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Der Wolf und sein Rudel

Für den ersten Kinobesuch im neuen Jahr entschied ich mich für Altmeister Martin Scorseses neuestes Werk über Einfluss, Gier und die Macht des Geldes. Dass der Regisseur dazu neigt, mit talentierten Schauspielern gleich mehrfach zusammenzuarbeiten und mitunter sehr fruchtbare Arbeitsbeziehungen aufzubauen, ist hinlänglich bekannt. So ist es Leonardo DiCaprio, der in The Wolf of Wall Street bereits zum fünften Mal unter der Anleitung des großen Filmemachers agiert. Die bewährte Mischung führt erneut zum gewünschten Ergebnis, einem bildgewaltigen Kinoerlebnis der besonderen Art.

Angelehnt an die Biografie des Börsenmaklers Jordan Belfort erzählt The Wolf of Wall Street den Aufstieg und Fall des begnadeten Verkaufsgenies, der auf seiner Suche nach Reichtum vor nichts zurückschreckt und sich gnadenlos seinen Weg von der Arbeiterschicht hin zur ausschweifenden Dekadenz in der Welt der Reichen und Schönen bahnt. Ob seine Methoden halb oder am Ende gar nicht mehr legal sind, stört ihn wenig, denn er ist der festen Überzeugung, dass Geld die ultimative Lösung für sämtliche Probleme ist, da man sich damit einfach alles kaufen kann. Leonardo DiCaprio verkörpert diesen von einer Spirale der Süchte getriebenen Charakter bravourös und lässt genau die richtige Mischung aus Spitzbübigkeit und Skrupellosigkeit erkennen. Den gewonnenen Golden Globe hat er in meinen Augen mehr als verdient. Seine Darbietung ist so großartig, dass er allein in der Lage wäre den Film zu tragen. Das muss er aber nicht, denn The Wolf of Wall Street ist bis in die kleinsten Nebenrollen hochkarätig und treffsicher besetzt. Nicht nur Jonah Hill geht in seiner Rolle als Belforts Geschäftspartner und engster Vertrauter, Donnie Azoff, auf. Auch Matthew McConaughey, dem ich ob seiner derzeitig viel zu mageren Figur zu gerne mal einen großen Hamburger spendieren würde, brilliert in seiner vergleichsweise winzigen Rolle als Mark Hanna, Belforts Mentor bei dessen erstem Job an der Wall Street. Ein weiteres Beispiel ist Jon Bernthal, der einen schrulligen Strohmann mit größter Perfektion für Details mimt. Er gehört für mich zu den aktuell vielversprechendsten und unverbrauchtesten Talenten Hollywoods und ich hoffe, dass man in Zukunft noch viel mehr von ihm sehen wird.

Stilistisch bedienen sich Regisseur Martin Scorsese und Drehbuchautor Terence Winter einem bunten Mix, der die komödiantischen Elemente unterstreicht, ohne den bitteren Unterton von Belforts Taten ungehört vorbeiziehen zu lassen. Mal kommentiert der Hauptcharakter das Geschehen auf der Leinwand aus dem Off, mal dürfen die Zuschauer direkt an den Gedanken verschiedener Protagonisten teilhaben und selbst die vierte Wand stellt kein Hindernis dar. Letzterer scheint in den Film- und Fernsehfabriken im Land der Unbegrenzten Möglichkeiten in den letzten Monaten eine immer größere Bedeutung zugemessen zu werden. Man denke nur an das subtile Einbeziehen des Betrachters in der zweifelsfrei sehenswerten TV-Serie House of Cards (Link zu IMDB). Leonardo DiCaprio spricht als Jordan Belfort weniger häufig direkt zu seinem Publikum, das Gefühl einer um die Beobachtung wissenden und sie gar genießenden Figur bleibt gleichwohl bestehen. So oft während der gesamten Spielzeit im Kinosaal lautes Lachen über die an Maßlosigkeit, Verantwortungslosigkeit und Lächerlichkeit kaum zu überbietenden Ausschweifungen des Gernegroß Belfort ertönt, so oft bleibt es den Beobachtern im Halse stecken. Egal wie sehr er es sich einreden möchte und egal wie groß das Rudel aus Brokern mit unerschöpflicher Geldgier ist, das der Wolf von der Wall Street mit der Zeit um sich schart: Mit Geld kann man eben doch nicht alles auf der Welt kaufen.

Lohnt es sich, eine Eintrittskarte für The Wolf of Wall Street zu lösen, um den Film auf der großen Leinwand zu genießen? Auf jeden Fall! Finden die Oscar-Nominierungen für dieses Werk meine Zustimmung? Ja, denn hier wird meiner Meinung nach weitaus mehr und leidenschaftlicher gespielt, als in Gravity (Link zu IMDB). Ob The Wolf of Wall Street mein ganz persönlicher Oscar-Favorit ist, darüber kann ich mir jedoch an dieser Stelle kein Urteil erlauben. Dazu habe ich (noch) zu wenige der ebenfalls nominierten Filme gesehen. Ganz ohne Schwächen kommt nämlich auch der große, böse Wolf über stolze 179 Minuten nicht ins Ziel. Bisweilen hätte ich mir weniger Orgien, mehr Einblicke in Belforts Privatleben sowie aussagekräftigere Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinem Widersacher vom FBI, Agent Patrick Denham (Kyle Chandler), gewünscht. Im Großen und Ganzen liefern die Beteiligten aber allesamt eine bemerkenswerte und sehenswerte Leistung ab und machen The Wolf of Wall Street zu einem äußerst unterhaltsamen Start ins Kinojahr 2014.

Bis zum bitteren Ende

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich bereits darüber sinniert, wie unterschiedlich Geschichten zu Ende gebracht werden können. In meinem damaligen Artikel habe ich mich mit Beispielen quer durch die Medienlandschaft befasst. Auf zwei davon möchte ich nun noch einmal zurückkommen. Im vergangenen Jahr fanden nämlich mit Breaking Bad und Dexter von mir sehr geschätzte TV-Serien ihren Abschluss. Inzwischen habe ich restlos alle Folgen von beiden gesehen. Zeit, die Spekulationen und Wünsche von einst mit den tatsächlichen Ergebnissen zu vergleichen und mich gebührend von den schillernden Hauptcharakteren zu verabschieden.

Da ich bei meiner Betrachtung nicht auf Details aus den finalen Staffeln verzichten kann, spreche ich an dieser Stelle eine ausdrückliche

!!! SPOILERWARNUNG !!!

aus. Wer die beiden Serien vollkommen unbeeinflusst schauen möchte, oder noch nicht an deren jeweiligen Ende angekommen ist, der sollte nicht weiterlesen. Alle, die sowohl Walter White als auch Dexter Morgan bereits bis zum Ende ihrer Abenteuer begleitet haben, sind herzlich eingeladen, sich meine Einschätzung und Gedanken zu Gemüte zu führen.

!!! Ende der Warnung !!! Letzte Chance abzuspringen !!! Los geht’s !!!

Beginnen wir bei Walter White, der in insgesamt 5 Breaking-Bad-Staffeln (beziehungsweise 6, sofern man die halbierte Finalstaffel als 2 getrennte Staffeln ansehen möchte) eine beängstigend realistische und gleichzeitig verrückte Wandlung vom biederen Chemielehrer zum Drogenbaron vollzogen hat. Auf seinem Weg hat er, neben seinem eigenen, die Leben von mehreren Personen maßgeblich und selten zum Guten beeinflusst. Was mich am Finale von Breaking Bad am meisten beeindruckt hat, war die stringente und gnadenlose Erzählweise. Die Macher sind dem Grundprinzip der Serie von der ersten Sekunde bis zum bitteren Ende treu geblieben. So ist es nur logisch, dass nach einer unfassbar langen Reihe von im Affekt getroffenen Fehlentscheidungen genau eine solche Walters Ende in einem grandios inszenierten Showdown besiegelt. Jesses Überleben wirkt durch die Torturen, die er durchstehen musste, die über den Gesamtverlauf der Geschichte hinweg jedoch nicht immer fremdverschuldet waren, nicht als vollkommene Erlösung. Ein Happy End gibt es für keinen der Seriencharaktere. Etwas Derartiges wäre in meinen Augen gänzlich unangebracht gewesen. Einziger Wermutstropfen waren für mich einige im Laufe der letzten Staffel zu rasch gezogene Schlüsse und zu schnell begriffene Zusammenhänge von Walters Gegnern. Trotzdem ist Breaking Bad für mich das strahlende Beispiel eines konsequent erzählten und zu einem unausweichlichen, endgültigen Schluss gebrachten Konzepts.

Schuld an dem passenden Finale von Breaking Bad war, soweit ich es aus Medienberichten herauslesen konnte, vor allem Serienschöpfer Vince Gilligan, der seine Kreation nie vollständig aus der Hand gab und seine Ideen und Wünsche bei Sender und Produzenten stets vehement verteidigte und durchsetzte. Ganz anders dagegen erging es den Autoren von Dexter. Ein Ende ohne mögliche Wiederkehr wurde ihnen für Hauptcharakter Dexter Morgan vom Fernsehsender Showtime von vornherein untersagt. Besonders verwunderlich ist es deshalb nicht, dass der Abschluss dieser TV-Serie sehr bemüht, fast schlampig und meiner Meinung nach unpassend wirkt.

Es ist nicht bloß das Ende, das mich furchtbar enttäuschte. Die Abkehr von der Essenz Dexters begann bereits in der vorletzten, siebten Staffel. Dem zu Emotionen unfähigen und von der Lust des Tötens getriebenen Psychopathen, der nur mit größter Mühe und allerlei Tricks in der Gesellschaft unerkannt überleben kann, wurden plötzlich immer mehr Eigenschaften angedichtet, die er im Grunde niemals hätte haben dürfen. Es waren stets einzig sein Code, dank dem er seine Messer nicht gegen Unschuldige einsetzt, sowie sein ständiges Bemühen, die Menschen um ihn herum besser verstehen zu können, die dem Zuschauer Dexters Wesen verständlich und den Charakter zugänglich machten. Dass Dexter zarte aber unbeholfene Bindungen eingeht und mehr oder weniger gewollt sogar eine Familie gründet, waren in reduzierter Intensität nachvollziehbare Vorgänge. Absurd wurde es für mich in dem Moment, in dem er sich geradezu inbrünstig und ohne nachzudenken in eine Beziehung mit einer anderen Serienkillerin stürzt. Spätestens ab diesem Augenblick schmolz aus meiner Sicht die Glaubwürdigkeit rapide dahin.

Darüber hinaus wurde der Konflikt mit Dexters Schwester, Debra Morgan, nicht kritisch genug ausgewertet. Ansätze von inneren wie äußeren Kämpfen, die hätten ausgefochten werden müssen, zeigten sich erst zu Beginn der letzten Staffel. Die ersten Folgen von Staffel 8 haben mich, nach der über die gesamte Laufzeit hinweg schwachen siebten Staffel, so muss ich zugeben, geradezu positiv überrascht. Die Idee, dass eine Psychologin Dexters Adoptivvater half, die Regeln für seinen besonderen Sprössling zu entwickeln, befand ich als interessant und plausibel. Sie wäre eine exzellente Endgegnerin für Dexter gewesen. Stattdessen entwickelte man die anfänglich kontroverse, sehr geheimnisvoll angelegte und von Charlotte Rampling exzellent gespielte Figur mit der Zeit zu einer immer profaneren und unbedeutenderen Randerscheinung. Wo man als Zuschauer etwas Mysteriöses vermutete, wurde es mit einem wilden Hakenschlag der Geschichte innerhalb von Sekunden zunichte gemacht. Hinzu kam eine in den Folgen vor dem Finale exponentiell ansteigenden Zahl von neuen Charakteren, die wie Kaninchen aus einem Zauberhut sprangen, um ihren winzigen Part zu erfüllen. Dabei verfügte man über so viele interessante Nebenrollen, die mit ein bisschen Fantasie noch genügend Konfliktpotenzial geboten hätten.

Mit Zunahme der Fragen, die sich in meinem Kopf bildeten, wuchs meine Enttäuschung in der letzten Hälfte der Finalstaffel in Unermessliche. Wozu braucht es einen für drei Folgen neu eingeführten U.S. Marshal, um Dexters Plänen und seiner wahren Natur auf die Spur zu kommen, wo man doch ein ganzes Polizeirevier voller Ermittler zur Verfügung hat? Wieso denken weder Batista noch Quinn bei Dexters letztem Mord weiter? Warum bringt man den alten Polizeichef und Vertrauten von Dexters Vater zurück, um ihn dann auf die letzten Meter als Wortgeber versauern zu lassen? Wie hätte das Ende aussehen können, wenn Dr. Vogel der eigentliche „Brain Surgeon“ gewesen wäre und Dexter im Laufe der Staffel derart manipuliert hätte, dass er in ihrem Auftrag die letzen Spuren ihrer unkonventionellen Methoden beseitigt? Wieso übersieht Dexter plötzlich so viele Details und braucht ewig, um offensichtliche Zusammenhänge zu erkennen? Warum täuscht Dexter seinen Tod im Wirbelsturm nur vor? Dexter als Holzfäller – wer bitte kam auf diese Idee? Wenn Dexter überhaupt in der Lage ist, eine emotionale Bindung einzugehen, dann (neben seiner Stiefschwester) höchstens mit seinem leiblichen Sohn. Wie kann er sich mutwillig eine solch rosarote Brille aufsetzen, dass er Harrison einer Serienmörderin überlässt, die er vorher selbst ins Gefängnis gebracht hat, weil sie versuchte seine Schwester zu töten? Warum vertraut der sonst so intelligente und berechnende Dexter, der es sein Leben lang gewohnt ist, jedem zu misstrauen, dieser Frau plötzlich derart bedingungslos? So liebeskrank könnte nicht mal ein normaler Mensch sein! Wie großartig wäre ein Ende für Dexter auf seinem eigenen Tisch oder durch die Hand des Gesetzes gewesen, bei dem er sich seinen Opfern aus acht Staffeln vor seinem Ableben ein letztes Mal hätte stellen müssen?

Ich sage nicht, dass meine Ideen das Non plus ultra sind und die einzig wahre Lösung gewesen wären. Das wäre anmaßend. Wenn mir jedoch schon etliche Details auffallen, die man im ursprünglichen Sinn der Serie anders hätte machen können und sollen, warum musste alles in einem unsäglichen, süßsauren Tränendrüsendrücken enden? Die vielleicht wichtigste und umfassendste Frage von allen ist in diesem Zusammenhang vielleicht: Warum blieb an allen Ecken und Enden so viel Potenzial ungenutzt?

Eine große Anzahl Dinge, die bei Breaking Bad richtig gemacht wurden und die letztendlich zu einem überzeugenden Ende führten, wurden bei Dexter völlig außen vor gelassen. Je weiter man sich vom Wesen des Hauptcharakters und dem Kern der Serie entfernte, desto abstruser wirkte das Geschehen auf dem Bildschirm. Ich bin überzeugt davon, dass ein „richtiges“ Ende – wie auch immer es hätte aussehen können – für Dexter besser gewesen wäre. Ein Antiheld ist eben nur so lange plausibel, wie er ein Antiheld bleibt. Der Punisher oder der Preacher können in den Comics ebenfalls nicht plötzlich zum Heldentum übertreten.

In diesem Sinne sage ich:
Tschüss Dexter! Es war schön mit dir – vor allem bis zum Ende der sechsten Staffel. Ab dann hast du leider deinen Biss verloren. Vielleicht hast du in deinem Holzfällercamp ja einen Fernseher, auf dem du dir Breaking Bad ansehen kannst. Der Chemielehrer weiß, wie ein würdiger Abgang auszusehen hat. R.I.P. Walter White.

Die Macht der Fantasie

Zwar habe ich es – trotz guten Vorsätzen – 2013 wieder nur ein einziges Mal in die Oper geschafft, immerhin ist das Jahr aber nicht ganz ohne den Genuss eines großen, klassischen Werkes verstrichen. Die Geschichte und die Musik der Zauberflöte begleiten mich schon sehr lange. Mozarts Komposition und Emanuel Schikaneders Texte habe ich schon in verschiedenen Inszenierungen gehört und gesehen. Von kindgerechten Varianten bis zu Aufnahmen bekannter Opernaufführungen, die Magie der Zauberflöte entfaltet sich beinahe von selbst – ganz unabhängig davon, wie pompös die Umsetzung auf der Bühne ist. Diese Oper ist eine der wenigen, deren Musik ich nicht bloß bruchstückhaft verinnerlicht habe. Das mag daran liegen, dass sie gemeinhin als leicht verständliche Kost gilt. Gerade in diesem Aspekt verbirgt sich allerdings die Genialität der Schöpfer.

Die von mir besuchte Aufführung in der Oper Frankfurt zeigte Die Zauberflöte in der Inszenierung von Alfred Kirchner (Links zu Wikipedia und der Webseite der Oper Frankfurt). Wenngleich es einige krankheitsbedingte Umbesetzungen gab, haben alle Mitwirkenden eine großartige Leistung erbracht, allen voran Andreas Bauer als Tamino und Björn Bürger als Papageno. Was die Damen anbelangt, habe ich hier und da schon voluminösere Stimmen gehört. Die Zauberflöte ist jedoch eine Oper mit relativ vielen Protagonisten, was dazu führt, dass sie sich (oftmals unterstützt von Chören) mühelos gegenseitig über schwächere Passagen hinwegtragen können. Kritik möchte ich deshalb keine anbringen, denn das musikalische Gesamterlebnis war wunderbar.

Das bunte und fantasievolle Bühnenbild von Michael Sowa und Vincent Callara, das wie die Faust aufs Auge zu der oftmals als unlogisch bezeichneten Erzählung passt, ist beeindruckend. Beim Anblick der aufwändigen Kulissen und Kostüme fällt es dem Zuschauer leicht, sich in die Welt von Sarastro und der Königin der Nacht zu begeben und das Märchen vom Prinzen mit dem verzauberten Instrument und dem exzentrischen Vogelfänger in vollen Zügen zu genießen. Seltsamerweise ist es ausgerechnet Papageno, dessen Äußeres im Gegensatz zu anderen Inszenierungen eher reduziert wirkt. Dies lässt dem Darsteller gleichzeitig mehr Freiraum zum Spiel. Alles in allem kommt die Oper unter der Regie von Alfred Kirchner besonders schwungvoll, leichtfüßig und vor allem absolut sehenswert daher.

Im Gegensatz zu vielen literarischen Werken ist die Zauberflöte, wie mir auffiel, noch „unzensiert“. Monostratos ist nach wie vor ein Mohr in Wort und Bild. Wenn ich an die Diskussionen um gewisse Änderungen an Kinderbüchern denke, frage ich mich, wie lange es dauert, bis hier jemand unnötigerweise Hand anzulegen versucht. Klassische Werke – egal ob geschriebene oder gesungene – sollten als solche belassen und genossen werden. Die Zauberflöte ist ausgezeichnet dafür geeignet, um ein jüngeres Publikum an die Materie heranzuführen. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Mit Wohlwollen nahm ich deshalb die große Anzahl noch-lange-nicht-erwachsener Besucher in der Vorstellung wahr und hoffe, dass Mozarts Musik und die Macht der Fantasie bei vielen weiteren Einsteigern und auch bei eingefleischten Opernfans noch ewig erfolgreich wirken können.

Jahresrückblick 2013 – Kino

Das Jahr 2013 nähert sich seinem Ende. Es war ein aufregendes Jahr für Kinofans. Viele Filme flimmerten in den vergangenen zwölf Monaten über die große Leinwand. Es gab Reboots, Remakes, Verfilmungen, Fortsetzungen und eine Menge neue Ideen und Geschichten, die Filmemacher ihrem Publikum in Wort und Bild erzählten. Grund genug für mich – wie schon im vergangenen Jahr – meine persönlichen Top 10 zusammenzustellen (Links zu IMDB).

  1. Man of Steel
  2. Only God Forgives
  3. The Butler
  4. Pacific Rim
  5. The Place Beyond the Pines
  6. Evil Dead
  7. Lincoln
  8. Ich – Einfach unverbesserlich 2 (Despicable Me 2)
  9. Der Hobbit – Smaugs Einöde (The Hobbit: The Desolation of Smaug)
  10. Star Trek Into Darkness

Achtung!
Diese Liste ist rein subjektiv! ;-)

Eine gar nicht öde Einöde

In der dunklen Jahreszeit stehen nicht nur das Weihnachtsfest und der Jahreswechsel an. Liebhaber von J. R. R. Tolkiens Büchern freuen sich aus einem weiteren Grund auf den Winter: Ein Jahr nach dem Kinostart des ersten von drei Hobbit-Filmen werden mit Der Hobbit – Smaugs Einöde (The Hobbit: The Desolation of Smaug) die Abenteuer des Halblings Bilbo Beutlin und seiner tapferen Reisegruppe endlich fortgesetzt.

Eine Frage, die wohl viele Kinogänger und Mittelerde-Fans nach wie vor bewegt, ist die nach der Sinhaftigkeit, den Stoff eines einzigen und relativ kompakten Buches auf drei Filme zu verteilen. Wo bei der ebenfalls dreigeteilten Verfilmung zu „Der Herr der Ringe“ aus Zeitgründen gekürzt und beschleunigt werden musste, da wird bei der Geschichte um Bilbo sämtliches verfügbares Material herangezogen, um das Geschehen um weitere Details zu ergänzen. Teils bedient sich Regisseur und Drehbuchautor Peter Jackson dabei den Anhängen des Ringe-Epos, teils lässt er seiner Fantasie freien Lauf. Nachdem ich Der Hobbit – Smaugs Einöde nun endlich gesehen habe, kann ich sagen, dass diese Vorgehensweise der Materie in meinen Augen nicht schadet. Die Tolkiensche Welt der Halblinge, Zwerge und Elben ist dank ihres ambitionierten Schöpfers so groß und reich an Interpretationsspielraum, dass an allen Ecken und Enden genügend Möglichkeiten für Ergänzungen bestehen, ohne dass dabei Langeweile aufkommen oder Einfallslosigkeit erkennbar werden muss.

Der Hobbit – Smaugs Einöde setzt dort an, wo „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise (The Hobbit: An Unexpected Journey) endete. Bilbo (Martin Freeman) und die Zwergengruppe sind unter der Leitung des Thronerben Thorin Eichenschild (Richard Armitage) nach wie vor auf der Reise zum Berg Erebor. Die altehrwürdige Heimat der Zwerge unter dem „Einsamen Berg“ wird besetzt vom mächtigen Drachen Smaug. Diesen gilt es zu vertreiben und das Königreich der Zwerge wieder aufzubauen. Doch der Weg ist lang und die Zeit drängt. Auf dem Marsch quer durch das Land treffen die Wanderer auf allerlei fremde und ihnen nicht immer wohlgesonnenen Kreaturen und Völker. Dabei ist ihnen eine Armee von Orks ständig auf den Fersen.

Wer denkt, der Inhalt des Buches sei am Ende von Der Hobbit – Smaugs Einöde bereits nahezu vollständig erzählt, der irrt gewaltig. Peter Jackson nimmt sich so viel Zeit, dass genügend Stoff verbleibt, um damit einen weiteren Film füllen zu können. Mit dem Hinzudichten geht er dabei so behutsam um, dass selbst die Szenen mit Legolas (Orlando Bloom) nicht aufgesetzt und störend wirken. Der blonde Elb hat, orientiert man sich streng an der Vorlage, in der Handlung nichts verloren. Da Elben viel älter werden als Menschen und der König der Waldelben, Thranduil (großartig gespielt von Lee Pace), Legolas Vater ist, erscheint die mitunter sehr lustige Begegnung mit den Reisenden jedoch nicht als allzu unwahrscheinlich. Zusätzlich zu einer Fülle an Querverweisen zu seiner „Der Herr der Ringe“-Trilogie ergänzt Peter Jackson die von Männerfreundschaften strotzende Erzählung um eine erfrischende Prise zarte, aber nie zu schnulzige Romantik. Ich für meinen Teil gönne Zwerg Killi jedenfalls seine Gespräche mit der schönen Elbin Tauriel (Evangeline Lilly). Als besonders positiv empfinde ich den sorgfältigen Umgang mit Nebenfiguren, wie dem Pelzwechsler Beorn (Mikael Persbrand) oder dem von Stephen Fry hinreißend schrullig gemimten Meister der Seestadt Esgaroth. Gerade wegen dieser Details ist Der Hobbit – Smaugs Einöde meiner Meinung nach trotz Änderungen und Ergänzungen insgesamt noch näher an der Vorlage als sein Vorgänger.

Bei der Betrachtung von Peter Jacksons gesamtem Mittelerde-Filmuniversum bis zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nach wie vor nur den Hut vor der großartigen Leistung aller Beteiligten ziehen. Die einzigen Fragen, die ich mir stelle, betreffen nicht die Hobbit-Filme, sondern vielmehr die „Der Herr der Ringe“-Trilogie. Jetzt, da ich sehe, wie mehr Zeit den präsentierten Inhalten nutzt, sind mir manche Änderungen an dem doch weitaus umfangreicheren Abenteuer von Frodo und seinen Gefährten fast ein Rätsel. Wie gerne hätte ich Tom Bombadil und Goldbeere auf der Kinoleinwand gesehen! Und hätte man das Schmieden von Aragorns Schwert oder die Szene mit dem Schattenheer mit einigen zusätzlichen Filmminuten nicht doch näher an der Vorlage orientieren können? All das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau.

Höhepunkt von Der Hobbit – Smaugs Einöde ist zweifellos die Begegnung zwischen Bilbo und dem Drachen Smaug (im englischen Original gesprochen von Benedict Cumberbatch). Das rote Ungetüm, das auf einem Schatz sitzt, bei dem Dagobert Duck neidisch würde, ist das Ergebnis großartiger Animationskunst. Wenn die Haut am langen Hals des Lindwurms beim Sprechen wackelt und seine Brust zu glühen beginnt, bevor er eine Feuersbrunst aus seinem Innern auf seine Feinde ergießt, hüpft mein Herz vor Freude und Verzückung in die Höhe. Besser hätte man das geldgierige Monster nicht auf die Leinwand bringen können. Daher begrüße ich das unvermeidliche Wiedersehen mit Smaug im nächsten Jahr sehr.

Mit einer Spielzeit von 161 Minuten ist Der Hobbit – Smaugs Einöde lang, dank zahlreichen und unterschiedlichen Charakteren sowie wunderschönen Bildern aber nie langweilig. Ich für meinen Teil kann von Mittelerde einfach nicht genug bekommen. Das ist mit Sicherheit auch der Grund dafür, weshalb ich gewisse Déjà-vu-Momente in Punkto Szenerie und Kamerafahrten nicht als störend oder ermüdend empfinde. Es ist vielmehr das wohlige Gefühl in eine bekannte und geschätzte Fantasiewelt zurückkehren zu können. Wer Angst vor langen Fußmärschen und ausgiebigen Gesprächen hat, dem sei versichert, dass Der Hobbit – Smaugs Einöde das Erzähltempo im Vergleich zum ersten Teil erhöht. Bilbo und die Zwerge müssen sich des Öfteren in temporeichen Szenen auf verschiedenste Arten ihrer Haut erwehren. Alles in allem gehört dieser Film für mich definitiv zu den unterhaltsamsten und besten des Jahres.

Zwei alte Haudegen

Arnie und Sly. Zwei Actionhelden vom alten Schlag. Ihre erfolgreiche Zusammenarbeit bei The Expendables (Link zu IMDB) und diverse Soloprojekte ließen die Liebe der beiden Haudegen für die Leinwand wieder entflammen. Jeder von ihnen hatte dem Kino aus anderen Gründen für eine Zeit lang den Rücken gekehrt. Regisseur Mikael Håfström vereint die betagten Muskelpakete in seinem neuesten Film Escape Plan für ein weiteres gemeinsames Abenteuer.

Ausbrecherkönig Ray Breslin (Sylvester Stallone) hat seine Gabe, aus jedem beliebigen Gefängnis der Welt auszubrechen, zum Geschäft gemacht. Im Auftrag verschiedener Organisationen überprüft er die Sicherheit in den Haftanstalten und zeigt Mängel auf. Als er einen Auftrag von der CIA annimmt, findet er sich eines Tages im sogenannten „Grab“, dem modernsten Knast der Welt wieder. Das Problem: Bei Transport wird er von seinem Team abgeschnitten und somit jeglichem Rettungsanker für den Notfall beraubt. Zeit für Ray, sich schleunigst neue Freunde zu suchen, die ihn bei Ausbruch unterstützen können. In Emil Rottmayer (Arnold Schwarzenegger) findet er schließlich einen Verbündeten. Der Mitinhaftierte ist Teil einer Hackerorganisation und weiß seine Muskeln ebenso einzusetzen, wie seinen Grips. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach dem Ausgang und einer Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren.

Wo Stallone und Schwarzenegger drauf steht, ist Action drin. Die zwei Helden tun das, was sie am besten können: Draufhauen und sich in flotten, zynischen Dialogen ergehen. Zusammen mit einer spannenden Story ergibt Escape Plan einen durchaus sehenswerten Streifen, der klassische Elemente mit schicken Effekten vereint, ohne dabei zu gekünstelt oder futuristisch zu wirken. In unterstützenden Rollen sind 50 Cent, Vincent D’Onofrio und die wunderbare Amy Ryan als Ray Breslins Team zu sehen. Der fiese Boss des Supergefängnisses wird von James Caviezel verkörpert. Es dürfte wohl niemanden überraschen, dass Escape Plan ganz auf seine zwei Hauptattraktionen zugeschnitten ist. Dennoch können die Nebenrollen allesamt überzeugen – sogar der Rapper wirkt dank Brille seriös und kann seine 50 Cents zur Handlung beitragen.

Mich persönlich hat Escape Plan über die gesamte Laufzeit gut unterhalten. Der geneigte Actionfan bekommt genau das, was er erwartet. Dieser Film ist sicher kein Meilenstein, kann sich im Vergleich zu anderen Genrewerken aber durchaus sehen lassen. Wer den beiden Haudraufs nicht beim Altern zusehen will, oder gedanklich zu sehr an den von ihnen definierten Klassikern hängt, sollte unter Umständen besser Abstand von ihren gemeinsamen Gefängnisprügeleien halten. Ich für meinen Teil kann nicht anders, als fröhlich grinsen, wenn Arnie zum großen Maschinengewehr greift und mit verbissenem Gesichtsausdruck drauflos ballert oder Sly seine überdimensionierten Muckis spielen lässt. In diesem Sinne: Hut ab, weiter so und bitte noch lange nicht in Rente gehen! Ich freue mich schon auf The Expendables 3 (Link zu IMDB)!

Letzte Ausfahrt

Was Komödien und humoristische Elemente auf der großen Leinwand anbelangt, war 2013 bisher ein Jahr, in dem viele Erwartungen unerfüllt geblieben sind. Die Erinnerung an den unglaublich humorbefreiten dritten Hangover-Teil, an das zweite Abenteuer der Rentneragenten, der alle Gags bereits in seinem Trailer verriet, oder an das untote Team aus Cop und den Cowboy, die viel zu viel Potenzial verschenkten, sind nach wie vor präsent. Natürlich gab es dank der falschen Familie Miller oder den lieber pumpenden statt denkenden Bodybuildern bereits einiges zu lachen. Dennoch waren meine Erwartungen an John Turtletaubs neuen Film Last Vegas eher gering. Zu meiner positiven Überraschung hält der Trailer in diesem Fall, was er verspricht und der ungewöhnliche Junggesellenabschied sorgt für 105 Minuten gute Unterhaltung. (Links in diesem Absatz zu meinen Kritiken zu den betreffenden Filmen)

Es ist vor allem den hochkarätigen Schauspielern zu verdanken, dass die doch sehr vorhersehbare Geschichte um den wohlhabenden Senioren Billy und seine ehemalige Jugendgang über die gesamte Länge von Kurzweil geprägt ist. Jeder von ihnen beweist ein überaus großes Maß an Selbstironie. Als Sam (Kevin Kline) und Archie (Morgan Freeman) erfahren, dass Billy (Michael Douglas) mit über 70 Lebensjahren endlich in den Hafen der Ehe einlaufen will, beschließen sie, ihn gebührend aus dem Junggesellendasein zu verabschieden. Fest entschlossen, noch einmal so richtig einen drauf zu machen, sammeln sie ihren nach dem Tod seiner Frau zum Dauergrantler mutierten Freund Paddy (Robert De Niro) ein und fahren nach Las Vegas. Jeden der alten Herren verleiten eigene Wünsche dazu, dem gewohnten Leben und den eigenen vier Wänden für ein paar Tage zu entfliehen. Vom fest eingefahrenen Alltagstrott eines Ehepaares bis zum überfürsorglichen Sohn gibt es genügend Gründe, gemeinsam die guten alten Zeiten noch einmal auferstehen zu lassen. Und dann ist da noch die attraktive Diana (Mary Steenburgen), die in ihrem Ruhestand endlich dem Traumjob als Barsängerin nachgeht und Paddy und Billy auf Anhieb den Kopf verdreht. Dabei steht Letzterer doch kurz davor, eine knackige Dreißigjährige zu ehelichen! Was den langjährigen Freunden zuerst als letzte Ausfahrt zurück in die weit entfernte Jugend erscheint, entpuppt sich immer mehr zum Trip der unbegrenzten Möglichkeiten.

Last Vegas ist eine romantische Komödie, die verschiedene Aspekte rund um das Thema „Alter“ beleuchtet. Die Witze sind dabei durchweg deftiger, als bei anderen Genrewerken wie Wie beim ersten Mal (Hope Springs, Link zu IMDB). Das Wolfsrudel könnte von Billy und Konsorten noch einiges lernen. Es wird gezockt, gesoffen und geflirtet. Doch verkommt der Film trotz viel Schenkelklopfen nie zu einem dauerhaften Abfeuern von übertriebenen Gags. Die leisen Untertöne sind stets spürbar. Regisseur Jon Turtletaub stellt viele wichtige und richtige Fragen – über das Älterwerden, den in unserer Gesellschaft immanenten Jugendwahn, falsche Schönheitsideale und zwischenmenschliche Beziehungen – ohne dabei zu melancholisch zu werden oder den belehrenden Zeigefinger zu hoch zu heben. Last Vegas ist ein humorvoller Lobgesang auf das Leben und die Freundschaft. So kann auf dem feuchtfröhlichen Ausflug in die glitzernde Wüstenstadt jedes Mitglied der Gruppe, an der die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen ist, auch auf die alten Tage noch etwas dazu lernen.

Mit viel Mut und ohne Scheu vor delikaten Themen beweist die alte Garde Hollywoods mit Last Vegas, dass gewisse Ängste und Marotten nur menschlich sind und dass gegen das Altern an sich kein Kraut gewachsen ist. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß bei der Arbeit an diesem Film. Billy, Archie, Sam und Paddy lassen die Agenten aus RED 2 und die verkaterte Truppe aus Hangover 3 (Links zu IMDB) ganz schön alt aussehen. Last Vegas reiht sich deshalb mühelos in die Liste der gelungenen Komödien des Jahres ein.

Der Strippenzieher

Mein lieber Freund Herr Hallmackenreuter und ich, wir haben was Geschenke anbelangt so einen Brauch. Neben dem offensichtlichen und unbestreitbaren Ziel, dem jeweils Anderen eine Freude zu bereiten, wird gleichzeitig die subtilere Absicht verfolgt, dessen Horizont zu erweitern. So fand Herr Hallmackenreuter sich schon das eine oder andere Mal vor der Herausforderung, sich einen bunten und lauten Actionfilm mit Riesenrobotern oder eine TV-Serie mit augenzwinkernden Agenten anzusehen. Umgekehrt wurde meine große DVD-Sammlung im Laufe der Jahre um einige Perlen der britischen Unterhaltungsserie sinnvoll ergänzt.

So fand unter anderem die gesammelte Ausgabe der Comedy-Drama-Serie Jeeves and Wooster eines Tages den Weg in mein Regal. Die von 1990 bis 1993 in insgesamt vier Staffeln gedrehten Geschichten um den Lebemann und passionierten Junggesellen Bertie Wooster und seinen treuen Kammerdiener Reginald Jeeves basieren auf den Romanen von P.G. Wodehouse (Link zu Wikipedia). Über die Originaltreue der Umsetzung zu den Büchern kann ich mir kein Urteil erlauben. Herr Hallmackenreuter hat sich einige davon zu Gemüte geführt und ich vertraue auf seine fachmännische Einschätzung, wenn er behauptet, dass die TV-Serie das Flair der Vorlagen zufriedenstellend einfängt.

Schon an der Reihenfolge, in der die Namen im Titel aufgeführt sind, ist unschwer zu erkennen, dass der Valet nicht nur für seinen Master eine große Rolle spielt. Jede Episode der Serie erzählt ein abgeschlossenes Kapitel aus dem turbulenten Leben von Bertie Wooster. Der ehrenvolle, leichtgläubige und stets etwas tollpatschige Single aus Überzeugung lässt sich durch seine vielen Freunde und vor allem durch etliche, resolute Tanten immer wieder in ausweglose Situationen manövrieren, aus denen ihn nur Jeeves befreien kann. Egal ob unfreiwillige Verlobung oder das unauffällige Entwenden eines bestimmten Gegenstandes aus einem ehrwürdigen Haus, der durchtriebene Kammerdiener weiß Rat in jeder Lebenslage. Während der Durchführung seiner fantasievollen Pläne schafft es der eigensinnige Valet obendrein, seinem hilflosen Arbeitgeber mehr oder weniger direkt den eigenen Willen aufzuzwingen. Jeeves Dienste kosten Bertie deshalb oftmals gleich in mehrfacher Hinsicht. Seien es ein Hut oder ein Schnurrbart, die der auf klassische Eleganz bedachte Jeeves aus der Garderobe von Wooster eliminiert sehen möchte, oder eine Reise, die er sich aus Bildungsgründen wünscht, am Ende gewinnt in diesem Fall nicht die Bank, sondern der Butler (man verzeihe mir die falsche Bezeichnung an dieser Stelle aufgrund des zum Satzbau besser passenden Anfangsbuchstaben).

Die einzelnen Erzählungen sind voller Humor und es sind vor allem die Dialoge zwischen Jeeves und Wooster, die diese Serie absolut sehenswert machen. Hinzu kommen wunderbare Aufnahmen von großen Herrenhäusern und kleinen Ortschaften in Großbritannien, welche die 1930er Jahre hochstilisiert wieder auferstehen lassen. Einige Folgen spielen sogar in meiner Lieblingsstadt: New York. Hier beschränkt man sich allerdings bei den Kulissen – mutmaßlich aus Geldgründen – auf einige wenige. Bei Touren durch die Nachtclubs der Stadt die niemals schläft müssen beispielsweise Leuchtreklamen als Einblendungen ausreichen. Die immer wiederkehrenden Zwischensequenzen fallen in jenen Übersee-Folgen besonders auf. Dies schmälert den Sehgenuss freilich nur leicht und möglicherweise nur wenn man sich, wie ich, die gesamten vier Staffeln innerhalb von kürzester Zeit anschaut.

Was hingegen selbst bei größeren Sehpausen zwischen den einzelnen Abenteuern von Jeeves and Wooster ins Gewicht fällt, ist der ständige Wechsel der Schauspieler in wichtigen Nebenrollen. Obwohl fast jede Tante und jeder Freund von Bertie Wooster im Verlauf der Serie mehrere Auftritte hat, gibt es nur ganz wenige, die über alle Folgen hinweg von derselben Person verkörpert werden. Dies geht meiner Meinung nach leider sehr zulasten der Atmosphäre. Kaum hat man einen der schrulligen Charaktere liebgewonnen und sein Äußeres samt seinen Marotten kennengelernt, muss man sich wieder umgewöhnen. Alte Gewohnheiten im neuen Gewand sind bedauerlicherweise weniger wirkungsvoll als würde man ihnen das gewohnte Erscheinungsbild lassen. Immerhin bleiben die beiden Hauptcharaktere erhalten. Stephen Fry (Jeeves) und Hugh Laurie (Wooster) hauchen ihren Figuren hinreißend überzeugend Leben ein und harmonieren perfekt miteinander.

Die Unterredungen zwischen Herr und Meister – so der deutsche Untertitel der Serie – bei denen es im Auge des Betrachters liegt wer gerade welche Rolle einnimmt, trösten über viele der Dinge hinweg, die man als Kritik anführen könnte. Ihnen ist es zu verdanken, dass die sich im Laufe der Zeit ständig wiederholenden Elemente (z.B. Diebstähle, Verlobungen) trotz ihrer Repetitivität unterhaltsam präsentiert werden. Auch lassen sie mich über Szenen und Darstellungen hinwegsehen, die in meinen Augen etwas zu extrem in den Slapstick abrutschen. Situationskomik ist ein mit Britcom untrennbar verbundenes Element. Allein die Dosierung ist mir persönlich bei Jeeves and Wooster hier und da etwas zu unausgewogen (wenngleich Herr Hallmackenreuter zweifellos wahrheitsgemäß feststellt, dass dies an den allermeisten Stellen von Treue zur Buchvorlage zeugt).

Jeeves and Wooster (Link zu IMDB) ist eine äußerst unterhaltsame Serie. Beim Abspann jeder Folge wünsche ich mir einen persönlichen Kammerdiener à la Jeeves. Die Figur des unauffälligen Strippenziehers in Form des wortgewandten und immer respektvollen Dieners ist nicht umsonst weltberühmt geworden.

Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

Eine Gruppe von Leuten trifft sich in einem abgelegenen Haus. Die geplante, fröhliche Zusammenkunft geht gründlich in die Hose, weil Wahnsinnige nach und nach die Gemeinschaft der Feierwütigen dezimieren. Klingt bekannt? Im Grundsatz ist die Geschichte, die Drehbuchautor Simon Barrett und Regisseur Adam Wingard in You’re Next erzählen auch nichts Neues. Dennoch ist ihr Film nicht einfach neue Standardkost für das gut bevölkerte Horror-Subgenre rund um Hausfriedensbruch (engl. Home Invasion). Was den Davisons in ihrem beschaulichen Landsitz widerfährt, als blutrünstige Mörder ihre mehr oder weniger erholsame Familienfeier stören, ist einfach schrecklich unterhaltsam.

Ohne Rücksicht auf Verluste wird – mit Armbrust, Machete und allem, was der Werkzeugkoffer hergibt – gemeuchelt was das Zeug hält. Zeit für Verschnaufpausen gibt es, aber nur um den nächsten Knalleffekt vorzubereiten. Gekonnt spielen die Macher die Horror-Klaviatur rauf und runter. Fröhlich bedienen sie uralte Klischees. Wer genau hinschaut, kann jede Menge Seitenhiebe auf diverse der bekanntesten Slasher- und Splatter-Werke erkennen. Wer nun denkt, bei You’re Next wären die meisten Elemente bloß billige Kopien, liegt allerdings falsch. Trotz den recht vorhersehbaren Haken, welche die Handlung schlägt, birgt sie genug Originalität und Eigenständigkeit, um für sich stehen zu können. Bemerkenswert ist dabei die eigenwillige Mixtur aus Humor und Ernst, bei sich beide Zutaten stets die Waage halten und die You’re Next in jeder Minute bravourös davor bewahrt ins Lächerliche abzudriften.

Neben überzeugenden und handgemachten, klassischen Splattereffekten sorgt Mads Heldtberg mit präsenter Musik für athmosphärische Dichte und dafür, dass die Schockmomente sitzen. Er erbringt des Beweis dafür, dass geräuschvolle Stille möglich ist. Wenn ein Familienmitlied unbedacht seinen Kopf aus dem Fenster streckt oder vorsichtig einen Flur mit knarzenden Dielen entlang schleicht und eine dräuende Tonkulisse den nächsten Angriff der Killer vorausahnen lässt, kräuseln sich bei den Zuschauern wohlig die Nackenhaare.

Einige der größten Überraschungseffekte von You’re Next hat Sharni Vinson auf ihrer Seite. Ihre Rolle als Erin Harson, die mit einigen sehr nützlichen Fähigkeiten und Tricks aufwarten kann, bei deren Anblick selbst erfahrene „Scream Queens“ wie Jamie Lee Curtis oder Neve Campbell neidisch werden, spielt sie großartig. Dabei ist die unfreiwillige Heldin bloß als Partnerin von Chrispian Davison mit zur Familienfete gekommen. Der von A. J. Bowen verkörperte Sohn der Davisons hat, wie der Rest der Gesellschaft, keine Ahnung, wie erfinderisch seine Liebste in der Not werden kann. Neben der unter anderem durch Re-Animator (Link zu IMDB) bekannten Barbara Crampton als Mutter Aubrey, können auch Nicholas Tucci, Joe Swanberg und Amy Seimetz als restliche Sprösslinge der Davisons überzeugen.

You’re Next ist ein cleverer Horrorfilm, der bekannte Elemente mit neuen Ideen kombiniert. Durch die temporeiche Inszenierung vergehen 95 Minuten wie im Flug. Obwohl nichts völlig neu erfunden wird, funktioniert das Gesamtkonzept wunderbar. Fans des gepflegten und mitunter expliziten Mordens haben freilich keine Angst vorm bösen Wolf und vor fiesen Mördern mit Tiermasken schon gar nicht. Es ist jedoch durchaus wahrscheinlich, dass selbst Schreckerprobte während You’re Next das ein oder andere Mal im Kinosessel zusammenzucken. Nach zwei Jahren seit seinem Entstehen hat der Film den Weg in die Kinos gefunden. Horrorliebhaber lassen sich diese Gelegenheit nicht entgehen.

Göttliche Unterhaltung

Ein bisschen Bammel hatte ich schon, als ich den Kinosaal betrat, um mir den brandneuen Marvel-Streifen anzusehen. Nach dem furiosen ersten Leinwand-Team-Up der Avengers hat nach Iron Man nun der Donnergott seinen nächsten Solo-Auftritt. Das dritte Abenteuer des Mannes in der eisernen Rüstung konnte mich nicht wirklich begeistern (Interessierte können meine Kritik hier nachlesen). Hoffnung, dass das enttäuschende Erlebnis ein Einzelfall im Marvel-Filmuniversum bleiben könnte, machten Wolverines Ausflug nach Japan (hier entlang zu meiner Kritik), sowie die fantastischen Trailer zu Thor: The Dark World. Warum man den Titel für Deutschland in Thor: The Dark Kingdom umbenannt hat, kann und will ich nicht verstehen. Lokale Untertitel kann man irgendwie verargumentieren, aber ein neuer englischer Titel ist in meinen Augen schlicht unnötig.

Marvels nordische Saga um die mächtigen, außerirdischen „Götter“ war schon immer etwas Besonderes. Thor und seine Geschichten aus Asgard hoben sich seit jeher von den Erlebnissen seiner Superheldenfreunde von der Erde ab. Seine Welt ist fantastisch, mystisch und hat ihre ganz eigenen Gesetze. Die sehr originalgetreue Umsetzung des alten Königreiches mit all seinen Einwohnern und ihren aufwändigen Kostümen war es, die mich bereits vor zwei Jahren begeisterte, als Kenneth Brannagh den Donnergott zum ersten Mal ins Kino brachte – ganz ohne Angst vor großen Helmen mit markanten Hörnern. Ein Wechsel unter den Machern geht bei Filmfortsetzungen in den allermeisten Fällen mit spürbaren Unterschieden einher. So war es beispielsweise der unverkennbare Stempel von Shane Black, der meiner Meinung nach nicht ganz mit Iron Man harmonieren wollte. Mit Regisseur Alan Taylor hat man im Falle von Thor jedoch einen wirklich passenden Ersatz gefunden. Der erfahrene Filmemacher kennt sich durch seine Arbeit für diverse TV-Serien, wie Game of Thrones oder Die Sopranos, mit fantastischen und komplizierten Familiengeschichten aus (Links zu IMDB). Comicautor Christopher Yost, der sich für das Drehbuch zu Thor: The Dark Kingdom verantwortlich zeigt, bringt das nötige Wissen und den gebührenden Respekt für die Vorgeschichte des Hammerschwingers in gezeichneter und gefilmter Form mit.

Nachdem er gemeinsam mit den irdischen Helden in New York den Angriff der Chitauri erfolgreich abgewehrt hat, ist Thor zurück in seine Heimat Asgard gereist. Seinen hinterlistigen Bruder Loki, der für die Katastrophe auf der Erde verantwortlich ist, nahm er mit. Eingekerkert in einer Zelle im Verlies, verbüßt dieser seine gerechte Strafe, während Thor seiner Aufgabe als Sohn des Königs nachkommt und den Frieden in den neun Welten, über die die Asen als Beschützer wachen, wieder herstellt. Egal wo im Universum er sich befindet, sein Herz lässt ihn sich ununterbrochen nach der Menschenwelt sehnen. Mithilfe von Heimdall, dem Wächter der Götter und Herrn über die Regenbogenbrücke Bifröst, dem Reiseportal der Asen, behält er seine große Liebe, Jane Foster, stets im Blick. Als die ambitionierte Wissenschaftlerin plötzlich verschwindet, greift Thor ein. Das glückliche Wiedersehen wird überschattet von einem Fund den Jane zufällig macht. Dieser ruft das uralte, gefährliche und längst besiegt geglaubte Volk der Dunkelelfen auf den Plan, dessen Anführer Malekith nach der Zerstörung nicht nur einer Welt trachtet. Gegen den Willen von Allvater Odin schmiedet der Donnergott einen gefährlichen Plan, in dem unter anderem Loki eine wichtige Rolle spielt.

Mit Malekith erweckt Christopher Yost einen alten Feind aus den Geschichten um den Donnergott zum Leben. Trotz einiger Vereinfachung der Zusammenhänge bleiben die wichtigsten Eigenschaften des Bösewichtes erhalten, der durch Christopher Eccleston in einer beeindruckenden Maske wahrhaft bedrohlich verkörpert wird. Chris Hemsworth war von Anfang an wie geschaffen für die Rolle des aufbrausenden, blonden Haudrauf, der lieber mit seinem Hammer zuschlägt, als lange zu diskutieren. Der nicht umsonst sehr beliebte Charakter des Loki, wird ein weiteres Mal als perfekter Gegenspieler für wundervolle Dialoge mit dem Donnergott etabliert. Der doppelzüngige Meisters der Täuschung ist und bleibt Tom Hiddelstons Meisterstück. Anthony Hopkins passt als Allvater wie die Faust auf Odins gesundes Auge. In Thor: The Dark Kingdom hat er endlich ein paar wichtigere Szenen. Etwas mehr Zeit bekommen auch Lady Sif und die Drei Krieger. Die Parts der insgesamt vier Charaktere hätten, ginge es nach mir, ruhig noch etwas erweitert werden können. Volstagg (Ray Stevenson), Fandral (Zachary Levi) und Hogun (Tadanobu Asano) sowie die von Jaimie Alexander gespielte Kriegerin bieten jede Menge ungenutztes Potenzial, von dem ich hoffe, dass es in kommenden Thor-Filmen genutzt wird.

In seinen 112 Minuten gewährt der Film der Geschichte Zeit, sich zu entfalten und all seinen Charakteren Raum, fühlbar in Erscheinung zu treten und bei den Zuschauern bleibende Eindrücke zu hinterlassen. Der Wechsel zwischen Action und Romantik, Düsternis und Farbenfreude, Humor und Ernst sorgt durchgehend für Abwechslung. Komponist Brian Tyler passt seine Musik perfekt an das Geschehen an und untermalt es stimmungsvoll, aber nicht zu aufdringlich. Insgesamt kommt Thor: The Dark Kingdom etwas getragener daher als Iron Man 3 oder The Avengers, wo ein Kampf den nächsten jagt (Links zu IMDB). Ich persönlich sehe gerade darin eine Stärke des Films. So wird die Welt des Donnergottes auch für diejenigen, die keine Comics lesen, mit Hintergrund und Leben gefüllt. Wer noch tiefer in das Marvel-Filmuniversum eintauchen möchte, kann die Vorgeschichte zum Film in Comicform nachlesen (Link zur Produktseite auf der Webseite des Panini-Verlages). Ein bisschen Vorwissen ist zum Verständnis des Films generell ratsam, wenngleich nicht zwingend nötig. Wer „The Avengers“ und „Thor“ nicht gesehen hat, wird zwar die Hauptgeschichte, jedoch nicht alle Feinheiten erfassen können. Dies ist das unvermeidliche Resultat des wachsenden Marvel-Filmuniversums.

Thor: The Dark Kingdom verbindet epische Fantasy mit brachialen Heldentaten und super Schurken. Dieses Werk bringt Mjölnir und seinen Besitzer zurück zu ihren Wurzeln und bietet einfach göttliche Unterhaltung. Die nächsten Helden stehen bereits in den Startlöchern und versprechen für das kommenden Jahr jede Menge Nachschub für Superheldenfans und alle, die es werden wollen.

An alle, die Lust auf einen Gang ins Kino und einen Besuch bei Marvels Donnergott bekommen haben, erfolgt an dieser Stelle noch der wichtige Hinweis: Bitte unbedingt bis ganz zum Ende sitzen bleiben, also den GESAMTEN Abspann von „Thor: The Dark Kingdom“ abwarten!