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Extreme Ermittlungen

Was hat es bloß mit der neuerlich aufkeimenden Begeisterung von Autoren für Geweihe auf sich? Diese Frage stellte sich mir jüngst, nachdem der tierische Kopfschmuck bereits in der zweiten TV-Serie in Zusammenhang mit grausamen Morden einen Auftritt hatte. Ist die sich verstärkende Landlust des Publikums der Grund dafür? Oder besinnen sich die Schreiber wieder zurück auf die Natur, weil Hightech-Tötungsmethoden bereits genug beackert wurden? Ich weiß es nicht. Genau genommen ist es mir relativ egal. Die Hauptsache ist schließlich, dass das Endprodukt zu fesseln weiß. Dies trifft sowohl auf Hannibal, als auch auf True Detective zu, jene beiden Serien, in denen bei Mordopfern Gehörn präsentiert wird.

Neben dem Auftauchen eines Geweihs kann man, sofern man möchte, einige weitere Parallelen zwischen Hannibal und True Detective ziehen. Das bedeutet gleichzeitig nicht, dass sich hier jemand bei den Ideen des Anderen schamlos bedient hat. Zumindest habe ich diesen Eindruck nicht. Da ich die ersten Staffeln beider Serien in den vergangenen Wochen recht kurz hintereinander gesehen habe, drängt sich in meinem Kopf ein direkter Vergleich geradezu auf – selbst wenn mann aufgrund von genügend Unterschieden vielleicht nicht vergleichen sollte. An dieser Stelle sei erwähnt, dass von Hannibal mehr Folgen existieren, ich bisher jedoch nur die erste Staffel gesehen habe und damit lediglich diese in meine Überlegungen einbeziehen kann.

Der von Thomas Harris erdachten Kannibale Hannibal Lecter ist eine große und schillernde Figur der modernen Spannungsliteratur. Besonders der chronologisch letzte Teil der Tetralogie um den gebildeten Menschenfresser hat mich so sehr begeistert, dass er nach wie vor zu meinen Lieblingsbüchern zählt. Die Verfilmung von „Hannibal“ war indes in meinen Augen gelinde gesagt eine Katastrophe. Auch halte ich es für fraglich, ob sich der Autor einen Gefallen damit tat, 2006 mit „Hannibal Rising“ eine ziemlich verworrene Vorgeschichte zu präsentieren.
Genau hier setzt allerdings die TV-Serie an. Nicht ganz so früh wie das Buch, aber früher als der zuerst veröffentlichte Lecter-Roman „Roter Drache“. Da Hannibal ausdrücklich lediglich auf den Werken des Schriftstellers basiert, gibt es selbstredend etliche Unterschiede zur Vorlage. Dies wäre nicht weiters schlimm, würde die Welt von Hannibal Lecter hier und da nicht zu sehr verbogen. So verfügt FBI-Profiler und Gegenspieler Will Graham plötzlich über wundersame Fähigkeiten, die ihm beim Anblick eines Tatorts oder dem Anfassen einer Leiche derart viele Details verraten, dass er den Tathergang im Nu rekonstruieren kann. Mir persönlich erscheint er dadurch zu übermächtig. Ähnlich erging es mir mit der Figur des John Luther in der gleichnamigen BBC-Serie. Ich ließ mich an anderer Stelle darüber aus (Link zum Artikel). Glücklicherweise wurde jenes Problem bei Luther im Laufe der Serie geschickt gelöst und der Charakter schnell an seine Grenzen gebracht. Deshalb hoffe ich, dass es Will Graham in der zweiten Staffel ähnlich ergehen wird. Ich möchte als Zuschauer nämlich lieber gefordert werden, mitdenken und mich quasi als Ermittler im Hintergrund fühlen, als mir alles gemütlich vorkauen zu lassen. Sonst vergeht mir relativ schnell der Spaß.
Schauspielerisch gibt es an der Besetzung von Hannibal nichts auszusetzen. Der extrem wandelbare Mads Mikkelsen glänzt in der Rolle des als Psychiater arbeitenden Kannibalen, Hugh Dancy überzeugt als mit sich und seiner Arbeit hadernder Will Graham, und Laurence Fishburn mimt den pragmatischen Direktor der FBI-Verhaltensforschungseinheit routiniert.

Dass es bei der Geschichte um den Menschenfleich-Gourmet in Sachen Gewalt und Opferdarstellung nicht zimperlich zugehen darf, versteht sich von selbst. Die explizite Darstellung von Grausamkeiten ist aber nicht das Einzige, was Hannibal und True Detektive gemein haben. So gibt es in der von Autor Nix Pizzolatto geschriebenen und durchgehend unter der Regie von Cary Joji Fukunaga entstandenen TV-Serie ebenfalls einen äußerst begabten Ermittler. Dessen Fähigkeiten und Visionen sind hingegen stets rational erklärbar, wodurch er nicht dermaßen der Welt entrückt wirkt wie sein kannibalenjagender Kollege. Egal wie gut Rust Cohle seinen Job als Detective in Louisiana ausführt, es bleibt immer genug Raum für mich als Zuschauer zum Mitraten. Dabei ist es irrelevant, ob der von Matthew McConaughey überragend gespielte, schrullige und bis zur Schmerzgrenze realistische Mordermittler in ausnahmslos jeder Situation das letzte Wort hat. Mit seinem wesentlich naiveren Kollegen Marty Hart, kongenial gemimt von Woody Harrelson, ist er im Jahr 1995 auf der Suche nach einem Killer, der die Bayous unsicher macht.

Die Musikuntermalung spielt bei Hannibal wie bei True Detective eine wichtige Rolle, wobei sie bei ersterer Serie eher unterstützend wirkt, wohingegen die Story um die beiden ungleichen Partner in den Südstaaten erst durch den wuchtigen Soundtrack zum perfekten Gesamtkunstwerk vervollständigt wird. Selten hat mich ein Vorspann so beeindruckt, dass ich ihn mir bei jeder Folge komplett und ohne Vorspulen angesehen habe. Auch was die Erzähltechnik anbelangt kann True Detective punkten. Durch die faszinierende Verbindung von Szenen aus der Vergangenheit und solchen aus dem Jetzt, in denen die Protagonisten über ihre gemeinsamen Erlebnisse berichten, ist der Zuschauer ständig gefordert und die Präsentation bleibt so abwechslungsreich, wie es eine lineare Erzählung niemals sein kann. Selbstverständlich wird diese Art, die Story zu inszenieren dadurch begünstigt, dass man sich bei True Detective im Gegensatz zu Hannibal für ein Anthologieformat und keine Fortsetzungsgeschichte entschied. Dies birgt den großen Nachteil, dass die Abenteuer von Rust und Marty am Ende der insgesamt 8 Folgen abgeschlossen ist und es in der zweiten Staffel kein Wiedersehen mit den beiden exzellenten Schauspielern geben wird – egal wie sehr ich dies bedauere. Getreu dem Motto „aufhören wenn es am Schönsten ist“, kann man dies freilich gleichermaßen als Stärke auslegen.

True Detective ist erfrischend anders als alle bisher dagewesenen Krimiserien, wenngleich viele bekannte Klischees und Stereotype bemüht werden. Der einsame und mit seinen inneren Dämonen kämpfende Ermittler, der in seiner karg eingerichteten Wohnung nur auf einer Matratze schläft, der starrköpfige und leicht erregbare Chef, der seinen Mitarbeitern keinen Glauben schenkt und eine Menge verdächtig aussehende Hinterwäldler sind nur einige Beispiele. Es ist der Fokus auf zwischenmenschliche Beziehungen, der das aus all den bewährten Dingen angeordnete Muster neu erscheinen lässt. Kombiniert mit messerscharf ausgefeilten Dialogen, einer Kameraführung, die insbesondere in den wenigen Actionszenen (eine davon 6 Minuten am Stück gefilmt!) ihresgleichen sucht und einem recht gemächlichem Erzähltempo ist True Detective in meinen Augen ein absolutes Muss für jeden Fan von extremen Ermittlungen sowie spannungsgeladener Fernsehunterhaltung und rangiert in meiner persönlichen Liste der Lieblings-TV-Serien schon jetzt ganz weit oben.

Obwohl die Detectives aus Louisiana für mich im Vergleich des möglicherweise Unvergleichlichen die Nase klar vorn haben, halte ich auch Hannibal wie eingangs bereits erwähnt für eine sehenswerte, jedoch nach er ersten Staffel (noch) nicht überragende TV-Serie. Dennoch bin ich gespannt, wie es mit dem Kannibalen und seinem begabten Kontrahenten weitergeht, zumal ich gelesen habe, dass einige meiner Lieblingscharaktere aus oben erwähntem Buch einen Auftritt haben werden.

Für Interessenten verlinke ich als Abschluss zu den Produktseiten der DVD-Boxen der jeweils ersten Staffeln von True Detective und Hannibal auf Amazon.co.uk.

Schlagkräftige Antihelden

Wie bedeutsam ein Ende für das Gesamterlebnis einer Geschichte sein kann, darüber sinnierte ich bereits an anderer Stelle (Link zum Artikel). So ist es gerade bei TV-Serien entscheidend, die ihre Zuschauer über mehrere Jahre unterhalten und mit zunehmender Länge immer mehr Erwartungen wecken, einen würdigen Abschluss zu finden. Wie dieser letztendlich vom Publikum aufgenommen wird, kann vollkommen unterschiedlich sein. Ich erörterte dies für mich vor einiger Zeit an den Beispielen Breaking Bad und Dexter (Link zum Artikel). Eine weitere, meiner Meinung nach von Anfang bis Ende rundum gelungene TV-Serie ist The Shield (Link zu IMDB). Gedreht von 2002 bis 2008, hat die mittlerweile abgeschlossene Erzählung um ein Team von dank ihrer brutalen Vorgehensweise äußerst effektiv arbeitenden Cops in Los Angeles schon ein paar Jahre auf dem Buckel, jedoch nichts an Realitätsnähe und Brisanz eingebüßt.

Da meine bevorstehende Kinopause dank der Fußballweltmeisterschaft bereits früher begonnen hat, nutzte ich die Gelegenheit, um die restlichen Staffeln von The Shield nachzuholen, welche ich aus diversen Gründen nicht zeitnah nach ihrem Erscheinen konsumierte. Ein Vorhaben, das sich schon lange in meinem Kopf manifestiert hatte und dem ich schon eher hätte nachgehen sollen.

Besonders reizvoll ist The Shield weil die TV-Serie weitgehend ohne echte Sympathieträger auskommt. Durch geschickte Plottwists, sowie das stetige Weiterentwickeln der Charaktere über ihre Tätigkeiten im Polizeirevier hinaus, gelingt es den Machern, dass man als Zuschauer hin- und hergerissen ist und am Ende doch immer mit der falschen Partei mitfiebert. „Falsch“ bedeutet in diesem Fall, dass man sich auf die Seite derer schlägt, die gegen das Gesetz und gegen jede Regeln handeln. All jene, die versuchen, auf legalen Wegen für Recht und Ordnung zu sorgen und sich darum bemühen, den schlagkräftigen Antihelden das Handwerk zu legen, werden nur allzu schnell als entbehrlich empfunden. Dass ihre Arbeit eigentlich die richtigere und wichtigere ist, wird meist erst klar, wenn es bereits zu spät ist. So verbleibt im Nachhinein eine Menge Stoff zum Nachdenken.

Die fähige Besetzung trägt einen großen Teil zum Erfolg von The Shield bei, allen voran Michael Chiklis als Vic Mackey, Anführer einer speziellen Anti-Gang-Einheit, des sogenannten „Strike Teams“. Gemeinsam mit seinen Kollegen Shane Vendrell (Walton Goggins), Curtis Lemansky (Kenneth Johnson) und Ronnie Gardocki (Davis Rees Snell) geht er unerbittlich gegen die Verbrecher im Bezirk Farmington vor. Dabei nutzen die prügelnden und bestechenden Cops ihre Aktionen nicht selten, um sich selbst diverse Vorteile zu verschaffen. Ihre Verbindungen zur Unterwelt sind zahlreich und dicht verwoben, weshalb sie bei beinahe jedem Erfolg darauf achten müssen, die dunklen Aspekte von dessen Entstehung unter den Tisch zu kehren. Bedingt durch die hohe Kriminalität im Bezirk und die großen Ambitionen der Führungsetage sind echte Gutmenschen auf dem Polizeirevier ohnehin eine Rarität, was die Machenschaften des Strike Teams begünstigt. Probleme wie Mobbing sind deshalb an der Tagesordnung. In 88 Episoden geraten Vic und alle um ihn herum immer tiefer in einen Strudel der Gewalt, der ab einem gewissen Zeitpunkt nicht einmal mehr vor ihren Privatleben Halt macht. Je mehr jeder um sich selbst bemüht ist, desto gefährlicher wird das Spiel, welches sämtliche Teilnehmer unaufhaltsam zu Gegnern werden lässt und auf ein Ende zuführt, bei dem nur der Gerissenste und Skrupelloseste überleben kann. Mehr sei zur Geschichte an dieser Stelle nicht verraten.

Eine große Stärke von The Shield ist die Einbindung von wechselnden Schauspielgrößen im Gesamtverlauf der Serie. In Staffel 4 übernimmt Glenn Close als Monica Rawling die Leitung über das Polizeirevier. Der bisherige Captain David Aceveda (Benito Martinez) widmet sich derweil ehrgeizig seiner aufstrebenden politischen Karriere. Dieser Wechsel bringt genau an der richtigen Stelle frischen Wind in das Konzept. Später brilliert Forest Whitaker für eineinhalb Staffeln als Lieutenant John Kavanaugh, einem Mitarbeiter der Dienstaufsicht, der eine Untersuchung gegen das Strike Team führt und Vic und seinen Machenschaften dabei dicht auf den Versen ist. Der Oscar-Preisträger beweist auch in dieser Rolle einmal mehr sein unglaubliches Talent.

Mit Handkameras gefilmte Szenen versetzen den Zuschauer mitten ins Geschehen. Kompromisslose Action und knallharte Dialoge tun ihr Übriges, um The Shield zu einem Fernseherlebnis werden zu lassen, das auf Zartbesaitete keine Rücksicht nimmt.

Fans von Sons of Anarchy (Link zu IMDB) sei gesagt, dass Kurt Sutter – Schöpfer der Saga um die Motorrad-Gang – zuvor tatkräftig an The Shield mitgearbeitet hat und in einer Folge sogar sein Regie- und Schauspieldebüt gab. Da die Abenteuer der anarchischen Rocker zwar außerhalb von Los Angeles, aber dennoch quasi in derselben Gegend spielen, kann man darüber hinaus einige Parallelen (z.B. Gangs) entdecken und ein paar der Schauspieler tauchen in beiden Serien in unterschiedlichen Rollen auf.

Allen, die The Shield noch nicht gesehen haben und deren Interesse nun geweckt wurde, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, sich Vic Mackeys Streifzüge durch die Straßen von L.A. anzusehen. Die TV-Serie ist momentan im Angebot von Amazon Prime Instant Video enthalten – wahlweise sogar auf Deutsch oder Englisch. Trotz einer Altersfreigabe ab 18 Jahren für einzelne Folgen wurden einige Stellen für Deutschland nachweislich geschnitten. Wer Kürzungen ebenso kritisch gegenübersteht wie ich sollte deshalb zur DVD-Box mit sämtlichen Folgen aller 7 Staffeln greifen, die mittlerweile recht preisgünstig zu erwerben ist (Link zur Produktseite auf Amazon.co.uk).

Im Ghetto ist die Hölle los

Über Sinn und Unsinn von Remakes kann man sich streiten. Ich persönlich habe nicht grundsätzlich etwas dagegen, wenn ein bestehender Film, der schon einige Jahre auf dem Buckel hat, einen neuen Anstrich verpasst bekommt, oder wenn ein bewährtes Konzept noch einmal hervorgeholt und mit neuen Ideen angereichert wird. Einer Neuauflage von Luc Bessons Ghettoganz (Banlieue 13, Link zu IMDB) aus dem Jahre 2004 hätte es nur zehn Jahre später zugegebenermaßen (noch) nicht unbedingt bedurft. Für Regisseur Camille Delamarre und sogar für Schöpfer und Drehbuchautor Luc Besson ist dies offenbar kein Grund gewesen, von einem solchen Projekt Abstand zu nehmen. Ganz im Gegenteil tritt das französische Multitalent bei Brick Mansions sogar erneut als Produzent auf.

Viel Arbeit hatte Herr Besson mit diesem Remake sicherlich nicht, wurde die Geschichte doch beinahe komplett bloß von Paris nach Detroit verlegt. Einzig zum Ende hin gibt es spürbare Veränderungen – vielleicht weil RZA trotz seinem Part als Gangsterboss Tremaine Alexander auch ein bisschen den Helden spielen wollte. Der größte Saubermann des Films wird vom kürzlich verstorbenen Paul Walker verkörpert, der sich als Detective Damien Collier in den vom Rest der Stadt abgeriegelten Armenbezirk Brick Mansions wagt, um eine gefährliche Bombe zu entschärfen. Jene ist in die Hände der in dieser nahen, dystopischen Zukunft dort regierenden Verbrecher geraten. Dem fähigen Polizisten kommt diese Gelegenheit gerade Recht, hat doch Anführer Tremaine seinen Vater umgebracht. Bemerkenswert ist, dass die zweite Hauptrolle an die selbe Person vergeben wurde wie im Original. So spielt David Belle erneut einen agilen Ghettobewohner mit großen Ambitionen, der sich auf die Seite von Damien schlägt und ihn bei seiner Suche nach der Massenvernichtungswaffe unterstützt. Die beiden mischen den Stadtteil, in dem keinerlei Gesetze außer dem Recht des Stärkeren gelten und es weder Polizeischutz noch Schulen gibt, gründlich auf und im Nu ist im Ghetto die Hölle los.

David Belle ist einer der Mitbegründer der spektakulären Fortbewegungsart Parkour. Dass er einer der besten Läufer seiner Zunft ist, kann man unschwer erkennen. Die Szenen, in denen er behände die unmöglichsten Hindernisse des heruntergekommenen Brick Manisons überwindet, das seinem Namen alle Ehre macht, sind die besten des Films. Schade, dass man – vermutlich um Paul Walker als bekennendem Liebhaber schneller Autos entgegenzukommen – den Fokus nicht erneut vollständig auf wilde Verfolgungsjagden zu Fuß legte. Hinzu kommt der unglaubliche Wankelmut, welchen fast alle Figuren über die gesamte Handlung hinweg an den Tag legen. Ihre Haltung zueinander ändern sie bisweilen buchstäblich in Sekundenschnelle. Dieses Gebaren raubt der Geschichte einiges an Charme und lässt sie sehr konstruiert wirken – insbesondere zum raschen Ende des mit 90 Minuten relativ kurz geratenen Actionfilms hin.

Ist Brick Mansions also aufgrund seiner nicht wenigen Schwächen ein völlig misslungenes Werk? Nein.

Wenn man als Zuschauer gewillt ist, sein Hirn einen Gang herunter zu schalten, und rasante Action mag, auch wenn sie mit Dialogen im B-Movie-Style daherkommt, dann sollte man Brick Mansions ruhig eine Chance geben. Dank dem unablässig pumpenden Soundtrack von Trevor Morris und etlichen sehr gut choreografierten Kampfszenen, die nie ganz und gar realitätsfremd wirken, birgt der Film ausreichend Unterhaltungspotenzial, um nicht als Reinfall gesehen zu werden. Manchmal muss es für ein wenig filmische Kurzweil schließlich nicht der ganz große Wurf sein und es genügt, wenn sich jeder mit jedem auf amüsante Art prügelt. Die große Leinwand braucht Brick Mansions nicht notwendigerweise, um seine Wirkung zu entfalten. Interessierte können deshalb getrost auf die Veröffentlichung fürs Heimkino warten und sich stattdessen eine Kinokarte für einen der großen Sommerblockbuster gönnen.

Für eine Handvoll Lacher

Mit dem Countdown zum baldigen Ende meiner Schwangerschaft läuft für mich gleichzeitig die verbleibende Restzeit bis zu einer voraussichtlich längeren Kinopause ab. Der Inhalt dieses Blogs wird deshalb sicherlich alleine aus diesem Grund in Zukunft wieder weniger eintöniger Natur sein. Ein paar Wochen verbleiben jedoch noch, und so nutzte ich die Gelegenheit, um mir Seth MacFarlanes neue Komödie anzusehen.

Mit dem sprechenden Plüschbären namens Ted (Link zu IMDB) gelang dem vielbegabten und in Hollywood äußerst umtriebigen Regisseur und Drehbuchautor vor zwei Jahren die Erschaffung einer echten Kultfigur. Kein Wunder, dass das sehr erwachsen agierende Spielzeug in absehbarer Zeit in einer Fortsetzung auf die große Leinwand zurückkehren wird. Zwischenzeitlich hat sich Seth MacFarlane ein gänzlich anderes Thema vorgenommen und möchte mit A Million Ways to Die in the West erneut einen Angriff auf die Lachmuskeln der Kinozuschauer starten. Leider vermag der Film die in den durchaus witzigen Trailern geschürten Erwartungen nicht zu erfüllen.

A Million Ways to Die in the West spielt, wie der Titel verrät, im Wilden Westen Amerikas, zur Zeit von Cowboys und Indianern. Als der Schaffarmer Albert (Seth MacFarlane) von seiner Freundin Louise (Amanda Seyfried) verlassen wird, bricht für ihn eine Welt zusammen. Alle Versuche, die Angebetete umzustimmen, versagen und treiben diese noch mehr in die Arme des reichen Schnurrbartfachgeschäftbesitzers Foy (Neil Patrick Harris). Nur sein bester Freund Edward (Giovanni Ribisi) hält Albert vorerst von der Flucht aus der staubigen Präriestadt Old Stump ab. Der schicksalsgeplagte Farmer hasst den Wilden Westen und wird derweil nicht müde über die millionenfachen Möglichkeiten zu referieren, in diesen gefährlichen Zeiten schnell und unerwartet den Tod zu finden. Eines Tages naht für den mittel- und erfolglosen Wollproduzenten mit dem losen Mundwerk Rettung in Form der schönen Anna (Charlize Theron). Die blonde Frau auf der Suche nach Abwechslung kann unglaublich schnell mit dem Revolver umgehen und willigt beherzt ein, Albert dabei zu helfen, Louise zu beweisen, dass sie einen schweren Fehler begangen hat. Dass Anna in Wirklichkeit die Frau von Clinch, dem schlimmsten Banditen in der Gegend, ist, ahnt der Schaffarmer selbstverständlich nicht.

Was als durchaus amüsantes Abenteuer mit schrulligen Charakteren und viel Liebe zu Details und Klischees beginnt, wandelt sich im Laufe von insgesamt 116 Minuten rasch zu einem repetitiven Abarbeiten immer gleicher Gags. Dabei driftet A Million Ways to Die in the West immer weiter von seinem Titelthema ab. Die Anzahl der eingestreuten Szenen, in denen jemand – als Beweis für Alberts ständiges Lamentieren über die katastrophalen Zustände in Old Stump und die mannigfaltigen Sicherheitsrisiken – plötzlich, brutal und auf aberwitzige Weise stirbt, ist relativ gering. Zusätzlich wurden nahezu alle bereits in den Vorschauen verraten. Die verbleibenden guten Ideen, wie die von dem frommen Freudenmädchen Ruth (Sarah Silverman), das im Saloon hart arbeitet und gleichzeitig ihrem Freund die körperliche Liebe vor der Hochzeit verwehrt, sind rar, werden schier unendlich wiederholt und bis ins Letzte ausgeschlachtet. Was bleibt ist primitiver Pennäler-Humor, der anhaltend und heftig unter die Gürtellinie zielt. Das Versagen dieses Konzepts hat nichts mit dem individuellen Maß an Prüderie zu tun. Das Problem von Witzen über männliche und weibliche Körperteile sowie menschliche Körpersekrete ist, dass es bei ihnen extrem auf die Dosierung ankommt. Bei Dauerbeschallung stumpfen die Zuschauer – ganz unabhängig von ihrer Schmerzgrenze – schnell ab. Wo Ted den Spagat zwischen derbem Humor und charmanten Scherzen mühelos schaffte, versagt A Million Ways to Die in the West schlichtweg.

Am wenigsten können die Schauspieler dafür, dass die storytechnisch sehr bemüht wirkende Westernkomödie nicht zünden will. Die namhafte Besetzung gibt ihr Bestes und zeigt durchweg erstaunlich wenig Angst vor der Lächerlichkeit. Es wird geprügelt, geschossen, gesungen und getanzt – ganz wie es sich für den Wilden Westen gehört. Bloß kann das Schnurrbartlied einfach nicht mit dem Donnersong mithalten und auch die paar durchaus gelungenen, direkten Anspielungen auf andere Filme können das Blatt nicht wenden. Es ist auch nicht so, dass A Million Ways to Die in the West überhaupt keine lustigen Momente enthält. Nur sind es eben nicht genug. Für eine Handvoll Lacher rentiert sich der Preis für die Kinokarte in Anbetracht des derzeit vorherrschenden Überangebots an Blockbustern nicht.

Bleibt nur zu hoffen, dass Seth MacFarlane bei Ted 2 wieder ein besseres Händchen für den richtigen Mix an verschiedenartigen Gags beweisen wird.  Liebhaber von schrägem Klamauk gedulden sich, bis die Farrelly-Brüder Jim Carrey und Jeff Daniels in Dumb and Dumber To (Link zu IMDB) Anfang kommenden Jahres wieder als Lloyd und Harry loslassen.

König der Monster

Von Zeit zu Zeit entdeckt Hollywood den Reiz und den Charme von Monsterfilmen für sich neu. In Japan haben Riesenungeheuer (jap. Kajiū) hingegen eine lange Tradition und immer Saison. Das wohl berühmteste von ihnen ist Godzilla (jap. Gojira). Seit seiner Schöpfung vor 60 Jahren erfreut sich der König der Monster auch außerhalb Japans extremer Beliebtheit. Sogar ein Stern auf dem Walk of Fame wurde ihm bereits gewidmet. Im Jahre der Zeit hat die gigantische, aufrecht gehende Echse allerlei Nachahmer und Verehrer auf den Plan gerufen. 1998 versuchte sich Roland Emmerich am ersten, außerhalb Japans produzierten Godzilla-Film. Visuell zwar zum Erscheinungstermin auf dem neuesten Stand und mit allerlei Szenen ausgestattet, in denen der Regisseur seiner Leidenschaft für die imposant arrangierte Zerstörungswut freien Lauf ließ, fand das modernisierte Aussehen von Godzilla nicht überall Anklang, vornehmlich bei den eingefleischten Fans des Klassikers. Einen gänzlich anderen Ansatz wählte jüngst Guillermo del Toro, der sich mit seinem Actionspektakel Pacific Rim tief vor dem gesamten Kaiju-Genre verneigte. (Links in diesem Absatz zu IMDB.)

Zurück zu den Wurzeln. So lautet das Motto von Gareth Edwards, dem Inszenator von Godzillas neuestem Leinwandabenteuer. Seine große Liebe zum Original ist dabei von der ersten bis zur letzten Sekunde deutlich erkennbar und offenbart sich nicht nur im Monsterdesign. Die mit viel Ruhe erzählte Geschichte von Godzilla kommt mit wenigen Hauptcharakteren aus. Besonders Bryan Cranston brilliert einmal mehr mit seinem schier unerschöpflichen, schauspielerischen Talent. Wenngleich sein Auftritt verhältnismäßig kurz ist, mimt er den Familienvater Joe Brody, der sich auf einer verzweifelten Suche nach der Wahrheit befindet, mit extremer Eindringlichkeit und macht dessen Hysterie und Angst spürbar. Aaron Taylor-Johnson gibt sich als sein Sohn, Ford Brody, redlich Mühe, lässt als Charakterdarsteller allerdings einige Schwächen erkennen, vor allem in der Interpretation unterschiedlicher Gefühlsregungen. Sehr routiniert spielt Ken Watanabe seinen Part als Wissenschaftler und Godzilla-Experte Dr. Ichiro Serizawa. Dass er nicht mehr von seinem Talent zeigen kann, liegt nicht an ihm, sondern in der Konzentration des Films auf die Konsequenzen für die Masse und nicht für den Einzelnen.

Es gibt einiges, was Godzilla nicht ist. Dieses Werk ist kein Monsterfilm im eigentlichen Sinne. Es entpuppt sich vielmehr als waschechter Katastrophenfilm, garniert mit Riesenungeheuern. Diese überdimensionierten Launen der Natur setzen auf ihrem Weg zum alles entscheidenden Endkampf folgenschwere Ereignisse in Gang, welche verheerende Auswirkungen für die Menschheit haben. Dabei werden sie nicht einmal als absolut böse und niederträchtig dargestellt. Sie folgen einfach ihren Instinkten. Die zum Zuschauen gezwungenen Menschen können nichts weiter tun, als fieberhaft nach Mitteln zu suchen, um möglichst viele Exemplare der eigenen Art rechtzeitig in Sicherheit zu bringen und vor der unabwendbaren, ultimativen Zerstörung zu retten. Der Ansatz, die Motivation der Monster nicht als intrinsisch offensiv abzustempeln, ist ein erfrischender Gegensatz zu den sonst so oft genutzten Schwarz-Weiß-Mustern. Endlich darf der Zuschauer wieder Verständnis für alle Seiten aufbringen und sich mit dem sich daraus ergebenden Gewissenskonflikt auseinandersetzen. Wie im Original stehen die Ungeheuer darüber hinaus für wesentlich mehr als für allein wegen ihrer Größe zerstörerische Kolosse. Eine Menge Anspielungen auf reale Katastrophen der letzten Jahre und nicht nur unterschwellig integrierte Atomkraft-Kritik veranschaulichen die mutige Botschaft, dass die Menschheit zur Selbstüberschätzung neigt und niemals die vollständige Herrschaft über die Natur erlangen wird. An intensiven, düsteren und nachdenklichen Momenten mangelt es dem Film daher nicht.

Godzilla ist außerdem kein Non-Stop-Actionfeuerwerk. Der Weg ist das Ziel. So werden die monströsen Kombattanten von der Handlung die meiste Zeit über auf ihrer Reise zum endgültigen Treffpunkt begleitet. Verglichen mit Pacific Rim bietet Godzilla deshalb wenig „echte“ Monsteraction. Die finale Schlacht ist quasi als Sahnehäubchen auf beeindruckenden Katastrophenszenen zu sehen. Entsprechend spärlich ist der Anteil der Spielzeit von etwas mehr als zwei Stunden, welche auf den König der Monster selbst entfällt. Dafür orientiert sich sein Erscheinungsbild wieder eindeutig mehr an dem seines japanischen Urahnen als in Roland Emmerichs Film. Fans freuen sich außerdem über sein wirklich gelungenes und majestätisch anmutendes Gebrüll. Über das eigenwillige Design des Gegenparts kann man streiten. Um die Handlung und deren Inhalte in den Vordergrund zu rücken, wählten die Macher offenbar absichtlich keinen bekannten Godzilla-Gegner, sondern erfanden ein neues Kaiju. Hier haben Guillermo del Toro und sein Team bessere Arbeit geleistet, als sie die Feinde für die Jaeger in Pacific Rim entwarfen. Nichtsdestotrotz wirkt der sogenannte M.U.T.O. (massiver unbekannter terrestrischer Organismus) bedrohlich und ernstzunehmend genug, um zum Schluss einen würdigen Kontrahenten für Godzilla abzugeben.

Trotz aller Kritikpunkte ist Godzilla ein sehr gelungener Neustart für den Monsterkönig. In beeindruckenden Bildern und mit viel Gefühl erzählt, mit einem bombastischen Soundtrack hinterlegt und nahe am Erbe des Originals hat Gareth Edwards ein monumentales Abenteuer geschaffen, das seine Wirkung im dunklen Kinosaal und auf der großen Leinwand vollständig zu entfalten vermag.

Vergängliche Zukunft

Verschiedene Heldenteams, verschiedene Zeiten, verschiedene Filmstudios. So kontinuierlich sich Comic-Charaktere aus dem Hause Marvel in mehr oder minder regelmäßigen Abständen im Kino farbenfrohe und effektstrotzende Schlachten liefern, so zerfasert ist das stetig wachsende Filmuniversum mittlerweile. Geschuldet ist dies vor allem der wirren Verteilung der Rechte durch Lizenzgeber Marvel quer über die größten Studios Hollywoods. Nachdem Disney mit The Return of the First Avenger (Captain America: The Winter Soldier) und Sony mit The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro (The Amazing Spider-Man 2) in den letzten Monaten kräftig vorgelegt haben, ist nun 20th Century Fox mit dem neuesten Mutantenabenteuer X-Men: Zukunft ist Vergangenheit (X-Men: Days of Future Past) an der Reihe, den Bedarf der nach Heldengeschichten dürstenden Fans zu decken. Schließlich sind es Superheldenfilme, die wie kaum ein anderes Blockbuster-Genre auf spielerische Art zu unterhalten wissen und daher von Groß und Klein gleichermaßen geliebt werden.

Nach der von Regisseur Bryan Singer im Jahr 2000 äußerst erfolgreich gestarteten X-Men-Trilogie, bestehend aus X-Men, X-Men 2 (X2, 2003) und X-Men – Der letzte Widerstand (X-Men: The Last Stand, 2006), entschied man sich 2011 für den filmischen Neustart der Reihe mit X-Men: Erste Entscheidung (X-Men: First Class) für ein Prequel. Eingeführt wurde ein verjüngtes und in der Vergangenheit tätiges Mutantenteam um James McAvoy als Professor X, das nun in X-Men: Zukunft ist Vergangenheit seinen zweiten Einsatz hat. Der Clou: der neueste X-Men-Film ist nicht nur eine Fortsetzung, sondern auch in mehrfacher Hinsicht ein Comeback. So findet Bryan Singer den Weg zurück in den Regiestuhl und altbekannte Gesichter aus den ersten Filmen füllen erneut die Leinwand. Dies freut insbesondere all diejenigen, die  sich mit den in Jahren und Taten unerfahrenen X-Men bisher noch nicht richtig anfreunden konnten.

Große Namen prangen auf den Plakaten zu X-Men: Zukunft ist Vergangenheit gleich an mehreren Stellen, denn die Liste der bekannten Schauspieler ist lang und schon der Titel weckt bei Comicfans eine Menge Erwartungen. Wie schon X-Men: Erste Entscheidung basiert allerdings auch X-Men: Zukunft ist Vergangenheit nur sehr lose auf seiner gezeichneten Vorlage. Wer eine 1:1 Umsetzung erwartet, wird enttäuscht. Dennoch merkt man den Drehbuchautoren Simon Kinberg, Matthew Vaughn (Regisseur von X-Men: Erste Entscheidung) und Jane Goldman die Liebe zu den Figuren und ihren Abenteuern auf dem Papier an.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit spielt mit der Idee der in Comics äußerst beliebten Paralleluniversen und verschiedenen Realitäten. So ist es der Professor X aus einer düsteren Zukunftsversion der Erde (Patrick Stewart), der verzweifelt nach einer Möglichkeit sucht, einen alles vernichtenden Krieg gegen Mutanten und Menschen zu verhindern – und zwar bevor dieser überhaupt begonnen hat. Um sein jüngeres Ich rechtzeitig auf den richtigen Weg zu bringen, schickt er den Geist von Wolverine (Hugh Jackman) mithilfe der phasenverschiebenden Kräfte von Shadowcat (Ellen Page) in die Vergangenheit. Dessen nicht-alternder und selbstheilender Körper ist für die Strapazen der Zeitreise am besten geeignet (anders als in der Vorlage, in der Kitty Pride selbst zeitreist). 2023 im letzten Gefecht Seite an Seite vereint, stehen sich Professor X (James McAvoy) und Magneto (Michael Fassbender) 50 Jahre zuvor als Erzfeinde gegenüber. Dem von Natur aus aufbrausenden und ungeduldigen Wolverine werden somit gleich mehrere, wichtige Aufgaben zuteil. Er muss einen in Selbstmitleid zerfließenden und ganz und gar nicht an Heldentaten interessierten Charles E. Xavier davon überzeugen, sich aufzuraffen und die Welt zu retten, den in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebrachten Magneto befreien und die beiden Streithähne dazu bringen, zusammenzuarbeiten. Nur mit vereinten Kräften, so die Meinung ihrer Alter Egos in der Zukunft, können sie den Start des sogenannten Sentinel-Programms stoppen. Es sind nämlich jene waffenstrotzenden Riesenroboter, die für die Vernichtung nahezu der gesamten Erdbevölkerung verantwortlich sein werden. Die Bedeutung der Redensart „erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“ wird Wolverine bei seiner Zeitreise nur allzu schnell klar.

Das große Produktionsbudget merkt man X-Men: Zukunft ist Vergangenheit sofort an. Hier wird an allen Ecken und Enden geklotzt und nicht gekleckert. Die Spezialeffekte sind großartig umgesetzt und entfalten ihre Wirkung vor allem in den in 3D deutlich erkennbaren, winzigen Details. Superheldenschlachten werden diffizil ausgestaltet und zelebriert. Dabei schöpfen die Macher aus den Vollen und verhelfen einer Menge neuer Charaktere zu mehr oder weniger langen Auftritten. Die Mutanten Bishop (Omary Sy), Quicksilver (Evan Peters), und Blink (Fan Bingbing) sind nur ein paar Beispiele. Zuschauern, die mit der Welt der X-Men weniger vertraut sind, dürfte es deshalb schwer fallen, sämtliche Feinheiten zu erfassen. Fans freuen sich an unzähligen kleinen Anspielungen dafür umso mehr. Die rasant und fast ohne größere Verschnaufpausen erzählte Geschichte bildet eine geschickte Brücke zwischen den zuvor eher nebeneinanderher existierenden X-Men-Gruppen aus zwei Zeiten. Dass sie quasi auch als Abschied der „alten“ X-Men gesehen werden kann, stimmt jeden traurig, der sich fragt, wann James MyAvoy endlich seine langen Haare lässt und ob er mit Glatze wenigstens etwas mehr wie der Professor X aus den Comics wirkt. Patrick Stewart ist diese Rolle schon allein wegen seines Aussehens auf den Leib geschneidert.

Das überzeugendste Mitglied der jungen Mutantenversionen ist Michael Fassender als Magneto. Mühelos geht er in der Rolle des Superschurken auf und lässt diesen trotz vorhersehbarer Charakterentwicklung facettenreich wirken. Herrlich fies und gerissen wirkt auch Peter Dinklage als Erfinder der Sentinels, Bolivar Trask. Dass kein Anderer für den Part des Wolverine besser in Frage käme, als Hugh Jackman, steht schon lange und nicht erst seit seinen Soloauftritten im Kino außer Zweifel. Sehr talentiert zeigt sich außerdem Jennifer Lawrence, die zum zweiten Mal als Mystique zu sehen ist. Für eine äußerst positive Überraschung sorgt Evan Peters. Seine Interpretation des blitzschnellen Mutanten Quicksilver ist extrem charmant und die Szenen mit ihm gehören zu den besten des gesamten Films. Für den nächsten Avengers-Streifen The Avengers 2: Age of Ultron (geplanter Kinostart: 2015) bleibt in Anbetracht dessen nur zu hoffen, dass Aaron Taylor-Johnson die ältere Version dieser Figur ebenso gekonnt verkörpern und dass das Regieteam den Einsatz seiner Kräfte in ähnlich beeindruckenden Bildern umsetzen wird. An der Notwendigkeit, dass für zwei Filme zwei Schauspieler für eine einzige Figur zu benötigt werden, zeigt sich die eingangs bereits erwähnte, größte Schwäche des Marvel-Filmuniversums. Unterschiedliche Zeitlinien und unterschiedliche Filmstudios lassen von Fans heiß ersehnte Crossovers und Team-Ups nicht zu – zumindest bisher.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit übertrifft seinen Vorgänger in Sachen Unterhaltsamkeit, Effekte und „echtes“ X-Men-Gefühl meilenweit. Bryan Singers Handschrift ist deutlich zu spüren. Als „Meister der Mutanten“ schafft er den nicht unanspruchsvollen Spagat zwischen zwei Zeitgefügen und rückt die verschieden alten Ausführungen der Charaktere näher zueinander. Obschon ein wirklich gelungener und definitiv sehenswerter Superheldenfilm, verbleibt am Ende das Gefühl, dass in der Fortsetzung X-Men: Apocalypse (geplanter Kinostart: 2016) noch einiges getan werden muss, um die neue Truppe ähnlich routiniert und glaubwürdig aussehen zu lassen, wie Patrick Stewart, Ian McKellen und den Rest der Ur-Film-X-Men, deren Kinozukunft, mit Ausnahme der von Wolverine, vorerst so vergänglich ist, wie in der Handlung von X-Men: Zukunft ist Vergangenheit.

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Leben am Zeitlimit

Wer sich bei 3 Days to Kill, dem neuesten Leinwandabenteuer mit Hollywoodveteran Kevin Costner in der Hauptrolle, die Liste der Beteiligten ansieht, könnte eine gewisse Erwartungshaltung einnehmen. Auf den ersten Blick lässt die Kombination aus Regisseur McG und Drehbuchautor und Produzent Luc Besson durchaus auf ein gewaltiges Actionfeuerwerk hoffen. Doch bereits der zweite Trailer vermittelte, dass bei 3 Days to Kill neben handfesten Handgemengen und Shootouts der Humor ebenfalls nicht zu kurz kommt.

Die Geschichte um den an einer aggressiven Krebsform erkrankten CIA-Agenten Ethan Renner (Kevin Costner), der nach der niederschmetternden Diagnose in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wird, kann nicht mit innovativen Ideen bestechen. Dem Vater einer Tochter (Hailee Steinfeld), die weitgehend ohne seine Anwesenheit aufwuchs, bleiben nur wenige Monate, um die während ständiger Einsätze in geheimer Mission versäumte Zeit mit seiner Familie aufzuholen. Als ihn die mysteriöse Agentin Vivi Delay (Amber Heard) bereits kurz nach seinem Eintreffen in Paris mit dem Versprechen auf ein experimentelles Medikament zur Verlängerung seiner Lebenszeit reaktiviert, beginnt eine rasante Hetzjagd auf einen gefährlichen Waffenhändler (Richard Sammel), der unter dem Namen „Der Wolf“ bekannt ist und nur von Ethan identifiziert werden kann. Vollprofi im Ausführen von Befehlen und Töten, jedoch völlig unerfahren in Familienangelegenheiten, muss der betagte aber wehrhafte Agent versuchen, alle Herausforderungen unter einen Hut zu bringen – und dabei nicht noch früher als ohnehin durch seine Erkrankung drohend sein Leben zu lassen.

Trotz des immanenten Gefühls des Bekannten und etlichen zu langatmigen und kitschigen Momenten, birgt die Mischung aus Elementen, welche quer durch das Actionfilmgenre bereits Verwendung gefunden haben, ein nicht zu vernachlässigendes Unterhaltungspotenzial. Hier und da hätten McG und Luc Besson noch eine Schippe drauflegen können, vor allem im Hinblick auf die Feuergefechte. Ethan Renners Leben am Zeitlimit wird mit seinem ständigen Wechsel aus komödiantischen Szenen und gut gemachter Action über die gesamten 117 Minuten Film allerdings nie langweilig.

In Kombination mit einem gut aufgelegten und erstaunlich viel Selbstironie beweisenden Hauptdarsteller, der von einer großen Anzahl ebenso motivierter Kollegen – darunter Connie Nielsen als Ethans Exfrau Christine Renner und Tómas Lemarquis als kahlköpfiger Verbrecher „Der Albino“ – unterstützt wird, ergibt sich am Ende eine solide Actionkomödie. 3 Days to Kill bietet einerseits weder Explosionen noch Schenkelklopfer am laufenden Band, ist andererseits doch weit von einem filmischen Totalausfall entfernt. Ungeachtet aller vernichtenden Kritiken ist es der Film allemal wert, gesehen zu werden.

Deus ex Machina

Mysteriös und geheimnisvoll, so gab man sich im ersten Trailer zu Transcendence, dem Regiedebüt von Christopher Nolans Stammkameramann Wally Pfister. Bloß nicht zu viel verraten schien die Devise zu sein. Also beschränkte man sich auf den allseits beliebten Johnny Depp, dessen Stimme und eine bedrohliche Einblendung, in welcher dem Darsteller Kabel aus dem Kopf wuchsen. Auch auf sämtlichen anderen Werbemitteln zum Film prangte das Konterfei des erfolgreichen Schauspielers als Hauptargument. Keine schlechte Strategie, denn verbunden mit den Erinnerungen an die von Herrn Pfister in seiner Laufbahn eingefangenen, berauschenden Bilderwelten werden auf diese Weise Erwartungen an einen interessanten und neuartigen Science-Fiction-Film geweckt. Umso überraschender ist das Endergebnis, das weder mit einer besonders innovativen Geschichte noch mit der Schauspielkunst von Johnny Depp glänzen kann.

Transcendence handelt von dem genialen Wissenschaftler Dr. Will Caster (Johnny Depp), der überzeugt davon ist, eine künstliche Intelligenz schaffen zu können, die der menschlichen weit überlegen ist und die Welt in eine neue, paradiesische Ära des Wohlstands und des Friedens führen kann. Nach einem Attentat schwer verletzt und im Sterben liegend willigt er ein, dass seine Frau und Mitvisionärin Evelyn Caster (Rebecca Hall) versuchen darf sein Gedächtnis unter Mithilfe seines besten Freundes Max Waters (Paul Bettany) in einen von ihm entwickelten Superrechner zu transferieren. Das Experiment gelingt und Will verwirklicht damit nicht nur seinen Lebenstraum, sondern wird gleichzeitig zum mächtigen Gott aus der Maschine. Als der beginnt, sich dank Internet über den Globus zu bewegen und Pläne für die Umgestaltung der Welt zu schmieden, setzt eine Gruppe von Technologiekritikern unter der Führung der hübschen und intelligenten Bree (Kate Mara) alles daran ihn zu stoppen.
Die Idee von sich verselbständigenden Supercomputern, welche ihre unglaublichen Fähigkeiten dazu nutzen die Menschheit zu beeinflussen und neu zu formen, wurde schon in zahlreichen anderen Werken und in diversen Variationen durchgekaut. Die Einspeisung eines menschlichen Geistes in ein solches System ergänzt das beliebte Konzept höchstens um eine Nuance. Generell wirkt die zu großen Teilen in ruhigem Tempo erzählte und von Jack Paglen geschriebene Handlung von Transcendence eher lose zusammengestückelt und extrem konstruiert denn gut durchdacht. Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich dem geneigten Science-Fiction-Fan unzählige Logiklücken. Zu oft drängt sich die Frage nach dem Wieso auf.

Doch selbst wenn man alle erzählerischen Schwächen beiseite lässt, schafft es der Film nicht, sich über das Mittelmaß hinaus zu bewegen. Zu blass und unauffällig wirkt die im Voraus groß herausgestellte Galionsfigur Johnny Depp. Zu zögerlich und gleichzeitig blauäugig Rebecca Hall als seine vor Liebe blinde Komplizin. Selbst die schauspielerische Leistung von Kate Mara hält sich sehr in Grenzen, obwohl sie in der TV-Serie House of Cards (Link zu IMDB) ihr Können bereits bewiesen hat. Morgan Freeman geht in seiner Rolle als Computerspezialist Joseph Tagger als stichwortgebende Randfigur unter und Cillian Murphy stolpert als FBI-Agent Buchanan völlig unbeholfen durch die Szenerie. Aus der Masse herauszuragen und seinen Charakter durchweg glaubhaft und mit spürbarem Spaß zu verkörpern gelingt einzig und allein Paul Bettany.

Da helfen auch all die in ihrer klinisch-reinen Einfachheit bedrückend wirkenden Laborkulissen, die in regelmäßigen Abständen eingestreuten, symbolbehafteten Bilder und durchweg gut gemachten Spezialeffekte nichts. Wally Pfister mag ein exzellenter Kameramann sein, seine erste Arbeit als Regisseur hätte allerdings einen ausdifferenzierteren und ideenreicheren Entwurf des wortwörtlichen Deus ex Machina präsentieren müssen, um tatsächlich überzeugen zu können. So ist Transcendence zwar optisch gelungen und reißt in 119 Minuten zweifellos etliche kritische Untertöne an, führt jedoch keinen der vielen verarbeiteten Ideenschnipsel konsequent zu Ende. Die Ambitionen der Macher waren sicher groß, die Umsetzung wird diesem Anspruch leider nicht gerecht.

Elektrisierende Kletterpartie

Über Sinn und Unsinn von Remakes und Reboots wird unter Kritikern und Cineasten allerorts heftig und kontrovers diskutiert. Selten hat ein filmischer Neustart allerdings so viel Spaß gemacht, wie bei Marvels wandkrabbelndem Helden im hautengen, rot-blauen Anzug. Nach Abschluss von Sam Raimis Spider-Man-Trilogie entschied man sich bei Sony aus diversen Gründen anstelle einer Erweiterung der Serie dafür, den Vorhang fallen zu lassen und im Jahr 2012 unter dem Titel The Amazing Spider-Man (Link zu IMDB) ganz neu aufzuziehen. Wie sich – entgegen aller anfänglichen Zweifel – herausstellte, war dies genau der richtige Ansatz. Überschlugen sich in Spider-Man 3 (Link zu IMDB) noch die Ereignisse und versuchten die Macher krampfhaft, möglichst viel Inhalt in etwas mehr als 2 Stunden Film zu quetschen, besannen sich die neuen Drehbuchautoren zurück auf das Wesentliche: Ein Held und dessen Entwicklung plus ein klassischer Hauptgegner. Darüber hinaus wurden die Netzdrüsen eliminiert. Jene waren Spider-Fans bereits ab dem ersten Kinoauftritt des Netzschwingers ein Dorn im Auge. Der neue, jüngere Spider-Man hatte endlich Netzdüsen!

Nach dem rundum gelungenen ersten Teil, der den Spinnenmann wieder näher an die Comicvorlage rückte, waren die Erwartungen an die Fortsetzung entsprechend hoch. Skepsis schürten jedoch die Trailer zu The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro (The Amazing Spider-Man 2), enthielten sie schließlich Hinweise auf drei verschiedene Feinde. Obwohl im Film neben dem titelgebenden Meister der Elektrizität auch der Green Goblin und Rhino vorkommen, schaffen es Roberto Orci und Alex Kurtzman die Geschichte so zu konstruieren, dass sie keine wilden Kapriolen schlägt und Electro nie aus dem Fokus gerät. Die restlichen Figuren werden nicht mutwillig verheizt, sondern parallel entwickelt und aufgebaut. Anders als im Vorhinein suggeriert, spielt der Mann im mechanischen Nashornanzug lediglich eine sehr untergeordnete Rolle und auch die Einführung von Harry Osborn und dessen Wandlung zum Grünen Kobold auf dem Fluggleiter vollzieht sich so, dass sie dem Gewicht und der Bedrohlichkeit des blauhäutigen Blitzverteilers nicht schadet. Geschickt ist auch die Darstellung von Electro als gebeutelte und nicht von Natur aus bösartige Existenz – eine erfrischende Abwechslung zu den üblichen intrinsischen Weltherrschaftsfantasien von Superfeinden.

Zu der nicht zu schnell, nicht zu langsam und in atemberaubenden 3D-Bildern erzählten Geschichte, die sogar genügend Raum lässt, um Peter Parkers nicht gerade unproblematisches Privatleben zu beleuchten, kommen Darsteller, die ihre Rollen allesamt sichtlich genießen. Andrew Garfield verkörpert die typischen Eigenschaften des wendigen, vorlauten und nie um einen schlagfertigen Spruch verlegenen Spider-Man so viel stärker, als es Tobey Maguire jemals gelungen ist. Mit Emma Stone als Gwen Stacy begehrt er jene Frau, die auch in den Comics seine erste große Liebe ist. Zuhause gibt sich seine Tante May, gespielt von Sally Field, alle Mühe, die Gedanken ihres Schützlings zu verstehen und ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die Figur von Dane DeHaan als Harry Osborn und Peters Freund aus Kindertagen wirkt im ersten Augenblick etwas aus dem Zusammenhang gerissen, entwickelt sich aber schnell zu einer sinnvollen Ergänzung des Gesamtkonzepts und einem guten Ansatz für die beiden bereits geplanten Fortsetzungen zu The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro. Die meiste Zeit des Films über macht Jamie Foxx als Electro dem Netzschwinger das Leben schwer. Dass sein Aussehen an das aus dem Ultimativen Marvel Comicuniversum angelehnt ist, passt gut zu der jungen Version des Helden und entfaltet dank Computerunterstützung optimal seine Wirkung. Der Endkampf zwischen den beiden Kontrahenten ist so gekonnt animiert, dass er wahrhaftig wirkt, als seien Bilder aus einem Comicheft zum Leben erweckt worden.

Überhaupt verbreitet die in The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro von Regisseur Marc Webb und seinem Team präsentierte Action durchweg pures Superheldenflair. Die zwischendurch eingestreuten, langsamen und romantischen Szenen sind zwar präsent und für den Fortgang der Geschichte durchaus von Bedeutung, werden jedoch nicht unnötig in die Länge gezogen. Etliche Anspielungen auf weitere Charaktere und Hinweise auf die zukünftigen Leinwandabenteuer von Spider-Man und ein Ende, das als langersehnte Hommage an die Vorlage gesehen werden kann, vollenden den Film zu einer elektrisierenden Kletterpartie, die das Potenzial hat, sowohl Comicleser als auch reine Kinogänger zufriedenzustellen. Mit Kamerafahrten, die Bauchkribbeln auslösen, einem coolen Helden und interessanten Gegenspielern ist The Amazing Spider-Man: Rise of Electro den Preis für die Eintrittskarte ins nächstgelegene Filmtheater wert.

In den Straßen von London

TV-Serien, die in ihrem Verlauf immer besser werden und zusätzlich aus anfänglichen Fehlern lernen, sind rar gesät. Die von der BBC produzierte Fortsetzungsgeschichte um den hochintelligenten John Luther gehört zu diesen seltenen Exemplaren. Im Laufe von insgesamt drei jeweils kurzen Staffeln wird der mit unkonventionellen Methoden arbeitende Detective Chief Inspector (DCI) mit allerlei bizarren Mordfällen konfrontiert. Bei der Präsentation der Verbrechen gehen die Macher rund um Erfinder Neil Cross dabei wenig zimperlich vor. Stilistisch bedienen sie sich querbeet durch das Thriller- und Horror-Genre. Zuschauer mit schwachen Nerven gehören deshalb sicherlich nicht zur Zielgruppe der spannungsgeladenen TV-Serie.

Dass Iris Elbas schauspielerische Fähigkeiten weit über dem liegen, was im Allgemeinen als talentiert bezeichnet wird, hat er bereits eindrucksvoll in seiner Rolle als Russel „Stringer“ Bell, die rechte Hand eines Baltimorer Drogenbosses, in den fünf Staffeln von The Wire (Link zu Wikipedia) bewiesen. Die Figur des eigenbrötlerischen, mit privaten Problemen behafteten und sich um Regeln wenig scherenden John Luther ist ihm wie auf den Leib geschneidert. Als Hauptfigur der TV-Serie trägt er wesentlich zu deren Gelingen bei. In den ersten Episoden noch als etwas zu übermächtig und allwissend eingeführt, gerät der findige DCI glücklicherweise bald an seine Grenzen und wird spätestens ab er zweiten Hälfte der ersten Staffel mit ebenbürtigen Gegnern konfrontiert, die er nicht mehr auf den ersten Blick durchschaut. Stark präsentiert sich an seiner Seite Warren Brown als Detective Sergeant Justin Ripley. Der junge, engagierte Ermittler fungiert als sympathischer Teampartner für seinen mürrischen und sturen Kollegen. Zusätzlich auf Trab gehalten wird Luther durch die in mehrfacher Hinsicht begabte Alice Morgan, geschickt gespielt von Ruth Wilson.

Luther ist allerdings nicht nur wegen der exzellent ausgewählten Besetzung und den spannenden Mordfällen, für die sich im Laufe der Serie positiverweise immer mehr Zeit genommen wird, sehenswert. Es ist der durch geschicktes Framing erzeugte Look, der jeder Folge eine einzigartige Atmosphäre verleiht. Ungewöhnliche Kameraperspektiven und Bildausschnitte sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Im ersten Moment unter Umständen etwas gewöhnungsbedürftig, sind es jedoch genau diese Aufnahmen, welche die dunkle Seite der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs so greifbar machen.

Mit insgesamt 14 Folgen verteilt auf 3 Staffeln ist Luther für Serienfans ein relativ kurzes Vergnügen. Ob und wie es weitergeht ist bisher nicht eindeutig bekannt. Gerüchte besagen, dass eine Fortsetzung in Form eines Films in Planung sein könnte. Eine vierte Staffel soll es laut Neil Cross allerdings nicht geben. Ob es ein Nachteil ist, eine beim Publikum beliebte und von Kritikern gefeierte TV-Serie so kurzfristig zu beenden, sei dahingestellt. Um sich vor Enttäuschungen zu schützen, sollte man sollte bekanntlich immer gerade dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Ich persönlich würde mich freuen, wenn DCI John Luther eines Tages zurückkehren würde, um in den Straßen von London für Recht und Ordnung zu sorgen. Die Form wäre mir egal. Prinzipiell ist das Format durchaus für einen Film geeignet.

Wer Luther noch nicht gesehen hat und jetzt neugierig geworden ist, dem möchte ich den Kauf des Boxsets (Link zur Produktseite auf Amazon.co.uk) mit allen Episoden empfehlen. Wie immer lege ich jedem, der der englischen Sprache mächtig ist, die Originalversion ans Herz. Gegen die in Deutschland angebotene Fassung der Serie spricht in diesem besonderen Fall schon die Tatsache, dass sie nicht alle Episoden enthält, sondern lediglich eine für das ZDF gekürzte und auf die Länge von einem Fernsehfilm pro zwei Folgen zusammengeschnittene Version.