Schlagwort-Archive: Pierre Coffin

Dicker als Wasser

In dem Moment, in dem unser Sohn das erste Mal ein Bild von den Minions sah, haben die niedlichen Wesen auf der Stelle sein Herz erobert. Noch bevor wir die dazugehörigen Filme zusammen gesehen hatten, hat sich ein ganzer Plüschstamm dieser gelben Kreaturen in unserer Wohnung niedergelassen. Inzwischen kennt der Junior deren Abenteuer in bewegten Bildern und schwärmt gleichzeitig für den Big Boss der Minions: Gru. Da die Begeisterung für Leinwandabenteuer irgendwie erblich zu sein scheint und wir mit Feuerwehrmann Sam – Achtung Außerirdische! (Link zu meiner Kritik) und Bob, der Baumeister – Das Mega-Team (Link zu IMDB) bereits zwei Familienkinobesuche absolviert haben, ist es kaum verwunderlich, dass er für den neuesten Teil dieser Filmreihe nach Sichtung des Trailers lauthals den Gang in ein Lichtspielhaus verlangte. So haben wir einen Regentag für einen Mama-Sohn-Kinonachmittag genutzt und uns Ich – Einfach unverbesserlich 3 (Despicable Me 3, Link zu IMDB) angesehen.

Die Drehbuchautoren Cinco Paul und Ken Daurio erfinden ihre Serie zusammen mit den Regisseuren Kyle Balda und Pierre Coffin im aktuellen Abenteuer der wohl komischten Patchworkfamilie der Kinogeschichte nicht neu. Das müssen sie gar nicht, denn als Fortsetzung funktioniert die Story, in deren Verlauf sich die Macher durchgehend in den Vorgängern bewährten Handlungsmustern der Figuren bedienen, prima. Der auf die Seite der verbrechensbekämpfenden Agenten übergelaufene Gru (Steve Carell, deutsche Fassung: Oliver Rohrbeck) liebäugelt trotz Familienleben noch immer ein wenig mit seiner Vergangenheit als Schurke – besonders nach dem Verlust seines aktuellen Jobs aufgrund von akutem Versagen. Auch sein plötzlich Kontakt suchender, vermögender Zwillingsbruder Dru setzt alles daran, in ihm den alten Gauner für einen gemeinsamen Coup ein letztes Mal zu wecken. Obwohl das seiner Frau Lucy (Kristen Wiig, deutsche Fassung: Martina Hill) ganz und gar nicht passt, nutzt Gru die Gelegenheit und schmiedet einen Plan, der es ihm obendrein ermöglichen soll, sich an dem Fiesling Balthazar Bratt (Trey Parker, deutsche Fassung: Joko Winterscheidt) zu rächen, der ihm den Rausschmiss aus der Anti-Verbrecher-Liga beschert hat.

Was Ich – Einfach unverbesserlich 3 zu einem absolut gelungenen Film für die Groß und Klein macht, sind nicht nur die wohldosierten Auftritte der Minions, sondern auch die ein weiteres Mal unglaublich schrägen und gleichzeitig unvergleichlich charmanten Figuren. Von diesen ist jede einzelne vielschichtiger, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Genau deshalb ist ihre verrückte, schrullige Animationswelt spürbar nahe an der Realität und lässt den Zuschauer bei genauerer Betrachtung einiges lernen. Während sich bei uns – mit großer Unterstützung der (sozialen) Medien – noch der Kopf über Familienbilder zerbrochen wird, sich Verfechter verschiedenster Lebens-, Rollen-, und Erziehungsmodelle verbale Gefechte bis an den Rand des Erträglichen liefern und man den Eindruck hat, dass so manche Eltern andere ihrer Art wegen verschiedener Meinungen am liebsten zerfleischen würden, wird bei Familie Gru einfach gehandelt. Die auf diesem Gebiet recht unbedarfte Lucy erfährt beispielsweise, dass das Mamasein täglich mit neuen Herausforderungen aufwartet. Genau aus diesem Grund gerät sie – wie alle Mütter (und Väter) – im Laufe der Geschichte immer wieder an Punkte, an denen etwas bei der Erziehung ihrer drei grundverschiedenen Adoptivkinder neu für sie ist und sie gezwungen ist, nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum nach passenden Lösungen zu suchen. Irren ist menschlich und was moderne Eltern sich und anderen zu oft nicht zugestehen, ist fester Bestandteil der Welt von Ich – Einfach unverbesserlich 3. Wie heißt es doch so schön: Hinfallen, aufstehen, Krone richten und weitergehen. Fehler einräumen, daraus lernen, sich gegenseitig unterstützen und dabei bloß nicht den Mut verlieren. Die Wichtigkeit und Richtigkeit dieses Prinzips müssen alle Mitglieder der bunt zusammengewürfelten Sippschaft rund um Gru lernen – sogar die Minions, die ihrem Boss die Gefolgschaft kündigen und nach diversen Eskapaden im Gefängnis landen. Blut ist dicker als Wasser und Familie ist kein festes Bild, sondern eine Frage des Gefühls und der individuellen Definition. Gäbe es im richtigen Leben mehr Menschen mit dem Gemüt der kleinen Agnes, die statt einem Einhorn eben (nur) die beste Ziege der Welt bekommt und sich über diese so sehr freut, als wäre sie das sehnlichst erhoffte Fabeltier … die Welt wäre eine Bessere.

Diese Feinheiten, ebenso wie die vielen kleinen Seitenhiebe auf Hollywood und die 80er Jahre, bleiben den jüngsten Zuschauern freilich verborgen. Den Spaß an Ich – Einfach unverbesserlich 3 mindert das jedoch dank jeder Menge Slapstickeinlagen für sie nicht. Darüber hinaus passt die musikalische Untermalung in jeder Szene wie Grus Faust im furiosen Endkampf auf das Auge des durchgeknallten Balthazar Bratt. Erwachsene freuen sich über die Zeitreise in die 80er Jahre, während die Kleinen ihre Ohren spitzen und etwas Neues hören können.

Ein Wermutstropfen ist für mich das atemlose Erzähltempo, das bei Ich – Einfach unverbesserlich 3 im Vergleich zu den Vorgängern um einige Stufen erhöht wurde. Das hätte nicht sein müssen und raubt den Zuschauern – vor allem den jüngeren – die Gelegenheit, länger bei den lieb gewonnenen Figuren zu verweilen und die grandios umgesetzten Animationen zu genießen. Ferner wirkt die geschmacklose Anspielung auf die Konkurrenz von Disney/Pixar gleich zu Beginn des Films absolut unangebracht und unnötig.

Davon abgesehen – da stimmt mir mein Sohn eifrig nickend zu – ist den Machern ein weiteres Mal großartige Familienunterhaltung gelungen, die man bedenkenlos weiterempfehlen kann.

Gelbe Gemeinschaft

Sich um einen kleinen Menschen zu kümmern und ihm beim Aufwachsen zu helfen, ist nach wie vor die Aufgabe, welche die meiste Zeit meines Tages bestimmt. Sie verlangt mir einigen Einsatz ab und bereitet mir gleichzeitig unglaubliche Freude. Meine Hobbys müssen derweil weiterhin hintanstehen. Im Schrank stapeln sich die DVDs und Blu-rays und warten darauf, angesehen zu werden. Die Begeisterung für Filme und TV-Serien ist mir in den vergangenen Monaten freilich nicht abhanden gekommen. Umso schöner war es, als der Ehemann und ich unlängst endlich wieder einmal Zeit hatten, uns dieser gemeinsamen Passion hinzugeben. Gemeinsam geschaut haben wir Minions (Link zu IMDB), den mittlerweile dritten Film mit den niedlichen, gelben Superschurkenhelferlein.

Warum bei jedem der beiden Teile von Ich – Einfach unverbesserlich (Despicable Me, Link zu meiner Kritik des zweiten Teils) und nun auch bei den Minions im Vorhinein meine Erwartungen verhältnismäßig niedrig waren, kann ich nicht genau sagen. Jedes Mal war ich von den Trailern begeistert und gleichzeitig unsicher, ob man ein solch hohes Niveau an Gags und Sympathie über die gesamte Filmlänge würde halten können. Jedes Mal konnte mich das Team um Regisseur Pierre Coffin und Produzent Chris Meledandri eines Besseren belehren.

In Minions wird erstmals die Entstehungsgeschichte der pillenförmigen Lebewesen mit dem sonnengelben Gemüt und dem unstillbaren Hunger nach Bananen enthüllt. Von der Ursuppe an treibt die Minions die Suche nach dem ultimativen Superschurken, ihrem Big Boss, zu immer neuen Höchstleistungen. Aller Mühe zum Trotz steht der Stamm irgendwann im Laufe der Geschichte dennoch ohne Anführer da. Mit dem schlauen Kevin, dem musikalischen Stuart und dem kindlichen Bob brechen drei mutige Individualisten schließlich auf, um dieser Misere ein Ende zu bereiten. Auf ihrer Reise um die Welt müssen sie aberwitzige Abenteuer bestehen. Bis sie – wie der geneigte Fan aus den ersten beiden Filmen weiß – Gru (Steve Carell) treffen, ist es ein langer Weg.

Den besonderen Charme von Minions machen nicht alleine die allseits bekannten und unglaublich sympathischen Namensgeber aus. Jede einzelne der Figuren ist so perfekt unvollkommen und fehlerhaft, dass man sie – ganz unabhängig von ihrer Gesinnung – nur in Herz schließen kann. Wenn die Minions sich bei den fiesesten Fieslingen der Welt auf der streng geheimen Messe „Villain-Con“ bewerben, können sich nicht nur eingefleischte Comicfans und erfahrene Conventiongänger vor Lachen kaum mehr halten. Sei es die vom großen Ruhm träumende Superschurkin Scarlet Overkill (Sandra Bullock) oder ihr in vollkommender Ergebenheit förmlich zerfließender Ehemann Herb (Jon Hamm), jeder Charakter ist von der Pike auf durchdacht und mit viel Liebe zum Detail gestaltet.

91 Minuten lang präsentiert Minions keine weichgespülte, heile Welt, sondern ist an Aktualität kaum zu übertreffen. Wer sich darauf einlässt, kann eine Menge Botschaften entdecken, die neben allem Spaß im Nachhinein durchaus zum Nachdenken anregen können. Man muss nämlich nicht immer die gleiche Sprache sprechen, um sich zu verständigen – respektive Banana sprechen, um die Minions zu verstehen. Was könnte unsere reale Welt davon profitieren, wenn wir dem Unbekannten so ungeniert und mutig gegenüberträten, wie Kevin, Stuart und Bob! Auch ist der Zusammenhalt der gelben Gemeinschaft innerhalb des gesamten Minion-Stammes einzigartig und absolut inspirierend. Nicht zu vergessen, dass so mancher (vermeintlicher oder tatsächlicher) Übeltäter auch in der Realität mehr Facetten als sein bedrohliches Äußeres und furchterregendes Gebaren hat und man sich bei Einschätzungen seines Gegenüber und dessen mögliche Fähigkeiten niemals nur auf ein (unscheinbares) Äußeres verlassen sollte. Dies sind nur ein paar Beispiele, wie man Minions ebenfalls betrachten kann.

Alles in allem kann ich kleinen und großen Animationsfans diesen in jeder Hinsicht wunderbar gemachten Film nur empfehlen. Jüngere Zuschauer können gewiss nicht jede Anspielung aus Popkultur und Zeitgeschichte erkennen, sich aber trotzdem an genug Slapstick-Einlagen erfreuen. Für mich persönlich hat sich die Anschaffung der Blu-ray (Link zur produktweite auf Amazon.de) absolut gelohnt. Preis, Qualität und Extras stimmen und um alle Feinheiten zu Entdecken, sollte man sich Minions auf jeden Fall mehr als ein Mal ansehen.