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Gelbe Gemeinschaft

Sich um einen kleinen Menschen zu kümmern und ihm beim Aufwachsen zu helfen, ist nach wie vor die Aufgabe, welche die meiste Zeit meines Tages bestimmt. Sie verlangt mir einigen Einsatz ab und bereitet mir gleichzeitig unglaubliche Freude. Meine Hobbys müssen derweil weiterhin hintanstehen. Im Schrank stapeln sich die DVDs und Blu-rays und warten darauf, angesehen zu werden. Die Begeisterung für Filme und TV-Serien ist mir in den vergangenen Monaten freilich nicht abhanden gekommen. Umso schöner war es, als der Ehemann und ich unlängst endlich wieder einmal Zeit hatten, uns dieser gemeinsamen Passion hinzugeben. Gemeinsam geschaut haben wir Minions (Link zu IMDB), den mittlerweile dritten Film mit den niedlichen, gelben Superschurkenhelferlein.

Warum bei jedem der beiden Teile von Ich – Einfach unverbesserlich (Despicable Me, Link zu meiner Kritik des zweiten Teils) und nun auch bei den Minions im Vorhinein meine Erwartungen verhältnismäßig niedrig waren, kann ich nicht genau sagen. Jedes Mal war ich von den Trailern begeistert und gleichzeitig unsicher, ob man ein solch hohes Niveau an Gags und Sympathie über die gesamte Filmlänge würde halten können. Jedes Mal konnte mich das Team um Regisseur Pierre Coffin und Produzent Chris Meledandri eines Besseren belehren.

In Minions wird erstmals die Entstehungsgeschichte der pillenförmigen Lebewesen mit dem sonnengelben Gemüt und dem unstillbaren Hunger nach Bananen enthüllt. Von der Ursuppe an treibt die Minions die Suche nach dem ultimativen Superschurken, ihrem Big Boss, zu immer neuen Höchstleistungen. Aller Mühe zum Trotz steht der Stamm irgendwann im Laufe der Geschichte dennoch ohne Anführer da. Mit dem schlauen Kevin, dem musikalischen Stuart und dem kindlichen Bob brechen drei mutige Individualisten schließlich auf, um dieser Misere ein Ende zu bereiten. Auf ihrer Reise um die Welt müssen sie aberwitzige Abenteuer bestehen. Bis sie – wie der geneigte Fan aus den ersten beiden Filmen weiß – Gru (Steve Carell) treffen, ist es ein langer Weg.

Den besonderen Charme von Minions machen nicht alleine die allseits bekannten und unglaublich sympathischen Namensgeber aus. Jede einzelne der Figuren ist so perfekt unvollkommen und fehlerhaft, dass man sie – ganz unabhängig von ihrer Gesinnung – nur in Herz schließen kann. Wenn die Minions sich bei den fiesesten Fieslingen der Welt auf der streng geheimen Messe „Villain-Con“ bewerben, können sich nicht nur eingefleischte Comicfans und erfahrene Conventiongänger vor Lachen kaum mehr halten. Sei es die vom großen Ruhm träumende Superschurkin Scarlet Overkill (Sandra Bullock) oder ihr in vollkommender Ergebenheit förmlich zerfließender Ehemann Herb (Jon Hamm), jeder Charakter ist von der Pike auf durchdacht und mit viel Liebe zum Detail gestaltet.

91 Minuten lang präsentiert Minions keine weichgespülte, heile Welt, sondern ist an Aktualität kaum zu übertreffen. Wer sich darauf einlässt, kann eine Menge Botschaften entdecken, die neben allem Spaß im Nachhinein durchaus zum Nachdenken anregen können. Man muss nämlich nicht immer die gleiche Sprache sprechen, um sich zu verständigen – respektive Banana sprechen, um die Minions zu verstehen. Was könnte unsere reale Welt davon profitieren, wenn wir dem Unbekannten so ungeniert und mutig gegenüberträten, wie Kevin, Stuart und Bob! Auch ist der Zusammenhalt der gelben Gemeinschaft innerhalb des gesamten Minion-Stammes einzigartig und absolut inspirierend. Nicht zu vergessen, dass so mancher (vermeintlicher oder tatsächlicher) Übeltäter auch in der Realität mehr Facetten als sein bedrohliches Äußeres und furchterregendes Gebaren hat und man sich bei Einschätzungen seines Gegenüber und dessen mögliche Fähigkeiten niemals nur auf ein (unscheinbares) Äußeres verlassen sollte. Dies sind nur ein paar Beispiele, wie man Minions ebenfalls betrachten kann.

Alles in allem kann ich kleinen und großen Animationsfans diesen in jeder Hinsicht wunderbar gemachten Film nur empfehlen. Jüngere Zuschauer können gewiss nicht jede Anspielung aus Popkultur und Zeitgeschichte erkennen, sich aber trotzdem an genug Slapstick-Einlagen erfreuen. Für mich persönlich hat sich die Anschaffung der Blu-ray (Link zur produktweite auf Amazon.de) absolut gelohnt. Preis, Qualität und Extras stimmen und um alle Feinheiten zu Entdecken, sollte man sich Minions auf jeden Fall mehr als ein Mal ansehen.

Im Weltraum hört dich niemand schreien

Filme, die etwas Anderes, etwas Neues versprechen, wecken sofort meine Aufmerksamkeit, vor allem wenn sie sich dabei einem meiner Lieblingsgenres, wie etwa Science-Fiction, widmen. Trailer und sich mit Lobeshymnen überschlagende Kritiken versprachen, dass Gravity eines dieser Ausnahmewerke ist, womöglich ein moderner Klassiker. Voller Spannung und Vorfreude betrat ich den Kinosaal. Nach 90 Minuten verließ ich ihn mit sehr gemischten Gefühlen.

Drei Astronauten sind mit einem Shuttle in die Umlaufbahn der Erde geflogen und nehmen Reparaturen am Hubble-Weltraumteleskop vor. Während es für den erfahrenen Matt Kowalski der letzte Flug ins All und das Ende seiner langen Karriere bei der NASA sein soll, ist die Mission für Dr. Ryan Stone der erste Einsatz, außerhalb von Simulatoren. Ihre gemeinsame Arbeit ist noch nicht beendet, als die Astronauten von der Kommandozentrale in Houston dazu aufgefordert werden, unverzüglich in das Shuttle zurückzukehren. Durch die Zerstörung eines russischen Satelliten hat sich ein großes Trümmerfeld gebildet, das mit hoher Geschwindigkeit auf ihre Position zurast und auf seinem Weg eine Schneise der Zerstörung in die Masse der künstlichen Erdtrabanten schlägt. Die Warnung kommt zu spät. Der Weltraumschrott trifft das Shuttle und seine Crew unvermittelt. Nur Kowalsky und Stone überleben den Zusammenstoß, der gleichzeitig all ihre unmittelbaren Möglichkeiten, zur Erde zurückzukehren, zunichte gemacht hat. Mit einem begrenzten Sauerstoffvorrat ausgestattet, müssen sie einen Weg finden, zur nächsten Raumstation, der ISS, zu gelangen. Eine Raumkapsel soll als letzter Ausweg dienen.

Die Geschichte von Gravity ist die einer Weltraummission, die gründlich schiefläuft. Im Grundsatz ist sie damit nichts Neues. Alfonso Cuarón verzichtet, zusammen mit seinem Sohn und Koautor Jonás Cuarón, auf Außerirdische und Fantasien über zukünftige technische Neuerungen und bringt die Handlung dadurch näher an unsere Zeit. Diese Fiktion könnte, so wird durch die realitätsnahe Ausstattung und die vortrefflich animierten Ansichten der Erde suggeriert, jeden Moment hoch über den Köpfen der Zuschauer stattfinden. Gleichzeitig werden bei intensiverer Betrachtung im Gesamtkonstrukt ähnlich eklatante Logiklücken erkennbar, wie es sie in vielen Science-Fiction-Werken gibt. Vieles davon kann man als künstlerische Freiheit auslegen. Ich für meinen Teil hätte mir an mehr als einer Stelle mehr Authentizität gewünscht.

Realitätsnähe hin oder her, die Bilder von Gravity sind atemberaubend. Alfonso Cuarón inszeniert sein Weltraumabenteuer in meisterlich durchdachten Plansequenzen, die das Gefühl von Schwerelosigkeit mühelos zu vermitteln vermögen. Wo 3D-Effekte in anderen Fällen als überflüssig erscheinen, tragen sie in diesem Film wesentlich zum Erlebnis bei. Von der Kamerafahrt neben den Protagonisten bis zum Blick aus dem Raumanzug ist die Abfolge der Bilder durchweg minutiös ausgearbeitet. Handwerklich und technisch ist Gravity ohne Zweifel eine Meisterleistung.

Positiv überrascht wurde ich außerdem vom Tempo, in dem die Ereignisse erzählt werden. Die Fülle an präsentierten Inhalten und Situationen ist größer, als es die Trailer vermuten lassen. Was der Regisseur in 90 Minuten Film packt ist beachtlich. Die dadurch vermittelte, permanente Unruhe ist in meinen Augen jedoch eine der größten Schwächen von Gravity. Aufgrund inhärenter Hektik bleibt dem Zuschauer wenig Zeit, um das Gefühl von absoluter Stille und Einsamkeit aufzubauen, das die unendlichen Weiten des Alls mit sich bringen sollte. Die grundsätzlichen Gefahren, die an unsere Urinstinkte appellieren und ganz ähnlich denen von Schiffbrüchigen auf hoher See sind, kommen zu kurz. Das Konzept von Gravity hätte das Potenzial gehabt, diese genüsslich zu zelebrieren. Mehr Ruhe und im Umkehrschluss mehr Spielzeit, hätte dem Film meiner Meinung nach gutgetan.

Von der Anzahl der beteiligten Schauspieler ist Gravtiy ein Kammerspiel. George Clooney mimt den herzlichen, etwas schrulligen und erfahrenen Matt Kowalsky sicher und ohne große Mühe. Seine Rolle ist, wie ich finde, bloß zu klein angelegt. Dadurch bleiben eine Menge Möglichkeiten ungenutzt, auch im Hinblick darauf, das Geschehen noch intensiver zu gestalten. Beachtlich ist die Leistung von Sandra Bullock, die fast den gesamten Film alleine tragen muss. Über weite Strecken gelingt ihr das. Ihre Dr. Ryan Stone wird in der Not von der unerfahrenen und staunenden Astronautin zur mutigen Heldin, die sich, allen Widrigkeiten zum Trotz, ihren Weg bahnt. Mir persönlich gefällt dabei der häufig vorgebrachte Vergleich mit Sigourney Weaver als Ripley nicht besonders. Zu schnell vollführt Sandra Bullock in Gravity ihren Wandel. Ripley stellt die Geduld des Zuschauers mit nur allzu menschlichen Reaktionen einen kompletten Film lang auf die Probe und tut immer wieder Dinge, die ein jeder von außen betrachtet für absolut unsinnig hält, die jedoch trotz allem nachvollziehbar sind – ob mit oder ohne gefährliche Aliens. Ihre Metamorphose verläuft langsamer und ist dadurch nachvollziehbarer. Dr. Stone hingegen schwankt allzu oft zwischen Weinerlichkeit und Tatendrang und ihr letztendliches Schlüsselerlebnis wirkt sehr konstruiert. Im Weltraum hört dich niemand schreien. Das wusste bereits Ellen Ripley. Es liegt weniger an der Schauspielerin, als am Drehbuch, dass die Schreie von Dr. Stone nach dem Verlassen des Kinosaals schneller verhallen als die von Ripley.

Bombastisch kommt Gravity nicht nur bildmäßig daher. Auch der Soundtrack von Steven Price geizt nicht mit Präsenz. Musikalisch wird die Geschichte stets passend unterstützt. Von laut bis leise von harmonisch bis kakofon nutzt der Komponist sämtliche Variationsmöglichkeiten aus. Die Konzentration liegt für meine Ohren ein bisschen zu sehr auf der Lautstärke. Etliche Szenen, die mit dezenterer Untermalung ebenfalls ihre Wirkung entfaltet hätten, werden förmlich totmusiziert. Das ist schade und verstärkt den Eindruck, dass bisweilen in der Ruhe die Kraft gelegen hätte.

Insgesamt bleibt Gravity für mich deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die größte Schwäche des Films ist gleichzeitig eine, die ich niemals erwartet hätte: Fehlender Mut, die Dinge mit mehr Bedacht anzugehen und durch Stille eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Trotz aller Kritikpunkte ist Gravity kein schlechter Film und es dank seiner Bilder auf jeden Fall wert, auf der großen Leinwand angesehen zu werden. Allein der Jubel im Vorfeld ließ noch mehr erwarten.