer John Matthews ist ein Macher, einer der gerne anpackt und für das, was er im Leben erreicht hat, hart gearbeitet hat. Während er seine Firma aufbaute und dabei selbst als Trucker durchs Land fuhr, ist seine erste Ehe gescheitert. Inzwischen hat er eine neue Familie. Sein Sohn aus erster Ehe ist ein Jugendlicher mit viel Wut im Bauch. Er ist unzufrieden mit seinem Leben und risikobereit. Zusammen mit einem Freund will er sich Drogen beschaffen, ausprobieren und verkaufen. Das Vorhaben scheitert kläglich, denn als das Packet mit den Rauschmitteln eintrifft, wird er sofort von der Drogenvollzugsbehörde verhaftet. Aufgrund der harten Gesetzgebung in den USA bei Drogenvergehen wird er zu einer Mindesthaftstrafe von 10 Jahren verurteilt. Eine Verringerung der Zeit im Gefängnis ist nur durch „Snitching“ möglich, also durch das Verraten von Anderen. Als der Sohn sich weigert, einen seiner Freunde anzuschwärzen, übernimmt sein Vater die Rolle des Informanten, auch wenn er dafür erst mühsam Beziehungen zum Drogenmilieu aufbauen muss. Er ist entschlossen, seine Versäumnisse als Vater wiedergutzumachen und alles dafür zu tun, um seinem Sohn zu helfen, früher aus dem Gefängnis zu kommen. Mit der Hilfe eines seiner Angestellten, der sein Leben eigentlich in den Griff bekommen will und seiner Familie zuliebe mit der Dealerszene abgeschlossen hat, nimmt er Kontakt zu wichtigen, kriminellen Personen auf und verhandelt einen Deal mit der Staatsanwaltschaft. Er hilft dabei, einen gesuchten Drogenboss zu verhaften und dafür wird die Haftstrafe des Sohnes auf ein Jahr gekürzt. Die Vereinbarung klingt einfacher, als sie am Ende tatsächlich ist, denn die Gier der Behörden führt dazu, dass der muskulöse Bauunternehmer mehr aufs Spiel setzen muss, als er jemals gedacht hätte.

Die Story von Snitch ist spannend und gut geschrieben. Darüber hinaus ist der Realitätsbezug zum amerikanischen Rechtssystem deutlich spürbar und die kritischen Untertöne regen die Zuschauer zum Nachdenken an. Fragen nach einem verhältnismäßigen und richtigen Strafmaß und danach, wie weit man das Leben von Zivilisten für Recht und Ordnung aufs Spiel setzen darf, sind nicht nur bezogen auf die USA interessant. Zusätzlich werden Themen wie die Wirtschaftskrise und Patchwork-Familien angerissen und es wird gezeigt, dass es Menschen gibt, die bereit sind sehr weit zu gehen, wenn sie sich für ihre Angehörigen einsetzen. Der Erzählstil des Films ist in Anbetracht der Themenvielfalt sehr gelassen. Der Regisseur fokussiert sich auf die einzelnen Charaktere und zeichnet eine vielschichtige und spannende Milieustudie im Thrillerstil.

Dass der Film die im Grunde doch recht vorhersehbaren Plottwists trotzdem spannend präsentiert und die Zuschauer für 112 Minuten zu fesseln weiß, verdankt er der Leistung der beteiligten Schauspieler. Dwayne Johnson ist muskulös – sicher etwas besser gebaut als der Ottonormaltrucker und -bauunternehmer – gekonnt ausgewählte Kleidung kaschiert seine Statur aber und ist ein wichtiges Element um seine Rolle als John Matthews nicht unwahrscheinlich wirken zu lassen. The Rock spielt den sich einsetzenden Vater sehr überzeugend und mit viel Gespür. Wer denkt, der klobige Wrestler könne nur testosterongeladene Sprüche klopfen und schießen, wird in Snitch eines Besseren belehrt. Ich persönlich kann seine Leistung nur würdigen und freue mich nun umso mehr auf weitere Filme mit ihm. Schauspielerisches Geschick beweist auch Jon Bernthal in seiner Rolle als Daniel James, der hin- und hergerissen ist zwischen seiner Vergangenheit in der Drogenszene und dem ersehnten Neuanfang mit seiner Familie. Er verleiht seinem Charakter sehr viel Tiefe und Authentizität. Positiv fällt außerdem Benjamin Bratt als mexikanischer Drogenbaron „El Topo“ auf. Nach einer langen Zeit, in der er nur als strahlender und sympathischer Doktor im „Grey’s Anatomy“-Ableger „Private Practice“ zu sehen war, tut ihm eine Rückkehr zu dunkleren und vielschichtigeren Charakteren sehr gut. Susan Sarandon als toughe und machthungrige Staatsanwältin, die bei der Suche nach dem richtigen Maß des Öfteren über das Ziel hinausschießt und Michael Kenneth Williams als Drogenboss Malik runden das gut gecastete Ensemble ab.

Snitch ist meiner Meinung nach ein wirklich unterhaltsamer Film. Hier und da sind durchaus Schwächen und Verbesserungspotenzial erkennbar. So sind die Dialoge von Vater und Sohn bei den Besuchen im Gefängnis sehr flach und fast schon unnötig, die kritischen Aspekte hätten an der ein oder andere Stelle besser herausgearbeitet werden können und ob es wirklich das Hollywod-Happy-End hätte geben müssen sei einmal dahingestellt. Eine Erzählweise, die die Zuschauer fordert und nicht jedes wichtige Element doppelt und dreifach wiederholt, bis es der Letzte Zuschauer begriffen hat, tröstet über gelegentliche Hänger jedoch hinweg. Vor allem macht die schauspielerische Leistung der Besetzung Snitch zu einem vielleicht nicht überragenden aber dennoch wirklich sehenswerten Film.