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Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

Eine Gruppe von Leuten trifft sich in einem abgelegenen Haus. Die geplante, fröhliche Zusammenkunft geht gründlich in die Hose, weil Wahnsinnige nach und nach die Gemeinschaft der Feierwütigen dezimieren. Klingt bekannt? Im Grundsatz ist die Geschichte, die Drehbuchautor Simon Barrett und Regisseur Adam Wingard in You’re Next erzählen auch nichts Neues. Dennoch ist ihr Film nicht einfach neue Standardkost für das gut bevölkerte Horror-Subgenre rund um Hausfriedensbruch (engl. Home Invasion). Was den Davisons in ihrem beschaulichen Landsitz widerfährt, als blutrünstige Mörder ihre mehr oder weniger erholsame Familienfeier stören, ist einfach schrecklich unterhaltsam.

Ohne Rücksicht auf Verluste wird – mit Armbrust, Machete und allem, was der Werkzeugkoffer hergibt – gemeuchelt was das Zeug hält. Zeit für Verschnaufpausen gibt es, aber nur um den nächsten Knalleffekt vorzubereiten. Gekonnt spielen die Macher die Horror-Klaviatur rauf und runter. Fröhlich bedienen sie uralte Klischees. Wer genau hinschaut, kann jede Menge Seitenhiebe auf diverse der bekanntesten Slasher- und Splatter-Werke erkennen. Wer nun denkt, bei You’re Next wären die meisten Elemente bloß billige Kopien, liegt allerdings falsch. Trotz den recht vorhersehbaren Haken, welche die Handlung schlägt, birgt sie genug Originalität und Eigenständigkeit, um für sich stehen zu können. Bemerkenswert ist dabei die eigenwillige Mixtur aus Humor und Ernst, bei sich beide Zutaten stets die Waage halten und die You’re Next in jeder Minute bravourös davor bewahrt ins Lächerliche abzudriften.

Neben überzeugenden und handgemachten, klassischen Splattereffekten sorgt Mads Heldtberg mit präsenter Musik für athmosphärische Dichte und dafür, dass die Schockmomente sitzen. Er erbringt des Beweis dafür, dass geräuschvolle Stille möglich ist. Wenn ein Familienmitlied unbedacht seinen Kopf aus dem Fenster streckt oder vorsichtig einen Flur mit knarzenden Dielen entlang schleicht und eine dräuende Tonkulisse den nächsten Angriff der Killer vorausahnen lässt, kräuseln sich bei den Zuschauern wohlig die Nackenhaare.

Einige der größten Überraschungseffekte von You’re Next hat Sharni Vinson auf ihrer Seite. Ihre Rolle als Erin Harson, die mit einigen sehr nützlichen Fähigkeiten und Tricks aufwarten kann, bei deren Anblick selbst erfahrene „Scream Queens“ wie Jamie Lee Curtis oder Neve Campbell neidisch werden, spielt sie großartig. Dabei ist die unfreiwillige Heldin bloß als Partnerin von Chrispian Davison mit zur Familienfete gekommen. Der von A. J. Bowen verkörperte Sohn der Davisons hat, wie der Rest der Gesellschaft, keine Ahnung, wie erfinderisch seine Liebste in der Not werden kann. Neben der unter anderem durch Re-Animator (Link zu IMDB) bekannten Barbara Crampton als Mutter Aubrey, können auch Nicholas Tucci, Joe Swanberg und Amy Seimetz als restliche Sprösslinge der Davisons überzeugen.

You’re Next ist ein cleverer Horrorfilm, der bekannte Elemente mit neuen Ideen kombiniert. Durch die temporeiche Inszenierung vergehen 95 Minuten wie im Flug. Obwohl nichts völlig neu erfunden wird, funktioniert das Gesamtkonzept wunderbar. Fans des gepflegten und mitunter expliziten Mordens haben freilich keine Angst vorm bösen Wolf und vor fiesen Mördern mit Tiermasken schon gar nicht. Es ist jedoch durchaus wahrscheinlich, dass selbst Schreckerprobte während You’re Next das ein oder andere Mal im Kinosessel zusammenzucken. Nach zwei Jahren seit seinem Entstehen hat der Film den Weg in die Kinos gefunden. Horrorliebhaber lassen sich diese Gelegenheit nicht entgehen.

Göttliche Unterhaltung

Ein bisschen Bammel hatte ich schon, als ich den Kinosaal betrat, um mir den brandneuen Marvel-Streifen anzusehen. Nach dem furiosen ersten Leinwand-Team-Up der Avengers hat nach Iron Man nun der Donnergott seinen nächsten Solo-Auftritt. Das dritte Abenteuer des Mannes in der eisernen Rüstung konnte mich nicht wirklich begeistern (Interessierte können meine Kritik hier nachlesen). Hoffnung, dass das enttäuschende Erlebnis ein Einzelfall im Marvel-Filmuniversum bleiben könnte, machten Wolverines Ausflug nach Japan (hier entlang zu meiner Kritik), sowie die fantastischen Trailer zu Thor: The Dark World. Warum man den Titel für Deutschland in Thor: The Dark Kingdom umbenannt hat, kann und will ich nicht verstehen. Lokale Untertitel kann man irgendwie verargumentieren, aber ein neuer englischer Titel ist in meinen Augen schlicht unnötig.

Marvels nordische Saga um die mächtigen, außerirdischen „Götter“ war schon immer etwas Besonderes. Thor und seine Geschichten aus Asgard hoben sich seit jeher von den Erlebnissen seiner Superheldenfreunde von der Erde ab. Seine Welt ist fantastisch, mystisch und hat ihre ganz eigenen Gesetze. Die sehr originalgetreue Umsetzung des alten Königreiches mit all seinen Einwohnern und ihren aufwändigen Kostümen war es, die mich bereits vor zwei Jahren begeisterte, als Kenneth Brannagh den Donnergott zum ersten Mal ins Kino brachte – ganz ohne Angst vor großen Helmen mit markanten Hörnern. Ein Wechsel unter den Machern geht bei Filmfortsetzungen in den allermeisten Fällen mit spürbaren Unterschieden einher. So war es beispielsweise der unverkennbare Stempel von Shane Black, der meiner Meinung nach nicht ganz mit Iron Man harmonieren wollte. Mit Regisseur Alan Taylor hat man im Falle von Thor jedoch einen wirklich passenden Ersatz gefunden. Der erfahrene Filmemacher kennt sich durch seine Arbeit für diverse TV-Serien, wie Game of Thrones oder Die Sopranos, mit fantastischen und komplizierten Familiengeschichten aus (Links zu IMDB). Comicautor Christopher Yost, der sich für das Drehbuch zu Thor: The Dark Kingdom verantwortlich zeigt, bringt das nötige Wissen und den gebührenden Respekt für die Vorgeschichte des Hammerschwingers in gezeichneter und gefilmter Form mit.

Nachdem er gemeinsam mit den irdischen Helden in New York den Angriff der Chitauri erfolgreich abgewehrt hat, ist Thor zurück in seine Heimat Asgard gereist. Seinen hinterlistigen Bruder Loki, der für die Katastrophe auf der Erde verantwortlich ist, nahm er mit. Eingekerkert in einer Zelle im Verlies, verbüßt dieser seine gerechte Strafe, während Thor seiner Aufgabe als Sohn des Königs nachkommt und den Frieden in den neun Welten, über die die Asen als Beschützer wachen, wieder herstellt. Egal wo im Universum er sich befindet, sein Herz lässt ihn sich ununterbrochen nach der Menschenwelt sehnen. Mithilfe von Heimdall, dem Wächter der Götter und Herrn über die Regenbogenbrücke Bifröst, dem Reiseportal der Asen, behält er seine große Liebe, Jane Foster, stets im Blick. Als die ambitionierte Wissenschaftlerin plötzlich verschwindet, greift Thor ein. Das glückliche Wiedersehen wird überschattet von einem Fund den Jane zufällig macht. Dieser ruft das uralte, gefährliche und längst besiegt geglaubte Volk der Dunkelelfen auf den Plan, dessen Anführer Malekith nach der Zerstörung nicht nur einer Welt trachtet. Gegen den Willen von Allvater Odin schmiedet der Donnergott einen gefährlichen Plan, in dem unter anderem Loki eine wichtige Rolle spielt.

Mit Malekith erweckt Christopher Yost einen alten Feind aus den Geschichten um den Donnergott zum Leben. Trotz einiger Vereinfachung der Zusammenhänge bleiben die wichtigsten Eigenschaften des Bösewichtes erhalten, der durch Christopher Eccleston in einer beeindruckenden Maske wahrhaft bedrohlich verkörpert wird. Chris Hemsworth war von Anfang an wie geschaffen für die Rolle des aufbrausenden, blonden Haudrauf, der lieber mit seinem Hammer zuschlägt, als lange zu diskutieren. Der nicht umsonst sehr beliebte Charakter des Loki, wird ein weiteres Mal als perfekter Gegenspieler für wundervolle Dialoge mit dem Donnergott etabliert. Der doppelzüngige Meisters der Täuschung ist und bleibt Tom Hiddelstons Meisterstück. Anthony Hopkins passt als Allvater wie die Faust auf Odins gesundes Auge. In Thor: The Dark Kingdom hat er endlich ein paar wichtigere Szenen. Etwas mehr Zeit bekommen auch Lady Sif und die Drei Krieger. Die Parts der insgesamt vier Charaktere hätten, ginge es nach mir, ruhig noch etwas erweitert werden können. Volstagg (Ray Stevenson), Fandral (Zachary Levi) und Hogun (Tadanobu Asano) sowie die von Jaimie Alexander gespielte Kriegerin bieten jede Menge ungenutztes Potenzial, von dem ich hoffe, dass es in kommenden Thor-Filmen genutzt wird.

In seinen 112 Minuten gewährt der Film der Geschichte Zeit, sich zu entfalten und all seinen Charakteren Raum, fühlbar in Erscheinung zu treten und bei den Zuschauern bleibende Eindrücke zu hinterlassen. Der Wechsel zwischen Action und Romantik, Düsternis und Farbenfreude, Humor und Ernst sorgt durchgehend für Abwechslung. Komponist Brian Tyler passt seine Musik perfekt an das Geschehen an und untermalt es stimmungsvoll, aber nicht zu aufdringlich. Insgesamt kommt Thor: The Dark Kingdom etwas getragener daher als Iron Man 3 oder The Avengers, wo ein Kampf den nächsten jagt (Links zu IMDB). Ich persönlich sehe gerade darin eine Stärke des Films. So wird die Welt des Donnergottes auch für diejenigen, die keine Comics lesen, mit Hintergrund und Leben gefüllt. Wer noch tiefer in das Marvel-Filmuniversum eintauchen möchte, kann die Vorgeschichte zum Film in Comicform nachlesen (Link zur Produktseite auf der Webseite des Panini-Verlages). Ein bisschen Vorwissen ist zum Verständnis des Films generell ratsam, wenngleich nicht zwingend nötig. Wer „The Avengers“ und „Thor“ nicht gesehen hat, wird zwar die Hauptgeschichte, jedoch nicht alle Feinheiten erfassen können. Dies ist das unvermeidliche Resultat des wachsenden Marvel-Filmuniversums.

Thor: The Dark Kingdom verbindet epische Fantasy mit brachialen Heldentaten und super Schurken. Dieses Werk bringt Mjölnir und seinen Besitzer zurück zu ihren Wurzeln und bietet einfach göttliche Unterhaltung. Die nächsten Helden stehen bereits in den Startlöchern und versprechen für das kommenden Jahr jede Menge Nachschub für Superheldenfans und alle, die es werden wollen.

An alle, die Lust auf einen Gang ins Kino und einen Besuch bei Marvels Donnergott bekommen haben, erfolgt an dieser Stelle noch der wichtige Hinweis: Bitte unbedingt bis ganz zum Ende sitzen bleiben, also den GESAMTEN Abspann von „Thor: The Dark Kingdom“ abwarten!

Alles nur ein Spiel

Sieg und Niederlage. Diese beiden Seiten, die das Ende vieler Kriege markieren, lernen Kinder schon früh beim Spielen kennen. Ein jeder Wettkampf – und sei es nur eine Partie „Mensch ärgere Dich nicht“ – begeistert seine Teilnehmer gerade durch die mit Glück und Erfolg verbundenen Gefühle. Auseinandersetzungen nach bestimmten Regeln zu führen, wird mit den auf dem Spiel stehenden Konsequenzen allerdings immer schwieriger. Was würde passieren, wenn man das Kriegsspiel auf eine andere Ebene hebt und ein ganzes Militär aus Kindern aufbaut? Dieser Frage widmet sich Ender’s Game – Das große Spiel. Die Hollywood-Verfilmung des gleichnamigen Science-Fiction-Romans von Orson Scott Card läuft diese Woche in den deutschen Kinos an.

Der titelgebende Held des Films ist Andrew „Ender“ Wiggin, ein Junge, der nur zu einem Zweck geboren wurde: An der Militärschule soll er zu einem erfolgreichen Soldaten ausgebildet werden und zur Rettung der Erde beitragen. Der Heimatplanet der Menschen ist in großer Gefahr. Insektoide Aliens namens „Formics“ haben die Erde angegriffen. Ihre Invasion konnte unter immensen Verlusten zurückgeschlagen werden. Das Ziel der „Internationalen Flotte“ ist es nun, die herausragendsten Talente so früh wie möglich zu erkennen und sich mithilfe ihrer Fähigkeiten für die nächste Schlacht zu rüsten. Dass besondere Begabung Probleme für ihren Träger und dessen Mitmenschen birgt, muss Ender schnell und erbarmungslos lernen. Um sein Ziel, das ihm von Colonel Hyrum Graff stetig eingebläut wird, zu erreichen und der Beste zu werden, muss er sich in verschiedenen Disziplinen beweisen. Die Uhr tickt, denn auch der Gegner rüstet sich für seinen nächsten Angriff. Im Angesicht der Bedrohung ist eben nicht alles nur ein Spiel.

Im Zuge der Verfilmung seines Buches wurde über Autor Orson Scott Card viel und heftig diskutiert. Bei seinen homophoben Äußerungen kann ich nur den Kopf schütteln. Die Schauspieler des Films schließen sich da weitestgehend an, allen voran Harrison Ford, der die Zuschauer darum bat, das Werk von Regisseur Gavin Hood nicht unter diesem Aspekt zu betrachten. Seinen Wunsch habe ich mir zu Herzen genommen, auch da ich die Buchvorlage nicht gelesen habe. Man möge es mir deshalb nachsehen, wenn ich den Film nicht auf seine Treue zum Original hin analysieren kann. Was ich mir kürzlich immerhin zu Gemüte geführt habe, ist die erste Hälfte der Comicadaption des Buchs, die auf Deutsch bei Panini Comics erschienen ist (Link zur Produktseite auf der Webseite des Verlages). Diese empfand ich als sehr gelungen.

Zurück zum Film. Während der gesamten Spielzeit von etwas unter zwei Stunden hat mich Ender’s Game gut unterhalten. Die Spezialeffekte sind qualitativ absolut hochwertig und verleihen dieser Zukunftsvision ein individuelles Aussehen. Das Design der überdimensionierten, außerirdischen Käfer und der verschiedenen Raumschiffe gefiel mir gut. Die Höhepunkte des Films liegen für mich ganz klar in den Weltraumschlachten. Diese und ein paar interessante Auseinandersetzungen im sogenannten „Kampfraum“, in dem Ender und seine Mitkadetten in der Schwerelosigkeit in einem Kriegsspiel gegeneinander antreten müssen, sorgen für Kurzweil. Das „Gedankenspiel“, mit dem sich Ender in seiner Freizeit beschäftigt, ist komplett und so gekonnt computeranimiert, dass man sich fragen möchte, ob man nicht im gesamten Film auf Schauspieler hätte verzichten können.

Was die Geschichte betrifft, lässt mich das Gefühl nicht los, dass einiges an Potenzial verschenkt wurde. Bei all der klaren, bunten und sehr sterilen Optik wirkt das Geschehen oftmals ungreifbar. Das durchweg hohe Erzähltempo lenkt die Aufmerksamkeit der Zuschauer hastig von einem Charakter zum nächsten. Kurze, aber wichtige Szenen geraten dadurch zu schnell in Vergessenheit. Konflikte werden dargestellt, allerdings nicht vertieft. Genaue Informationen zu den Beweggründen der einzelnen Personen, werden keine vermittelt. Die Rettung der Welt ist ein nobles Ziel. Bei all der Fokussierung auf Planung und Vorbereitung und Betonung der verheerenden Folgen des ersten Alien-Angriffs, erscheint es mir jedoch als alleiniges Motiv für viele Figuren als zu schwach.

Der Film raubt selbst der Hauptfigur einige ihrer wichtigsten Facetten. Das sehe ich schon daran, dass der Comic mehr davon offenbart. Schuld daran trägt nicht allein das Drehbuch. Asa Butterfield macht seine Sache als Ender nicht schlecht. Dass es bessere Jungtalente gibt, die unterschiedliche Emotionen differenzierter darzustellen wissen, beweisen sein Schaupielkollege Conor Carroll, der sich als Bernard weit wandelbarer zeigt und Fernsehserien, wie In Treatment (Link zu Wikipedia). Gerade in Anbetracht der wenigen Zeit, in der Ender große Veränderungen durchmacht, hätte ich mir tiefere Einblicke in seine Persönlichkeit gewünscht. Harrison Ford wirkt in der Rolle des strengen und vom Sieg besessenen Colonel Graff nicht so, als sei die Rolle eine besondere Herausforderung für ihn gewesen. In seinem Fall vermute ich, dass Regisseur und Drehbuchautor Gavin Hood ihm den Raum zum Ausbau der Figur genommen hat. Ben Kingsleys Auftritt ist kurz. Er geht mit dem Rest der Besetzung im Geschehen unter.

Die größte Enttäuschung von Ender’s Game ist für mich die musikalische Untermalung. Als ausgesprochener Fan von Komponist Steve Jablonsky fällt mir diese Aussage besonders schwer. So treffsicher er sich bei Gangster Squad (Link zu IMDB) oder seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Michael Bay zeigt, so sehr liegt er bei Ender’s Game für meine Ohren daneben. Der Mann, der markante Titelmelodien für große Bombastfilme wie Transformers (Link zu IMDB) geschaffen hat, bedient sich bei seinem neuesten Score dem gleichen Violinensolo, mit dem One Republic (Link zu Wikipedia) ihrem vielgenutzten Lied „Secrets“ die besondere Note verliehen haben. Mit dem sich endlos wiederholenden Thema und Varianten davon werden die ruhigen Szenen wortwörtlich vergeigt. Einzig bei den großen Kampfszenen des Films weicht der Tondichter davon ab und lässt erkennen, zu was er ohne fremde Inspiration in der Lage ist.

Wer tiefer in das „Enderverse“ einsteigen möchte, ist mit Comic oder Buch sicher besser bedient. Aller Schwächen zum Trotz bietet Ender’s Game unterhaltsames, solides Science-Fiction-Kino. Dieser Film ist kein Meilenstein. Zur Verkürzung der Wartezeit auf kommende Genrewerke, ist er allemal gut geeignet.

Gefangene

Ein viel versprechender Trailer, eine Besetzung aus nachweislich talentierten Schauspielern und ein Kinoprogramm, das mit wenig Alternativen aufwarten konnte. Gründe, mir Denis Villeneuves Thriller Prisoners anzusehen, gab es genug. Die Geschichte um zwei entführte Mädchen versprach einen spannenden Kinoabend. Eine Verheißung, die der Film für mich persönlich am Ende leider nicht einlösen konnte.

Thanksgiving. Einer der wichtigsten Feiertage in den USA. Zwei Familien feiern zusammen. Nach dem Essen geschieht das Unfassbare: Die beiden kleinen Töchter, Anna Dover und Joy Birch, verschwinden spurlos. Eine verzweifelte Suche beginnt, in deren Verlauf der für den Fall zuständige Detective Loki und Vater Keller Dover nichts unversucht lassen, um die Mädchen zu finden. Mehr soll an dieser Stelle zum Inhalt gar nicht verraten werden.

Die Idee hinter Prisoners ist gut. Der Film will den Zuschauer, vor dem Hintergrund eines bewegenden Themas, mit vielen verschiedenen Fragen konfrontieren. Das realitätsnahe Szenario trägt dazu bei, dass die Story nie ungreifbar oder unwahrscheinlich wird. Die Position der Gefangenen wird über den Plot hinweg mehrfach und unterschiedlich vergeben und beleuchtet. Jeder der Protagonisten ist in irgendeiner Form gefangen, egal wie weit er mit seinen Taten geht und versucht die Ketten aus Vorschriften und Gedanken, die ihn fesseln, zu sprengen. Die kalte und teilweise fast farblose Präsentation der Bilder wird geschickt eingesetzt, um die Trostlosigkeit und Verzweiflung der Situation zu unterstreichen. Es sind auch nicht die Schauspieler, die Prisoners – zumindest in meinem Fall (dem Ehemann ging es übrigens genauso) – ziemlich schnell die Spannung geraubt haben. Jake Gyllenhaal gehört zu den echten Talenten in Hollywood und beweist sein Können in der Rolle des sich langsam und verbissen voran kämpfenden Detectives Loki, der sich von nichts und niemandem von seinem Weg abbringen lässt, eindrucksvoll. Hugh Jackman ist die Rolle des anpackenden Familienvaters, Keller Dover, der das Schicksal seiner Tochter nicht allein in die Hände von anderen legen will, wie auf den Leib geschrieben. Kaum ein Anderer kann so schön wütend werden wie der Mann, der dem wütendsten aller Superhelden sein Gesicht auf der Leinwand leiht. Die restlichen Rollen sind Beiwerk. Prisoners konzentriert sich im Wesentlichen auf die beiden männlichen Figuren, die sich das gleiche Ziel gesetzt haben, es jedoch mit völlig unterschiedlichen Methoden erreichen wollen. Diese fokussierte Erzählweise ist als Ansatz völlig richtig.

Was ist es also, das dem Thiller sein essenzielles Element nahm? Es sind all die Hinweise, die viel zu früh gestreut werden und die Auflösung für Genrefans zu einem Zeitpunkt offenbaren, an dem noch zu viele Minuten der Spielzeit übrig sind. Hinzu kommen einige Stellen, an denen die Figuren offen dargebotene Hinweise übersehen oder Dinge schlichtweg vergessen. Vielleicht habe ich einfach schon zu viele Bücher gelesen und zu viele Filme gesehen. Ich halte das durchaus für möglich. In meinen Augen verpackt Prisoners ein gutes Konzept in einen bewährten und mittlerweile zu oft genutzten Handlungsablauf. Statt neue Wege zu gehen, werden durch andere Werke bereits ausgetretene beschritten.

Nicht allen im Kinosaal erging es wie mir. Das konnte ich an den Reaktionen der Menschen ringsum erkennen. Mehr als genug haben länger gerätselt, einige davon sogar bis zum Ende. Wer Thriller mag, der sollte Prisoners deshalb ruhig eine Chance geben. Schauspielerisch und visuell kann der Film überzeugen. Geübte Hobbyprofiler laufen lediglich Gefahr, den Täter zu früh zu entlarven.

Stets zu Diensten

Butler. Die diskreten, immer freundlichen und fleißigen Hausbediensteten, die ihren Arbeitgebern jeden Wunsch von den Lippen ablesen und sich stets unaufdringlich im Hintergrund halten, haben nicht nur im Buckingham Palace einen festen Platz. Egal ob in Film, Fernsehen oder Literatur – Butler bergen durch ihre Eleganz und Vielseitigkeit eine gewisse Faszination und sind über die Jahre präsent. Ihre Inkarnationen sind dabei ebenso unterschiedlich, wie ihre Aufgaben. Der gerissene Kammerdiener Jeeves, der dem leidenschaftlichen Junggesellen Bertie Wooster ungewollte Amouren vom Hals hält, der treue James, der Miss Sophie jedes Jahr an Silvester ihr Abendessen für eine Person serviert, der große, blasse und immer schlecht gelaunte Lurch, der die Familie Addams in ihrem Haus unterstützt, der mysteriöse schwarze Butler, Sebastian Michaelis, der nicht davor zurückschreckt, seine dämonischen Kräfte einzusetzen, um den jungen Ciel Phantomhive bei der Lösung von Kriminalfällen zu unterstützen und zu beschützen. Und was wäre Bruce Wayne ohne Alfred Pennyworth, der die Bathöhle in Schuss hält, während der Millionär als Fledermausmann Jagd auf die Verbrecher Gothams macht? (Links in diesem Absatz zu Wikipedia)

Regisseur Lee Daniels hat seinen neuen Film schlicht und einfach nach der Berufsbezeichnung seines Hauptcharakters, einem entfernten Kollegen der oben Aufgezählten, benannt: Der Butler (Lee Daniels‘ The Butler). Erzählt wird das Leben des afroamerikanischen Dieners Cecil Gaines, der auf einer Baumwollplantage aufgewachsen ist und sich vom mittellosen „Housenigger“ zum Butler im Weißen Haus hocharbeitet. Als Schwarzer ohne Rechte lernt Cecil in einem Land, in dem die Mehrheit der Menschen ihn aufgrund seiner Hautfarbe als minderwertig betrachtet, die Fähigkeit, sich „unsichtbar“ zu machen, zu perfektionieren. Gerade durch diese Eigenschaft ist er prädestiniert für seine Arbeit, zuerst in einem Hotel und später in der Residenz des Amerikanischen Präsidenten. Dank seiner Anstellung kann er sich eine Familie mit zwei Söhnen und sogar ein eigenes Haus leisten. Cecil arbeitet hart, um seinen Angehörigen ein gutes Leben ermöglichen zu können. Er selbst hat sich mit seinem Außenseiterdasein und damit abgefunden, stets zu Diensten sein zu müssen. Ganz anders als sein älterer Sohn, Louis, der schön früh beginnt, sich mit aller Kraft für die Rechte der Schwarzen in Amerika einzusetzen. Während Cecil ab der Eisenhower-Ära jedem neuen Präsidenten treu dient und seine Hoffnung für die Politik nicht fahren lassen will, demonstriert und kämpft Louis auf den Straßen des Landes. Die ungleichen Ansichten von Vater und Sohn stellen die gesamte Familie auf eine harte Zerreißprobe.

Die Story von Der Butler beruht auf wahren Gegebenheiten. Die Namen der Charaktere und ihre gezeigten Erlebnisse sind allerdings erfunden. Wie nahe der Film im Detail an der Realität ist, spielt keine Rolle. Sein Thema und die darin verwobenen, wahren Ereignisse, sind bedeutend genug, um dem Zuschauer eines des dunkelsten Kapitel der Geschichte Amerikas nahezubringen. Behutsam und mit leisen Tönen lässt Lee Daniels Cecil seine Geschichte erzählen. Die Kamera beobachtet, maßt es sich aber nicht an zu urteilen und zu beurteilen. Bilder und Worte sprechen für sich. Während die Jahrzehnte vergehen und mit ihnen die Amtszeiten der einzelnen Präsidenten, kommt nie Hektik auf. Gleichzeitig entsteht zu keiner Zeit der Eindruck, dass das Geschehen an den falschen Stellen beschleunigt wird. Trotz der langen Lebensgeschichte und vielen Figuren, bleibt der Fokus durchgehend auf Cecil und seine Familie gerichtet, die schonungslos und mit aller Härte die Probleme des Landes zu spüren bekommt. Geradezu meisterlich verschmelzen in dem historischen Familiendrama die verschiedensten Sichtweisen und Blickwinkel. Kontinuierlich wird der Zuschauer dazu angehalten, mitzudenken und sich wichtigen und richtigen Fragen zu stellen, die nach wie vor brandaktuell sind. Wer glaubt, dieser Film würde nicht genügend Ansatzpunkte bieten, weil er amerikanische und nicht europäische Geschichte wiedergibt, irrt gewaltig. Spätestens bei Obamas Amtsantritt wird klar, dass die Zeiten der Unterdrückung überhaupt nicht lange her sind und es auf der ganzen Welt noch viel zu tun gibt, um Vorurteile und Hass zu besiegen.

Die Besetzung von Der Butler glänzt mit einer ganzen Liste von großen Namen, deren Auftritte zumeist zeitlich äußerst begrenzt sind. Gleichzeitig kultiviert der Film seine Nebenrollen und misst jeder von ihnen genügend Bedeutung zu, so dass keine als unsinnig oder klein wahrgenommen wird. Die Riege der Schauspieler reicht von Robin Williams über John Cusack bis zu Jane Fonda. Alle Beteiligten spielen mit sichtlicher – und bei einigen von ihnen seit Längerem schmerzlich vermisster – Hingabe. Insbesondere die Darstellung der einzelnen Präsidenten verleiht Der Butler einen ungeheuren Charme. In wenigen Minuten müssen große Persönlichkeiten und ihre Facetten erschöpfend präsentiert werden. Dies gelingt ohne Ausnahme. Die Hauptrolle des Cecil Gaines übernimmt Forest Whitaker. Sein stoisch ruhiger Butler wird dazu gezwungen, die ihn plagenden Konflikte in seinem Inneren auszutragen. Diese leise, zurückgenommene Darstellung lässt den Schauspieler alle Register ziehen und ein weiteres Mal auf der Leinwand brillieren. An seiner Seite spielt Oprah Winfrey als Cecils Frau Gloria, deren sehr gute Leistung in meinen Augen die überraschendste des Films ist. David Oyelowo mimt als Louis Gaines den gleichermaßen starrköpfigen Gegenpart zu dem in seinen Mustern gefangenen Vater. Im Zusammenspiel mit Forest Whitaker muss der Zuschauer nicht bloß ein Mal für sich hinterfragen, was richtig und was falsch, was mutig und was leichtsinnig ist.

Der Butler ist ein großer und bewegender Film. Der erste seit Langem, bei dem das Wort „Oscar“ in meinem Kopf aufflammt. Mit wundervoller Musik aus den verschiedenen Jahrzehnten und leisem Piano zaubert Rodrigo Leão den passenden Klangteppich für Lee Daniels großes Erzählkino. Es ist ein gewagter Ansatz, ein solch brutales Thema wie Rassenhass vergleichsweise charmant zu verpacken. Das Experiment gelingt. Diese zurückgenommene Präsentation gefällt mir persönlich um Längen besser, als die Dampfhammermethode, mit der sich beispielsweise Quentin Tarantino in den vergangenen Jahren unangenehmer Historie näherte. Der Butler verschweigt nichts, er beschönigt – bis auf einen Hauch unvermeidlichen Hollywood-Zuckerguss am Ende – nichts, er verurteilt nicht und er übertreibt nicht. Dieses Werk erinnert daran, dass jedes Land der Welt seine dunklen Kapitel hat, die niemals in Vergessenheit geraten dürfen. Man sollte jedoch auch nicht zwanghaft darauf herumreiten. Man muss vielmehr die Veränderung leben.

Bei all dem Hype um Gravity, der gegenwärtig die Kinorubriken hierzulande lahmlegt, wünsche ich mir sehr, dass Der Butler nicht deswegen untergeht. Dieser Film ist es wert gesehen und genossen zu werden.

Im Weltraum hört dich niemand schreien

Filme, die etwas Anderes, etwas Neues versprechen, wecken sofort meine Aufmerksamkeit, vor allem wenn sie sich dabei einem meiner Lieblingsgenres, wie etwa Science-Fiction, widmen. Trailer und sich mit Lobeshymnen überschlagende Kritiken versprachen, dass Gravity eines dieser Ausnahmewerke ist, womöglich ein moderner Klassiker. Voller Spannung und Vorfreude betrat ich den Kinosaal. Nach 90 Minuten verließ ich ihn mit sehr gemischten Gefühlen.

Drei Astronauten sind mit einem Shuttle in die Umlaufbahn der Erde geflogen und nehmen Reparaturen am Hubble-Weltraumteleskop vor. Während es für den erfahrenen Matt Kowalski der letzte Flug ins All und das Ende seiner langen Karriere bei der NASA sein soll, ist die Mission für Dr. Ryan Stone der erste Einsatz, außerhalb von Simulatoren. Ihre gemeinsame Arbeit ist noch nicht beendet, als die Astronauten von der Kommandozentrale in Houston dazu aufgefordert werden, unverzüglich in das Shuttle zurückzukehren. Durch die Zerstörung eines russischen Satelliten hat sich ein großes Trümmerfeld gebildet, das mit hoher Geschwindigkeit auf ihre Position zurast und auf seinem Weg eine Schneise der Zerstörung in die Masse der künstlichen Erdtrabanten schlägt. Die Warnung kommt zu spät. Der Weltraumschrott trifft das Shuttle und seine Crew unvermittelt. Nur Kowalsky und Stone überleben den Zusammenstoß, der gleichzeitig all ihre unmittelbaren Möglichkeiten, zur Erde zurückzukehren, zunichte gemacht hat. Mit einem begrenzten Sauerstoffvorrat ausgestattet, müssen sie einen Weg finden, zur nächsten Raumstation, der ISS, zu gelangen. Eine Raumkapsel soll als letzter Ausweg dienen.

Die Geschichte von Gravity ist die einer Weltraummission, die gründlich schiefläuft. Im Grundsatz ist sie damit nichts Neues. Alfonso Cuarón verzichtet, zusammen mit seinem Sohn und Koautor Jonás Cuarón, auf Außerirdische und Fantasien über zukünftige technische Neuerungen und bringt die Handlung dadurch näher an unsere Zeit. Diese Fiktion könnte, so wird durch die realitätsnahe Ausstattung und die vortrefflich animierten Ansichten der Erde suggeriert, jeden Moment hoch über den Köpfen der Zuschauer stattfinden. Gleichzeitig werden bei intensiverer Betrachtung im Gesamtkonstrukt ähnlich eklatante Logiklücken erkennbar, wie es sie in vielen Science-Fiction-Werken gibt. Vieles davon kann man als künstlerische Freiheit auslegen. Ich für meinen Teil hätte mir an mehr als einer Stelle mehr Authentizität gewünscht.

Realitätsnähe hin oder her, die Bilder von Gravity sind atemberaubend. Alfonso Cuarón inszeniert sein Weltraumabenteuer in meisterlich durchdachten Plansequenzen, die das Gefühl von Schwerelosigkeit mühelos zu vermitteln vermögen. Wo 3D-Effekte in anderen Fällen als überflüssig erscheinen, tragen sie in diesem Film wesentlich zum Erlebnis bei. Von der Kamerafahrt neben den Protagonisten bis zum Blick aus dem Raumanzug ist die Abfolge der Bilder durchweg minutiös ausgearbeitet. Handwerklich und technisch ist Gravity ohne Zweifel eine Meisterleistung.

Positiv überrascht wurde ich außerdem vom Tempo, in dem die Ereignisse erzählt werden. Die Fülle an präsentierten Inhalten und Situationen ist größer, als es die Trailer vermuten lassen. Was der Regisseur in 90 Minuten Film packt ist beachtlich. Die dadurch vermittelte, permanente Unruhe ist in meinen Augen jedoch eine der größten Schwächen von Gravity. Aufgrund inhärenter Hektik bleibt dem Zuschauer wenig Zeit, um das Gefühl von absoluter Stille und Einsamkeit aufzubauen, das die unendlichen Weiten des Alls mit sich bringen sollte. Die grundsätzlichen Gefahren, die an unsere Urinstinkte appellieren und ganz ähnlich denen von Schiffbrüchigen auf hoher See sind, kommen zu kurz. Das Konzept von Gravity hätte das Potenzial gehabt, diese genüsslich zu zelebrieren. Mehr Ruhe und im Umkehrschluss mehr Spielzeit, hätte dem Film meiner Meinung nach gutgetan.

Von der Anzahl der beteiligten Schauspieler ist Gravtiy ein Kammerspiel. George Clooney mimt den herzlichen, etwas schrulligen und erfahrenen Matt Kowalsky sicher und ohne große Mühe. Seine Rolle ist, wie ich finde, bloß zu klein angelegt. Dadurch bleiben eine Menge Möglichkeiten ungenutzt, auch im Hinblick darauf, das Geschehen noch intensiver zu gestalten. Beachtlich ist die Leistung von Sandra Bullock, die fast den gesamten Film alleine tragen muss. Über weite Strecken gelingt ihr das. Ihre Dr. Ryan Stone wird in der Not von der unerfahrenen und staunenden Astronautin zur mutigen Heldin, die sich, allen Widrigkeiten zum Trotz, ihren Weg bahnt. Mir persönlich gefällt dabei der häufig vorgebrachte Vergleich mit Sigourney Weaver als Ripley nicht besonders. Zu schnell vollführt Sandra Bullock in Gravity ihren Wandel. Ripley stellt die Geduld des Zuschauers mit nur allzu menschlichen Reaktionen einen kompletten Film lang auf die Probe und tut immer wieder Dinge, die ein jeder von außen betrachtet für absolut unsinnig hält, die jedoch trotz allem nachvollziehbar sind – ob mit oder ohne gefährliche Aliens. Ihre Metamorphose verläuft langsamer und ist dadurch nachvollziehbarer. Dr. Stone hingegen schwankt allzu oft zwischen Weinerlichkeit und Tatendrang und ihr letztendliches Schlüsselerlebnis wirkt sehr konstruiert. Im Weltraum hört dich niemand schreien. Das wusste bereits Ellen Ripley. Es liegt weniger an der Schauspielerin, als am Drehbuch, dass die Schreie von Dr. Stone nach dem Verlassen des Kinosaals schneller verhallen als die von Ripley.

Bombastisch kommt Gravity nicht nur bildmäßig daher. Auch der Soundtrack von Steven Price geizt nicht mit Präsenz. Musikalisch wird die Geschichte stets passend unterstützt. Von laut bis leise von harmonisch bis kakofon nutzt der Komponist sämtliche Variationsmöglichkeiten aus. Die Konzentration liegt für meine Ohren ein bisschen zu sehr auf der Lautstärke. Etliche Szenen, die mit dezenterer Untermalung ebenfalls ihre Wirkung entfaltet hätten, werden förmlich totmusiziert. Das ist schade und verstärkt den Eindruck, dass bisweilen in der Ruhe die Kraft gelegen hätte.

Insgesamt bleibt Gravity für mich deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die größte Schwäche des Films ist gleichzeitig eine, die ich niemals erwartet hätte: Fehlender Mut, die Dinge mit mehr Bedacht anzugehen und durch Stille eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Trotz aller Kritikpunkte ist Gravity kein schlechter Film und es dank seiner Bilder auf jeden Fall wert, auf der großen Leinwand angesehen zu werden. Allein der Jubel im Vorfeld ließ noch mehr erwarten.

Es donnern die Motoren

Selbst für mich als Menschen mit vielen und verschiedenen Interessen, gibt es Themen, für die ich mich wenig begeistern kann. Die Formel 1 gehört dazu. Obwohl ich schöne und schnelle Autos mag, empfinde ich das Beobachten von rasenden und am Ende trotz aller Kurven im Kreis fahrenden Boliden als nicht sonderlich spannend. Eingefleischte Fans wie Speedwriter33 mögen mich gerne als Banausin titulieren. Das nehme ich in Kauf.

Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass mich Ron Howards neuer Film, Rush (Link zu IMDB), nicht ins Kino locken konnte, wenngleich ich Chris Hemsworth für einen talentierten Schauspieler halte, der über das Image als langhaariges, blondes Muskelpaket hinauszuwachsen vermag. Das im Film beschriebene Duell der beiden Rennfahrer fand statt, bevor ich das Licht der Welt erblickte. Nichtsdestotrotz weiß ich um Niki Laudas spektakulären Unfall. Ich kann mich sogar daran erinnern, dass mich die Berichterstattung darüber im Fernsehen fasziniert hat, die im Zusammenhang mit Rückkehr des Fahrers in die Formel 1 wieder auflebte. Für mich blieb Niki Lauda seitdem der „Rennfahrer mit den verkohlten Ohren“. Morbide Dinge haben einfach schon immer eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bleibe dabei, mir im Kino Muskelmänner in getunten Sportwägen mit donnernden Motoren anzusehen und glänzende Lacke und schicke Lichter auf der Internationalen Automobil-Ausstellung zu bewundern. Das Beurteilen von Dingen, die mit dem „richtigen“ Motorsport zusammenhängen, überlasse ich Spezialisten. Deshalb freue ich mich sehr, dass Speedwriter33 eine wunderbare Filmkritik zu Rush geschrieben und auf seinem Blog veröffentlicht hat. Diese möchte ich allen Interessierten hiermit ans Herz legen (Link zum Artikel). Wer die Kommentarfunktion unter der Rezension vermisst, kann seine Anmerkungen gerne unter diesem Artikel loswerden.

Zwei Ballermänner

Nach den eher enttäuschenden Kinoerlebnissen, die mir R.I.P.D. und RED 2 in den letzten Wochen bescherten, blickte ich der nächsten Verfilmung einer Comic-Miniserie mehr als skeptisch entgegen. Die Herausforderung bei der Umsetzung einer Vorlage, die nicht genügend Inhalte für einen Film von über 100 Minuten Länge bietet, ist es, möglichst nahe am Original zu bleiben und die Geschichte gleichzeitig mit sinnvollen Inhalten zu ergänzen. Gewisse Änderungen bleiben in solchen Fällen nicht aus. Der erste Teil von RED war der eindrucksvolle Beweis, wie man es richtig macht und hielt für mich nach dem eher mäßig amüsanten Trailer zu 2 Guns als letzte Hoffnung und Begründung her, mir den Film auf der großen Leinwand anzusehen. Außerdem hatte ich viel Spaß beim Lesen der Comics und wusste, dass die Story einiges Potenzial für eine Filmumsetzung birgt. (Links in diesem Absatz zu IMDB.)

Robert „Bobby“ Trench ist ein Drogenfahnder. Jahrelang hat er sich unter dem Namen „Bobby Beans“ langsam die Karriereleiter in der Organisation des mexikanischen Drogenbarons Manny „Papi“ Greco hochgearbeitet. Er steht kurz davor, die Früchte seiner Arbeit endlich ernten zu können. Der als final geplante Deal verläuft anders, als erwartet. Aufgeben kommt für Bobby jedoch nicht in Frage. In einem verzweifelten Versuch, an Papis Geld zu gelangen und den Gangster damit zum Aufgeben zu zwingen, überfällt er zusammen mit Michael „Stig“ Stigman eine Bank. Was Bobby nicht weiß: Michael, den er für einen Kleinkriminellen hält, ist ebenfalls undercover unterwegs. In Wahrheit ist er ein Ermittler der Navy, der seine ganz eigenen Pläne für das erbeutete Geld hat. Bobby, Michael und Papi sind allerdings nicht die Einzigen, die hinter der beachtlichen Beute her sind … So beginnt eine aberwitziges Verwirr- und Versteckspiel in dessen Verlauf die Loyalität jedes Einzelnen auf den Prüfstand gestellt wird.

Wer Comics mag, dem kann ich die Vorlage nur empfehlen. Anlässlich des Films gibt es das englische Original als Sammelband in einer schicken Deluxe Edition mit Prägeelementen auf dem Cover (Link zur Produktseite auf Amazon.de). Autor Steven Grant und Zeichner Mateus Santoluco haben mit 2 Guns eine äußerst unterhaltsame und charmant illustrierte Geschichte um zwei ungleiche Partner geschaffen, die trotz aller Meinungsverschiedenheiten und falscher Vorgaben zusammenarbeiten müssen. Der betont einfach anmutende Zeichenstil harmoniert dabei perfekt mit den redegewandten Protagonisten. Eine Fortsetzung ist unter dem Namen „3 Guns“ in Arbeit. Ich freue mich darauf.

Erstaunlich viel der Originalgeschichte wurde in den Film übernommen. All die wundervollen Szenen, in denen sich Bobby und Michael ein ums andere Mal einen herrlichen verbalen Schlagabtausch liefern – und wenn es bloß um ein Frühstück geht – wurden von Drehbuchautor Blake Masters gekonnt für die Leinwand adaptiert. Die Veränderungen, die vorgenommen wurden, sind nachvollziehbar und verbiegen die Handlung in keinster Weise. 2 Guns bleibt, was es vorher bereits war: Eine herzerfrischende und spannende Buddy-Story. Regisseur Baltasar Kormákur inszeniert das Thema so klassisch, wie es ihm gebührt. Stilistisch orientiert er sich dabei an lieb gewonnenen Filmen der 80er und 90er Jahre, wie Lethal Weapon oder Stirb langsam – Jetzt erst recht, in denen handfeste und teilweise explizite Action mit einer ordentlichen Portion Humor gewürzt wird. Das Ergebnis passt perfekt und bringt eine Art Film zurück, die schon lange ein würdiges Comeback verdient – nicht als Element, wie es Shane Black in Iron Man 3 versuchte, sondern als eigenständiges Werk. Die Dialoge zwischen den Charakteren sind großartig und die Szenen, in denen die beiden Helden zu ihren Ballermännern greifen und ihre Gegner aufmischen, sind eine erfrischende Abwechslung zur zunehmenden Effekthascherei Hollywoods. Von der staubigen Autoverfolgungsjagd in der Wüste bis zu einer Schleichszene in Stigs Apartment, bei der Sam Fisher neidisch werden würde, weiß 2 Guns in jeder Minute zu unterhalten. (Links in diesem Absatz zu IMDB.)

Einen Großteil seines Charmes hat 2 Guns seinen Darstellern zu verdanken. Mark Wahlberg, der seit Kurzem zu seiner alten, körperlichen Form zurückgefunden hat, passt perfekt in der Rolle des geschwätzigen und vorlauten Michael Stigman. Manchmal sind Worte eben stärker als Waffen. Im zur Seite steht Denzel Washington als tiefenentspannter Bobby Trench, der nach einigen ernsteren Rollen sichtlich Spaß an einer Abwechslung zu haben scheint. Edward James Olmos Part als Papi Greco ist vergleichsweise klein, jedoch beweist auch er eine Menge Humor. In weiteren Rollen sind Paula Patton als Deb Rees, Bobbys Partnerin bei der DEA und James Marsden als Harold Quince, Stigs Kommandant bei der Navy zu sehen. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, dem gesamten Ensemble bei der Arbeit zuzusehen und am Ende des Films verließ ich den Kinosaal mit einem breiten Grinsen.

Dass 2 Guns in den USA hinter den Erwartungen zurückblieb, empfinde ich persönlich als schade. Mutmaßlich ist die aktuell sehr große Konkurrenz schuld daran. Dieser Film verdient in meinen Augen mehr Beachtung, weshalb ich ihn Fans von klassischer Kumpelaction und flotten Sprüchen ans Herz legen möchte.

Zurück in die Finsternis

Er ist zurück! Neun Jahre mussten Fans des muskelbepackten und kahlköpfigen Richard B. Riddick, der mit markigen Sprüchen und handfester Action sein Universum aufmischt, auf einen dritten Leinwandauftritt ihres Antihelden warten. Dazwischen hieß es stark sein und gegebenenfalls auf die Videospiele The Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay und The Chronicles of Riddick: Assault on Dark Athena zurückgreifen (Links zu Wikipedia). Das erste Mal tauchte der von Vin Diesel verkörperte Verbrecher mit biologisch integrierter Nachtsicht im Jahr 2000 in Pitch Black – Planet der Finsternis (Link zu IMDB) auf. Vier Jahre später erschien die Fortsetzung Riddick – Chroniken eines Kriegers (The Chronicles of Riddick, Link zu IMDB). Zusätzlich zu Letzterem erschien mit Riddick – Krieger der Finsternis (The Chronicles of Riddick: Dark Fury, Link zu IMDB) ein animiertes Abenteuer, das die Brücke zwischen der ersten beiden Filmen schlug. Die Marke „Riddick“ hat also schon einige Jahre auf dem Buckel und eine gewisse Vorgeschichte.

Der neueste Streifen mit dem sperrigen, deutschen Titel Riddick – Überleben ist seine Rache (Riddick) schließt direkt an die Ereignisse in „Riddick – Chroniken eines Kriegers“ an. Richard B. Riddick ist der Lord Marshal und damit alleiniger Anführer der Necromonger und herrscht über deren Welt. Das reine Regieren liegt dem wilden Furyaner nicht besonders. Zwar bieten ihm die ständigen Attentate eine gewisse Herausforderung, allerdings verleidet ihm der Zwang, rund um die Uhr vor jedem auf der Hut zu sein, gehörig den Spaß an sämtlichen Vorzügen des Königsdaseins. Er beschließt deshalb die Krone fallen zu lassen und stattdessen lieber wieder auf Reisen zu gehen. Die Sehnsucht zieht ihn zu seiner Heimat: Furya. Auf dem Weg durch den Weltraum wird er von seinen Gefolgsleuten hintergangen und auf einem unwirtlichen Planeten zum Sterben zurückgelassen. Riddick nicht Riddick, wenn er sich so leicht beseitigen ließe. Verwundet und einsam erkennt er seine Chance, an dieser Erfahrung zu wachsen und zu seinem alten, wilden und nicht domestizierten Ich zurückzufinden. Sein neuer Aufenthaltsort ist gespickt mit gefährlichen Kreaturen, die Riddick für sein Training nutzt. Als er ein Notsignal ins All schickt und Söldner darauf antworten muss der Furyaner alle Register ziehen, um zu überleben.

Mit Riddick – Überleben ist seine Rache kehrt das bewährte Team zurück, das den Weltraumepos ursprünglich aus dem Boden gestampft hat. Regisseur David Twohy schreibt seine Saga dort fort, wo sie vor Jahren abgelegt wurde und führt sie gleichzeitig zu ihren Wurzeln zurück. Wo „Riddick – Chroniken eines Kriegers“ wuchtig und mit vielen neuen Charakteren und exotischen Welten daherkam, in denen Riddick selbst fast ein wenig unterging, besinnt sich der neue Film der Reihe wieder frei auf das Motto „weniger ist mehr“. Und das mit Erfolg. Die Geschichte konzentriert sich voll und ganz auf den Weltraum-Macho mit der sonoren Stimme – knackige Einzeiler und allerlei übermännliches Gehabe inbegriffen. Ein weiteres Mal muss der Held in der Finsternis seine besonderen Fähigkeiten nutzen, um sich gegen menschliche und monströse Widersacher zur Wehr zu setzen. Nach „Pitch Black – Planet der Finsternis“ ist das freilich nichts Neues mehr, jedoch nach wie vor äußerst unterhaltsam. Kombiniert mit Spezialeffekten, die besser hätten sein können aber nicht müssen, ergibt sich – untermalt vom Bombast-Soundtrack in gewohnter Riddick-Manier von Graeme Revell – die wohlige Atmosphäre eines qualitativ hochwertigen B-Movies. Dieser Ausdruck ist keinesfalls negativ gemeint, denn ein zu teures und aufpoliertes Gewand würde dem Krieger mit den glänzenden Augen weniger gut zu Gesicht stehen. Dieses kleine Bisschen, das an einigen Stellen zu wenig und an anderen zu viel ist, macht die Welt von Riddick so eigentümlich, einzigartig und unperfekt wie ihre Hauptfigur.

Dass Vin Diesel, der angeblich sein Haus verpfändet hat, um Riddick – Überleben ist seine Rache drehen zu können, viel an der untrennbar mit ihm verwachsenen Figur liegt, ist hinreichend bekannt. Er war es, der die Marke Riddick über die Jahre hinweg am Leben hielt und dem Furyaner sogar in den Videospielen seine markante Stimme lieh. Richard B. Riddick ist eine Paraderolle für den smarten Muskelmann. Keiner kann unter der schwarzen Taucherbrille so herrlich grinsen, wie er. Keiner kann die Lumpengewänder dramatischer für einen Kampf abwerfen. Alle anderen Schauspieler, so muss man leider sagen, sind mehr oder weniger Kanonenfutter. Die bunte Söldnertruppe, die nicht bloß äußerliche Unterscheidungsmerkmale aufweist, erscheint als passende Mischung. Wie bei einem guten Western braucht ein großer (Revolver)Held immer auch eine Menge fieser Schurken, die er niederstrecken kann und die nach Möglichkeit nicht alle gleich aussehen. Durch ihre schauspielerischen Fähigkeiten herausstechen können immerhin Matt Nable und Katee Sackhoff als straff organisiertes Team, das systematisch Jagd auf Riddick macht. Beide schaffen es, ihrer Figuren zumindest eine gewisse Tiefe zu verleihen. Muckis und Mut hat der Rest allemal und das Ergebnis zeigt, dass sicherlich alle der im Gegensatz zu anderen Filmen recht kurzen Liste von Beteiligten ihren Spaß beim Dreh hatten.

Wer Riddick und sein düsteres Universum mag, der sollte sich Riddick – Überleben ist seine Rache auf keinen Fall auf der großen Leinwand entgehen lassen. Alle, die bisher noch nicht mit dem Furyaner in Berührung gekommen sind, oder nicht mit allen Einzelheiten der Materie vertraut sind, sollten auf einen Kinobesuch dennoch nicht verzichten. Dieser Film kann trotz allen Querverweisen für sich selbst stehen. Die testosterongeladene und mitunter ziemlich blutige Action sorgt für Kurzweil und 119 Minuten vergehen wie im Flug. Riddick bleibt eben Riddick.
Gleichzeitig erbringt Riddick – Überleben ist seine Rache den beruhigenden Beweis, dass Filme selbst dann für eine vergnügliche Zeit sorgen können, wenn sie nicht 100 Prozent perfekt sind. Das Wichtigste ist ein stimmiges Konzept und dass der Wille neben Können und technischen Raffinessen deutlich erkennbar ist. Ein weiterer Riddick Film? Von mir aus gerne, nur bitte nicht wieder erst in neun Jahren.

Hinter der Fassade

Gute Komödien – egal welchem Subgenre sie angehören – sind in den letzten Monaten auf der Kinoleinwand schwer zu finden. Nach dem Totalausfall, den Hangover 3 darstellte, sowie einigen weiteren, nur sehr bedingt witzigen Streifen, wie R.I.P.D. und RED 2, ist mein Bedürfnis nach Lachern noch lange nicht gestillt – wenngleich Michael Bays Pain & Gain bereits eine angenehme und äußerst bissige Abwechslung bot (Links zu den jeweiligen Artikeln). Angelockt von dem sehr lustigen Trailer habe ich deshalb für Wir sind die Millers (We’re the Millers) einen zusätzlichen Kinobesuch eingelegt.

David Clark ist Drogendealer. Wo andere seiner Zunft rigoros, skrupellos und brutal vorgehen, zieht er es vor, seine Geschäftsbeziehungen auf freundschaftlicher Basis zu führen und er verkauft seine Ware nicht an Minderjährige. Über seine finanzielle Ausbeute kann sich David nicht beschweren, und so kommt es ihn teuer zu stehen, als er eines Tages ausgeraubt wird. Sein Boss, der schmierige Brad Gurdlinger, macht ihm zum Begleichen der entstandenen Schulden ein verlockendes Angebot: David soll nach Mexiko reisen und dort „eine klitzekleine Menge Gras“ abholen und über die Grenze in die USA schmuggeln. Um nicht aufzufallen, kauft er sich kurzerhand eine Fake-Familie ein. Diese besteht aus seiner Nachbarin, der Stripperin Rose O’Reilly, dem achtzehnjährigen Kenny Rossmore, ebenfalls aus Davids Nachbarschaft und der Ausreißerin Casey Mathis. Als Bilderbuchfamilie sollen die Drei für Daves Operation als perfekte Tarnung herhalten. Schon die sehr unterschiedlichen Charaktere der mehr oder weniger freiwillig zusammengewürfelten „Millers“ – wie sie sich fortan nennen – sorgen für ordentlich Zündstoff auf dem Schmuggelurlaub. Hinzu kommen etliche zusätzliche Probleme. Vom Fahrzeug über die Menge der zu transportierenden Ware bis zum eigentlichen Grund für die Reise, verläuft nichts so richtig rund. Was als harmloser Road Trip beginnt, wird schnell zur Zerreißprobe für die Nerven aller Beteiligten.

Wir sind die Millers ist ein sehr unterhaltsamer Film. Regisseur Rawson Marshall Thurber gelingt der Spagat zwischen Zoten und Sympathie, zwischen verbalen und optischen Schlägen unter die Gürtellinie und romantischen Momenten. Wer knallharte Schenkelklopfer am laufenden Band erwartet und die Grenzen des guten Geschmacks ausloten möchte, wird enttäuscht werden und muss auf Bad Grandpa (Link zu IMDB) warten. Hier und da hätten die Millers eventuell noch eine Schippe draufpacken und ruhig etwas krasser sein können. Nötig, um den Zuschauern für 110 Minuten Spaß bereiten zu können, ist das allerdings nicht. Die Spitzen in Wir sind die Millers sind spaßig genug.

Die Schauspieler haben allesamt sichtlich Freude bei der Arbeit. Jennifer Aniston macht als Stripperin Rose nicht nur optisch eine gute Figur. Jason Sudeikis mimt den freundlichen Drogendealer Dave realistisch genug, ohne dabei auf hinreißende Mimik zu verzichten und ohne zu viele Grimassen zu schneiden. Ed Helms dagegen verlässt sich als Daves Boss, Dave Gurdlinger, zu sehr auf den Unterhaltungsgehalt seiner Gesichtszüge. Will Poulter und Emma Roberts disharmonieren wunderbar als aufmüpfige Miller-Sprösslinge, Kenny und Casey. Weiteren Rollen, wie die der Camperfamilie Fitzgerald, sind gleichfalls treffend besetzt. Die schönste Botschaft, die alle Beteiligten vermitteln, ist die, dass die Millers hinter der Fassade zwar vielleicht keine richtige Familie, aber eben nur Menschen sind. Gelacht wird mehr mit ihnen, als über sie.

Verglichen mit „R.I.P.D.“ und „RED 2“ enthält Wir sind die Millers mehr originelle Szenen und vor allen Dingen mehr sehenswertes Material, als all die Gags, welche die Trailer bereits verraten. Mir persönlich kommt einzig das sehr weichgespülte Hollywood-Happy-End ein bisschen zu süß daher. Michael Bays Bodybuilder sind ein gehöriges Stück mehr actionorientiert, pointierter in Sachen kritischer Untertöne und schwarzhumoriger. Dennoch ist Wir sind die Millers für alle sehenswert, die im Kino einmal wieder herzlich lachen möchten – auch in Anbetracht dessen, was die Vorschau auf die nächsten Wochen im Komödiengenre hergibt.