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Blut, Schweiß und Waschbrettbäuche

Gut Ding will Weile haben. So lautet das Sprichwort. Auch in Hollywood benötigt manche Filmproduktion mehr Zeit als geplant. Dafür, dass das Ergebnis dank längerer Konzeptions- und Arbeitszeit dann ein gutes ist, gibt es freilich keine Garantie. Nach der äußerst erfolgreichen Verfilmung von Frank Millers Comicvorlage mit dem prägnanten Namen 300 (Link zu IMDB) im Jahr 2006 war eine Fortsetzung lange im Gespräch. Zur Umsetzung gelangte diese erst 8 Jahre später. Nun metzeln sich in 300: Rise of an Empire endlich wieder leichtbekleidete und muskelbepackte antike Krieger über die Kinoleinwand.

Der Inhalt des unter der Anleitung von Regisseur Noam Murro entstandenen Schlachtenepos ist rund um die Geschehnisse seines Vorgängers angesiedelt. So werden neben der Herkunftsgeschichte des mächtigen Persergroßkönigs Xerxes dessen Motive enthüllt und es wird vom Fortgang von dessen Kriegszug durch Griechenland erzählt. Wieder ist es eine zahlenmäßig unterlegene Armee, die dem größenwahnsinnigen und rachsüchtigen Gottkönig das Leben schwer macht. In einer verzweifelten Seeschlacht stellt sich der griechische Heerführer Themistokles dem übermächtig erscheinenden Feind entgegen. Doch nicht nur er ist ein Meister von List und Tücke. Den persischen Truppen steht die Xerxes treu ergebene Artemisia vor, die gewitzter und gefährlicher ist, als der König selbst und aus ganz eigenen Motiven nach Rache an den Griechen sinnt.

Zum Erfolg des ersten Teils maßgeblich beigetragen haben Frank Millers einfach strukturierte Heldenerzählung sowie deren brachiale, bildgewaltige und sich erstaunlich nahe an der Vorlage bewegende Umsetzung im einzigartigen Stil von Regisseur Zack Snyder. Wer sich auf die Suche nach historischer Korrektheit macht, der wird weder bei 300 noch bei 300: Rise of an Empire fündig. Der vom talentierten und berühmten Autor beim Erzählen verfolgte Zweck ist zweifellos nichts als die Unterhaltung. Dass Frank Millers Werke und bisweilen auch seine Statements polarisieren, ist bekannt. Zweifelhafte politische Botschaften sollte man jedoch besser in seinem Comic Holy Terror (Link zur Produktseite auf der Webseite des Panini Verlags) suchen, denn im Rest seiner absolut bemerkens- und lesenswerten Arbeiten. Obwohl die Comicvorlage zu 300: Rise of an Empire noch nicht erschienen ist, wird es sie geben. Sie wird den Namen „Xerxes“ tragen. Das Mitwirken des Künstlers am Film – als Ideengeber und einer der Produzenten – ist deutlich spürbar, ebenso die von von Zack Snyder, der dem neuen Regisseur sicherlich mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Anders ist es kaum zu erklären, dass sich 300: Rise of an Empire nahtlos in das antike Filmuniversum einfügt. Die Rückkehr zu jenem effektiven Konzept, mit dem man die Zuschauer schon einmal begeistern konnte, wird durch ausreichend neue Elemente aufgefrischt, so dass über die gesamte Spielzeit nie der Eindruck von Einfallslosigkeit entsteht. Die ästhetisch und mit viel Liebe zum Detail inszenierten Schlachten wissen das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Explizite Gewaltdarstellung dient dabei zum einen als künstlerisches Stilmittel und sorgt zu anderen dafür, dass bei genauem Hinsehen neben all dem Ergötzen am Kampfgeschehen ausreichend kritische Untertöne für beide der verfeindeten Seiten vernommen werden können.

Liebhaber der 300 tapferen, aber trotz allem Bemühen leider sieglos gebliebenen Spartaner freuen sich über ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern, wie Lena Headey als Königin Gorgo, die gleichzeitig als Erzählerin aus dem Off fungiert, sowie David Wenham als einäugiger Dilios. Positiv zu verzeichnen ist auch die Rückkehr von Rodrigo Santoro als Xerxes. Neuer Hauptcharakter in 300: Rise of an Empire ist der Grieche Themistokles, routiniert verkörpert von Sullivan Stapleton, der mehr mit Bauchmuskeln und Kampfhandlungen denn durch besonders viel Schauspielerei überzeugen darf. Obwohl er gleichwohl blasser wirkt als Gerard Butlers flammende Darbietung von König Leonidas in 300, spielt er seinen Part mit genügend Energie, um als Gegenpart zu Eva Green bestehen zu können. Die Schauspielerin mimt die von Rache beseelte Artemisia leidenschaftlich und mit vollem Körpereinsatz. Sie kann getrost als diejenige gelten, welche den Film über weite Strecken hinweg fast im Alleingang zu tragen vermag.

300: Rise of an Empire mag konzeptionell nicht so neu und innovativ wie sein Vorgänger wirken. Für alle, die gut gemachtes, historisch inspiriertes Actionkino mit Rennsandalen, Lendenschürzen und Schwertkampf zu schätzen wissen, birgt dieser Film dennoch einen großen Unterhaltungwert. Für 102 Minuten dröhnt und kracht es fast ununterbrochen aus allen Rohren, was den visuellen und teilweise fast hypnotischen Sog unterstützt, den eine schier endlose Menge Blut, Schweiß und Waschbrettbäuche entfaltet. Das eingangs genannte Sprichwort trifft auf 300: Rise of an Empire also tatsächlich zu. Nach einer langen Weile ist hier ein wirklich gutes „Ding“ entstanden, das für die große Leinwand gemacht ist.

Agent im Schatten

Nein. Dazu, den Tod von prominenten Persönlichkeiten nur ihrer Bekanntheit wegen – und weil es dank Internet und sozialen Netzwerken fast schon Mode geworden ist – besonders ausgiebig und öffentlich zu bedauern, neige ich nicht. Dennoch muss ich zugeben, dass mich das Ableben von manchen von ihnen durchaus trifft – auf ganz verschiedene Art und Weise. Zu diesen Fällen gehören der kürzlich verstorbene Autor und Regisseur Harold Ramis, der mich mit seinen Filmen (u.a. Ghostbusters, Link zu IMDB) seit meiner Kindheit über die Jahre hinweg vortrefflich unterhalten hat, sowie der zu meinen Lieblingsromanautoren zählende Tom Clancy. Der bekannteste Charakter, den Letzterer im Laufe seiner langjährigen Karriere geschaffen hat, ist Jack Ryan. Dessen Abenteuer habe ich in mehreren Büchern aufmerksam verfolgt. Vier Mal wurden die Geschichten des intelligenten und stets in streng geheimer Mission agierenden Analysten und CIA-Agenten bereits verfilmt, zuletzt 2002 in Der Anschlag (The Sum of All Fears, Link zu IMDB) mit Ben Affleck in der Hauptrolle. Nun, 12 Jahre später, wagt Kenneth Branagh mit Jack Ryan: Shadow Recruit einen weiteren Versuch, besagten Helden zurück auf die große Leinwand zu bringen. Herausgekommen ist ein solider Agenten-Thriller, der mit der Bürde des Namens seines bekannten Titelgebers schwer zu kämpfen hat.

Die Story von Jack Ryan: Shadow Recruit ist schnell erzählt und könnte kaum klassischer sein. Als Vergeltung für eine nicht erfolgte politische Unterstützung planen russische Terroristen einen Anschlag auf amerikanischem Boden. Der junge Patriot, Soldat und mehr oder weniger freiwillige CIA-Agent Jack Ryan muss die Pläne der Staatsfeinde aufdecken und den Angriff verhindern. Mehr brauchen und sollten alle, die den Film anzusehen planen, im Voraus nicht zu wissen. Sich die dazugehörigen Trailer anzusehen, kann ich zur Vorbereitung auf den Kinobesuch niemandem empfehlen, denn diese nehmen unglücklicher- und ungeschickterweise gleich mehrere Wendungen vorweg. Bezüglich Setting und Thematik liegt die Geschichte zweifellos in einem Bereich, der sich mit Tom Clancys Büchern überschneidet. Jedoch reicht sie in Sachen Komplexität und Intensität leider nicht im Geringsten an die Werke von Jack Ryans geistigem Schöpfer heran.

Die von Kenneth Branagh und seinem Team verfolgte Idee, den Inhalt des Films extra nicht auf einer bestimmten Buchvorlage aufzubauen, sondern den Werdegang und die Eigenschaften der einzelnen Charaktere herauszufiltern und basierend auf den Ergebnissen einen eigenen und unabhängigen Neuanfang zu spendieren, ist keine schlechte. Einiger Ballast kann durch das Transportieren des Beginns von Jack Ryans CIA-Karriere um etwa zwanzig Jahre in die Zukunft abgeworfen werden. Trotzdem wiegt allein der Name schwer, vor allem vor dem Hintergrund des nur einige Monate zurückliegenden Todes von Tom Clancy. Der hat dieser Vorgehensweise zwar zu Lebzeiten noch zugestimmt, ob ihm das Endergebnis zugesagt hätte ist hingegen mehr als zweifelhaft. Zu einfach machen es sich die Autoren gleich an mehreren Stellen, zu gewöhnlich stellt sich das Storykonstrukt im Nachhinein dar, zu flach wird insbesondere die Hauptfigur präsentiert. Viel Potenzial bleibt schlichtweg vergeben. Zum Ende hin wirkt der Film durch zu schnelle Schnitte und fehlende Erklärungen immer gehetzter und bemühter. Die Figuren scheinen nur noch in geradezu übermenschlicher Geschwindigkeit zu reagieren und nicht mehr zu agieren. Auswege aus brenzligen Situationen erscheinen per Zufall und durch Geisterhand. Gedankengänge werden festgestellt. Ihre Herkunft und damit das Innenleben der Handelnden bleibt zu oft im Dunkeln. Daraus resultiert ein latentes Gefühl des Bekannten, des Gewohnten, aber auch der Einfallslosigkeit.

Der Regisseur von Jack Ryan: Shadow Recruit betätigt sich in seinem Werk gleichzeitig schauspielerisch. Die Rolle des fiesen, russischen Oligarchen Viktor Cherevin gefällt Kenneth Branagh dabei sichtlich. Seinen aufgrund der Eindimensionalität der Figur nicht gerade als besonders anspruchsvoll zu bezeichnenden Part mimt er überzeugend. Die beste schauspielerische Leistung des Films liefert Kevin Costner als Jack Ryans Mentor, Thomas Harper, ab. Dank ihm gewinnt zumindest dieser Charakter über 105 Minuten Spielzeit hinweg etwas an Tiefe und Sympathie. Chris Pine mag als junger Captain Kirk zwar gute Arbeit leisten, in der Rolle des Jack Ryan wird allerdings deutlich, dass sein Repertoire, sich vielschichtig auszudrücken, begrenzt ist. Nicht jeder Actionheld muss über eine facettenreiche Mimik verfügen. Jack Ryan aber schon. Ebenso blass wirkt Keira Knightley als seine Frau, Cathy Ryan.

Trotz vieler Schwächen ist Jack Ryan: Shadow Recruit im Hinblick auf seine Unterhaltsamkeit kein Totalausfall. Es gibt einige wirklich spannende und gut gemachte Szenen, wie eine gelungene Flucht dank Sniper-Unterstützung. Wer einen soliden Agentenfilm erwartet, der wird nicht enttäuscht. Fans der Bücher von Tom Clancy hingegen müssen beide Augen zudrücken, um ihren Helden wiederzuerkennen. Ich persönlich habe das Gefühl, dass eine originalgetreue Verfilmung einer von Hollywood bisher unangetasteten Geschichte aus den Anfangstagen von Jack Ryans Karriere aus der Feder seines Schöpfers (z.B. „Red Rabbit“ oder „Der Kardinal im Kreml“) inklusive Beibehaltung von Zeiten und Orten im wirklich klassischen Stil oder aber die Fortschreibung der in den neueren Büchern beschriebenen Abenteuer seines Sohnes, Jack Ryan Jr. – während Jack Ryan selbst Präsident der USA ist – ein besserer Neustart hätte sein können. So bleibt Jack Ryan nur ein Agent im Schatten seines in den Büchern beschriebenen Selbst und im Schatten von diversen anderen Kinoagenten, wie  James Bond und Jason Bourne (Links zum jeweils letzten Teil der Filmreihen auf IMDB).

Vom Lügen und Betrügen

Knapp zwei Wochen vor der Verleihung der Oscars läuft mit American Hustle ein in Fachkreisen dafür hoch gehandelter Favorit in den deutschen Kinos an. David O. Russells neuer Film startet mit insgesamt zehn Nominierungen in das Rennen um die in Hollywood heiß begehrten, goldenen Trophäen. Etliche Preise hat die hochkarätig besetzte und mit viel Liebe zum Detail inszenierte Komödie bereits gewonnen, unter anderem bei den Golden Globe Awards und den Critics‘ Choice Movie Awards (Links zu Wikipedia). Sämtliche Aufstellungen und Auszeichnungen sind verdient, denn American Hustle bietet Schauspielkunst auf höchstem Niveau, kombiniert mit maximalem Unterhaltungswert.

Die Arbeit an diesem Werk muss allen Beteiligten einen Riesenspaß bereitet haben. Anders sind die hervorragenden Leistungen von Cast und Crew nicht zu erklären. Angefangen bei den bis ins kleinste Detail geschliffenen Dialogen, über die opulente Ausstattung im Stil der 70er Jahre, bis zu den facettenreichen Darbietungen der Darsteller, stimmt bei American Hustle einfach alles. Die Geschichte um den Lebenskünstler und Trickbetrüger Irving Rosenfeld (Christian Bale) und seine schöne wie gerissene Komplizin Sydney Prosser (Amy Adams) entfaltet sich vor den Augen der Zuschauer in stoischer Ruhe und bisweilen kaum auszuhaltender Gelassenheit. Dem ehrgeizigen FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper) ausgeliefert, der das Geheimnis der Beiden kennt und sie damit erpresst, müssen die Betrüger ihre Fähigkeiten im Dienste des Staates einsetzen, um korrupte Politiker zu überführen. Dass der Gesetzeshüter dabei immer skrupelloser und unbedachter vorgeht, stellt die Gruppe regelmäßig vor neue Herausforderungen und treibt die Ereignisse in einer unaufhaltsamen Spirale weg von deren Kontrollierbarkeit.

Lang gezogene Kragenenden, wilde Muster und tiefe Dekolletés bei Frauen und Männern wirken im Vergleich zur Mode der heutigen Zeit alleine schon befremdlich. Bei American Hustle trägt jede dieser Feinheiten zur einzigartigen Atmosphäre bei. Erst inmitten dieser farbenfrohen Welt mit ihren wallenden Stoffen und auffälligen Dekors an Menschen und Wänden wird das Verwirrspiel, das die Protagonisten austragen, perfekt. Christian Bale beweist in der Rolle des Irving Rosenfeld ein weiteres Mal sein unglaubliches Talent und seine Gabe, sich so tief in seine Rollen hineinzuversetzen, dass er sie aus jeder Faser ausstrahlt. Körperliche Makel präsentiert er dabei völlig ungeniert. In der glamourösen Welt Hollywoods ist dies keine Selbstverständlichkeit. Ebenso überzeugend spielt Bradley Cooper seinen Part als vom Wunsch nach Aufstieg getriebener FBI-Agent Richie DiMaso. Sein Minenspiel und seine Fähigkeiten reichen so viel weiter als das von ihm in seiner Karriere viel zu lange zelebriertes Sonnyboy-Image. Nach The Place Beyond the Pines (Link zu IMDB) weiß er erneut in einer Charakterrolle zu überzeugen. Wunderbar authentisch ist auch die Darbietung von Jeremy Renner als korrupter Politiker und Familienmensch Carmine Polito. Wenn er in einer Feierszene mit Christian Bale lauthals zu Tom Jones „Delilah“ singt, ist das so herzerwärmend komisch, dass sich wohl keiner der Zuschauer ein Schmunzeln verkneifen kann. Amy Adams spielt die nicht mit ihren Reizen geizende Sydney Prosser mit viel Herz. In ihren Nebenrollen absolut bemerkenswert sind Jennifer Lawrence und Elisabeth Röhm als energische und eigenwillige Ehefrauen im Hintergrund – von Robert De Niros kurzem Auftritt in seiner Paraderolle als Mafioso ganz zu schweigen.

Der Humor von Amercian Hustle ist kein lauter, aber nicht minder vergnüglich und langanhaltend in seiner Wirkung. Für Liebhaber von ausgedehnten, stimmigen Dialogszenen und hintergründigem Witz, ist dieser Film genau das Richtige. David O. Russells Arbeit wirkt insgesamt zurückhaltender als die seiner Regiekollegen Quentin Tarantino (Pulp Fiction), Guy Ritchie (Bube Dame König grAS) oder Martin McDonagh (7 Psychos), seine beharrliche Erzählweise jedoch dennoch mit der Ihren vergleichbar (Links zu IMDB). Seine Geschichte vom Lügen und Betrügen ist so charmant wie lustig und jeden Cent für die Kinokarte wert.

Hätte ich bei der Vergabe der Oscars etwas zu sagen, würde ich – basierend auf meinem aktuellen Wissensstand – für American Hustle als „Bester Film“ stimmen. Ich habe zugegebenermaßen nach wie vor (noch) nicht alle nominierten Filme gesehen. In Sachen Hintergründigkeit, Storytelling und Leistung des gesamten Ensembles hat American Hustle zumindest dem Konkurrenten The Wolf of Wall Street einiges voraus. Über den in meinen Augen zwar visuell überzeugenden, aber inhaltlich flachen Gravity will ich mich an dieser Stelle gar nicht mehr auslassen. (Links in diesem Absatz zu IMBD)

Murphy und das Gesetz

Einer der bekanntesten Actionhelden feiert einen cineastischen Neubeginn! Nach Judge Dredd (1995 vs. 2012) und Douglas Quaid (1990 vs. 2012) hebt sich nun der Vorhang erneut für RoboCop. Der markante Titel, der im Jahre 1987 wie heute mit dem Namen, beziehungsweise der Bezeichnung, der Hauptfigur übereinstimmt, ruft bei Fans des Originals wohlige Erinnerungen an ein Spektakel wach, das ob seiner Härte und Zeitlosigkeit der Utopie weiterhin seinesgleichen sucht. Die ungeschnittene Fassung von Paul Verhoevens Kracher war in Deutschland bis vor Kurzem indiziert. Kein Wunder also, dass die mit FSK 12 sehr niedrig angesetzte Altersfreigabe der Neuverfilmung bereits im Voraus bei Actionliebhabern zu wilden Diskussionen und großer Skepsis führte. Der Vorwurf, dass der Polizist im Roboterkörper durch fehlende Kunstblutergüsse zwangsläufig seinen Biss verliert, ist jedoch nicht berechtigt – zumindest dann nicht, wenn man der Geschichte um die Menschmaschine den Vorzug gibt. José Padilha beweist mit seiner Version von RoboCop, dass die Erzählung ihren Reiz auch ohne ausufernde Gewalt entfalten kann. (Links in diesem Absatz zu IMDB)

Alex Murphy (Joel Kinnaman) lebt im Jahr 2028. Er ist ein pflichtbewusster Polizist und liebender Familienvater. Seiner Arbeit geht er ohne Rücksicht auf Probleme oder gar Verluste nach. Das einzige Ziel des ehrgeiziges Cops ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung in seiner Heimatstadt Detroit. Politik interessiert Alex wenig. Als er sich bei einem hinterlistigen Mordanschlag schwerste Verletzungen zuzieht, wird er unfreiwillig zum Spielball des Machtstrebens des Megakonzerns OmniCorp. In einem Akt vorgetäuschter Selbstlosigkeit lässt Firmenchef Raymond Sellars (Michael Keaton) den dahinsiechenden Polizisten von seinem besten Wissenschaftler, Dr. Robert Norton (Gary Oldman), retten. Eingebaut in eine stählerne Hülle bekommen Alex klägliche Überreste einen neuen, gepanzerten Körper mit übermenschlichen Fähigkeiten. Dass die Erschaffung von RoboCop weniger humanitären Zielen dient, sondern vor allem der Überzeugung des amerikanischen Volkes vom Nutzen der von OmniCorp für Kriegseinsätze produzierten Roboter, merken Alex, seine Frau Ellen (Abbie Cornish) und der von guten Vorsätzen getriebene Dr. Norton spät. Während die politischen Ränkespiele in vollem Gange sind, kämpft der in Metall gefangene Cop seinen ganz eigenen Kampf – mit dem Teil von ihm, der nun eine Maschine ist und gegen die Verbrecher, die das Attentat auf ihn verübten.

Der neue RoboCop ist nicht nur als Figur vielschichtiger als sein Vorbild. Drehbuchautor Joshua Zetumer verleiht dem Plot Tiefe und webt über die gesamte Spielzeit unübersehbare Gegsellschaftskritik in die Geschichte ein. Die Sinnhaftigkeit von Generalverdächtigungen gegen ganze Völker und die Vormachtstellung der USA auf dem Gebiet der Sicherheit und des Friedens sind nur zwei Aspekte, die der exzentrische Moderator und OmniCorp-Freund Pat Novak (Samuel L. Jackson) in seiner reißerischen TV-Show „The Novak Element“ geradezu verzweifelt beackert. Bedenken, dass RoboCop dadurch und dank Familienbande zum nachdenklichen Weichei mutiert sein könnte, sind unangebracht. Trotz heruntergeschraubtem Gewaltgrad geht es im neuen Abenteuer des Roboterpolizisten ordentlich zur Sache. Man denke nur an Filme, wie Transformers oder Iron Man, die bereits vorgemacht haben, dass Heldenaction nicht zwangsläufig blutig sein muss, um überzeugen zu können (Links zu IMDB). So sitzt RoboCops Anzug auch im neuen Design perfekt und am Budget für Spezialeffekte wurde ganz offensichtlich nicht gespart. Die Feuergefechte sind laut, ausgedehnt und gut choreografiert – ganz wie es sich für einen echten Actionfilm gehört. Wer sich den Spaß von fehlenden Folterszenen nicht verderben lässt, der sollte RoboCop eine faire Chance geben.

Ein Soundtrack, der alte geschickt mit neuen Themen verbindet, sowie die durchweg mit talentierten Schauspielern besetzten Rollen tragen ihr Übriges zur bunten aber deswegen nicht weniger bedrohlichen Atmosphäre des Werkes bei. Dabei entfällt auf Joel Kinnaman als RoboCop dank wuchtiger Rüstung fast der leichteste Part. Michael Keaton hat seit Langem sichtlichen Spaß an einer größeren Rolle und Jackie Earle Haley briliert haupthaarlos als fieser Anführer von OmniCorps Robotertruppen, Rick Mattox. Die Auftritte von Michael K. Williams als Alex Partner bei der Polizei, Jack Lewis, hätten ruhig länger ausfallen können – vor allem seine Interaktionen mit RoboCop. Gleiches gilt für Gary Oldman als Dr. Robert Norton.

Eine Frage, die es sich zu stellen lohnt, ist die, wo RoboCop innerhalb der verschiedenen Wiederauferstehungen von klassischen Actionhelden angesiedelt werden kann. So schwachbrüstig wie Colin Farrells Douglas Quaid ist er gewiss nicht. Nähe zum Original und stoische Treue zum Charakter hat ihm Karl Urbans Dredd allerdings voraus. Dafür, wie nahe ein weithin akzeptiertes Remake der Vorlage sein sollte, gibt es kein Patentrezept. Wer dem brutaleren RoboCop nachtrauert, der findet in der aktuellen und von Frank Miller geschriebenen Comicserie, RoboCop: Last Stand Trost (auf 8 Ausgaben angelegte Miniserie, erscheint bei Boom! Studios, Link zum ersten Heft auf der Webseite des Verlags). Gut sortierte Comicshops führen die bisher nur in den USA erschienene Geschichte. Alle Actionfans und Liebhaber gut gemachter Science-Fiction, die bereit sind, eine sehr kurzweilige und unterhaltsame, zusätzliche Version von RoboCop neben dem zweifelsohne nach wie vor unverwüstlichen und in sich unantastbaren Original bestehen zu lassen, lösen eine Eintrittskarte an der Kinokasse.

Die Treue von entehrten Helden

Es gibt Filme, bei denen spielt die Erwartungshaltung, mit der die Zuschauer an sie herantreten, eine besonders große Rolle in Bezug auf den Sehgenuss. 47 Ronin, das Erstlingswerk von Regisseur Carl Erik Rinsch ist eines dieser Werke. Zugegebenermaßen hat es sich der Filmemacher mit dem Rückgriff auf eine der bekanntesten Geschichten Japans nicht gerade leicht gemacht. Der auf wahren Begebenheiten beruhende Stoff um die Gruppe von entehrten Samurai, die ihrem Herrn über dessen Tod hinaus treu ergeben bleiben, wurde bereits mehrfach in Filmform verarbeitet und ist weit über die Grenzen seines Ursprungslandes hinweg bekannt. Aufgepeppt mit allerlei fantastischen Elementen, spricht 47 Ronin deshalb nicht eingefleischte Fans des asiatischen Kinos, sondern auch Fantasy- und Actionliebhaber an. Wer allerdings auf einen vor Gefechten und Spezialeffekten nur so strotzenden Film hofft, der wird enttäuscht werden. Ebenso unzufrieden werden Zuschauer den Kinosaal verlassen, die einen fein durchchoreografierten Kampfkunstfilm oder ein reines Samuraiepos erwarten. Ist die Rückkehr von Keanu Reeves auf die große Leinwand also misslungen? Nein. 47 Ronin ist kein schlechter Film und hat durchaus das Potenzial, sein Publikum für 119 Minuten zu fesseln.

In ihren Grundzügen entspricht die Geschichte dem japanischen Nationalmythos um 47 herrenlose Krieger, die einen listigen Plan ersinnen, um den Tod ihres Herrn zu rächen. Drehbuchautor Chris Morgan, der sich unter anderem für die letzten vier Teile von Fast & Furious verantwortlich zeigt, würzt die klassische Erzählung mit sämtlichen Elementen, die japanische Legenden zu bieten haben. So gibt es Hexen, welche die Gestalt verschiedener Fabelwesen (Yokai) annehmen können und im Wald lebende, unheimliche Vogelwesen (Tengu). Wild aussehende Naturgeister (Oni) runden den bunten Querschnitt durch die Mythologie Japans ab. Sogar eine Prise Piratenflair dürfen die ihrer Ehre beraubten Samurai (Ronin) im Laufe ihres Abenteuers schnuppern. Kombiniert mit farbenfrohen Kulissen und Kostümen erschaffen die Macher eine fantastische Welt.

Anders als die Trailer im Voraus vermuten ließen, wird die Suche der tapferen Männer nach Ehre und Gerechtigkeit sehr ruhig inszeniert. Der Liebesgeschichte zwischen Kai (Keanu Reeves) und der Fürstentochter Mika Asano (Ko Shibasaki) wird recht viel Zeit eingeräumt. Selbstverständlich gibt es auch Kämpfe, in denen Roninanführer Oishi (Hiroyuki Sanada), der mit besonderen Kräften begabte Kai und die anderen Samurai ihr kriegerisches Können gegen die Armeen des niederträchtigen und unter dem Einfluss von Hexe Mizuki (Rinko Kikuchi) stehenden Fürtsen Kira (Tadanobu Asano) unter Beweis stellen dürfen. Die Spezialeffekte bewegen sich dabei auf solidem Hollywood-Niveau und sind in 3D hübsch anzusehen. Wäre der Film in Japan entstanden, wären die sehr deutlich herauszuhörenden Erklärungen verschiedener Begriffe rund um das Leben der Samurai, wie der des rituellen Suizids (Seppuku), entfallen. Außerdem wären die Schlachten wahrscheinlich noch epischer ausgefallen und der Fokus noch mehr auf die Kampfkunst gelegt worden. Dennoch ist 47 Ronin abwechslungsreich genug, um trotz getragenem Erzähltempo keine Langeweile aufkommen zu lassen.

Schauspielerische Höchstleistungen sind während der gesamten Spielzeit bei keinem der Beteiligten zu verzeichnen. Teilweise ist dies durch die große Anzahl verschiedener Charaktere und die damit zusammenhängenden zeitlichen Begrenzungen bedingt. So bekommen einige Darsteller gar nicht die Chance in längeren Szenen aufzutreten. Die groß beworbene Darbietung des ganzkörpertätowierten Rick Genest ist beispielsweise geradezu vernachlässigbar kurz. Ein besonders schlechtes Spiel kann man aber auch keinem der Akteure vorwerfen.

Alle, die sich nicht an der zum einen in Richtung Fantasy abgewandelten und zum anderen für die Allgemeinheit tauglich gemachten Umsetzung der Materie stören, sollten den Kinobesuch für 47 Ronin daher ruhig wagen. Auch wenn es nicht an allen Ecken und Enden knallt, so birgt Carl Erik Rinschs Regiedebut über die Treue von entehrten Helden in seiner gerade zum Ende hin Ende konsequent durchexerzierten Art auf jeden Fall den ein oder anderen sehenswerten Knalleffekt. Wer bedenkt, dass 47 Ronin kein japanischer Film, sondern Fanatsy in japanischen Gewand ist, kann für etwa zwei Stunden der Realität entfliehen und das Kino danach gut unterhalten verlassen.

Der Wolf und sein Rudel

Für den ersten Kinobesuch im neuen Jahr entschied ich mich für Altmeister Martin Scorseses neuestes Werk über Einfluss, Gier und die Macht des Geldes. Dass der Regisseur dazu neigt, mit talentierten Schauspielern gleich mehrfach zusammenzuarbeiten und mitunter sehr fruchtbare Arbeitsbeziehungen aufzubauen, ist hinlänglich bekannt. So ist es Leonardo DiCaprio, der in The Wolf of Wall Street bereits zum fünften Mal unter der Anleitung des großen Filmemachers agiert. Die bewährte Mischung führt erneut zum gewünschten Ergebnis, einem bildgewaltigen Kinoerlebnis der besonderen Art.

Angelehnt an die Biografie des Börsenmaklers Jordan Belfort erzählt The Wolf of Wall Street den Aufstieg und Fall des begnadeten Verkaufsgenies, der auf seiner Suche nach Reichtum vor nichts zurückschreckt und sich gnadenlos seinen Weg von der Arbeiterschicht hin zur ausschweifenden Dekadenz in der Welt der Reichen und Schönen bahnt. Ob seine Methoden halb oder am Ende gar nicht mehr legal sind, stört ihn wenig, denn er ist der festen Überzeugung, dass Geld die ultimative Lösung für sämtliche Probleme ist, da man sich damit einfach alles kaufen kann. Leonardo DiCaprio verkörpert diesen von einer Spirale der Süchte getriebenen Charakter bravourös und lässt genau die richtige Mischung aus Spitzbübigkeit und Skrupellosigkeit erkennen. Den gewonnenen Golden Globe hat er in meinen Augen mehr als verdient. Seine Darbietung ist so großartig, dass er allein in der Lage wäre den Film zu tragen. Das muss er aber nicht, denn The Wolf of Wall Street ist bis in die kleinsten Nebenrollen hochkarätig und treffsicher besetzt. Nicht nur Jonah Hill geht in seiner Rolle als Belforts Geschäftspartner und engster Vertrauter, Donnie Azoff, auf. Auch Matthew McConaughey, dem ich ob seiner derzeitig viel zu mageren Figur zu gerne mal einen großen Hamburger spendieren würde, brilliert in seiner vergleichsweise winzigen Rolle als Mark Hanna, Belforts Mentor bei dessen erstem Job an der Wall Street. Ein weiteres Beispiel ist Jon Bernthal, der einen schrulligen Strohmann mit größter Perfektion für Details mimt. Er gehört für mich zu den aktuell vielversprechendsten und unverbrauchtesten Talenten Hollywoods und ich hoffe, dass man in Zukunft noch viel mehr von ihm sehen wird.

Stilistisch bedienen sich Regisseur Martin Scorsese und Drehbuchautor Terence Winter einem bunten Mix, der die komödiantischen Elemente unterstreicht, ohne den bitteren Unterton von Belforts Taten ungehört vorbeiziehen zu lassen. Mal kommentiert der Hauptcharakter das Geschehen auf der Leinwand aus dem Off, mal dürfen die Zuschauer direkt an den Gedanken verschiedener Protagonisten teilhaben und selbst die vierte Wand stellt kein Hindernis dar. Letzterer scheint in den Film- und Fernsehfabriken im Land der Unbegrenzten Möglichkeiten in den letzten Monaten eine immer größere Bedeutung zugemessen zu werden. Man denke nur an das subtile Einbeziehen des Betrachters in der zweifelsfrei sehenswerten TV-Serie House of Cards (Link zu IMDB). Leonardo DiCaprio spricht als Jordan Belfort weniger häufig direkt zu seinem Publikum, das Gefühl einer um die Beobachtung wissenden und sie gar genießenden Figur bleibt gleichwohl bestehen. So oft während der gesamten Spielzeit im Kinosaal lautes Lachen über die an Maßlosigkeit, Verantwortungslosigkeit und Lächerlichkeit kaum zu überbietenden Ausschweifungen des Gernegroß Belfort ertönt, so oft bleibt es den Beobachtern im Halse stecken. Egal wie sehr er es sich einreden möchte und egal wie groß das Rudel aus Brokern mit unerschöpflicher Geldgier ist, das der Wolf von der Wall Street mit der Zeit um sich schart: Mit Geld kann man eben doch nicht alles auf der Welt kaufen.

Lohnt es sich, eine Eintrittskarte für The Wolf of Wall Street zu lösen, um den Film auf der großen Leinwand zu genießen? Auf jeden Fall! Finden die Oscar-Nominierungen für dieses Werk meine Zustimmung? Ja, denn hier wird meiner Meinung nach weitaus mehr und leidenschaftlicher gespielt, als in Gravity (Link zu IMDB). Ob The Wolf of Wall Street mein ganz persönlicher Oscar-Favorit ist, darüber kann ich mir jedoch an dieser Stelle kein Urteil erlauben. Dazu habe ich (noch) zu wenige der ebenfalls nominierten Filme gesehen. Ganz ohne Schwächen kommt nämlich auch der große, böse Wolf über stolze 179 Minuten nicht ins Ziel. Bisweilen hätte ich mir weniger Orgien, mehr Einblicke in Belforts Privatleben sowie aussagekräftigere Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinem Widersacher vom FBI, Agent Patrick Denham (Kyle Chandler), gewünscht. Im Großen und Ganzen liefern die Beteiligten aber allesamt eine bemerkenswerte und sehenswerte Leistung ab und machen The Wolf of Wall Street zu einem äußerst unterhaltsamen Start ins Kinojahr 2014.

Jahresrückblick 2013 – Kino

Das Jahr 2013 nähert sich seinem Ende. Es war ein aufregendes Jahr für Kinofans. Viele Filme flimmerten in den vergangenen zwölf Monaten über die große Leinwand. Es gab Reboots, Remakes, Verfilmungen, Fortsetzungen und eine Menge neue Ideen und Geschichten, die Filmemacher ihrem Publikum in Wort und Bild erzählten. Grund genug für mich – wie schon im vergangenen Jahr – meine persönlichen Top 10 zusammenzustellen (Links zu IMDB).

  1. Man of Steel
  2. Only God Forgives
  3. The Butler
  4. Pacific Rim
  5. The Place Beyond the Pines
  6. Evil Dead
  7. Lincoln
  8. Ich – Einfach unverbesserlich 2 (Despicable Me 2)
  9. Der Hobbit – Smaugs Einöde (The Hobbit: The Desolation of Smaug)
  10. Star Trek Into Darkness

Achtung!
Diese Liste ist rein subjektiv! ;-)

Eine gar nicht öde Einöde

In der dunklen Jahreszeit stehen nicht nur das Weihnachtsfest und der Jahreswechsel an. Liebhaber von J. R. R. Tolkiens Büchern freuen sich aus einem weiteren Grund auf den Winter: Ein Jahr nach dem Kinostart des ersten von drei Hobbit-Filmen werden mit Der Hobbit – Smaugs Einöde (The Hobbit: The Desolation of Smaug) die Abenteuer des Halblings Bilbo Beutlin und seiner tapferen Reisegruppe endlich fortgesetzt.

Eine Frage, die wohl viele Kinogänger und Mittelerde-Fans nach wie vor bewegt, ist die nach der Sinhaftigkeit, den Stoff eines einzigen und relativ kompakten Buches auf drei Filme zu verteilen. Wo bei der ebenfalls dreigeteilten Verfilmung zu „Der Herr der Ringe“ aus Zeitgründen gekürzt und beschleunigt werden musste, da wird bei der Geschichte um Bilbo sämtliches verfügbares Material herangezogen, um das Geschehen um weitere Details zu ergänzen. Teils bedient sich Regisseur und Drehbuchautor Peter Jackson dabei den Anhängen des Ringe-Epos, teils lässt er seiner Fantasie freien Lauf. Nachdem ich Der Hobbit – Smaugs Einöde nun endlich gesehen habe, kann ich sagen, dass diese Vorgehensweise der Materie in meinen Augen nicht schadet. Die Tolkiensche Welt der Halblinge, Zwerge und Elben ist dank ihres ambitionierten Schöpfers so groß und reich an Interpretationsspielraum, dass an allen Ecken und Enden genügend Möglichkeiten für Ergänzungen bestehen, ohne dass dabei Langeweile aufkommen oder Einfallslosigkeit erkennbar werden muss.

Der Hobbit – Smaugs Einöde setzt dort an, wo „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise (The Hobbit: An Unexpected Journey) endete. Bilbo (Martin Freeman) und die Zwergengruppe sind unter der Leitung des Thronerben Thorin Eichenschild (Richard Armitage) nach wie vor auf der Reise zum Berg Erebor. Die altehrwürdige Heimat der Zwerge unter dem „Einsamen Berg“ wird besetzt vom mächtigen Drachen Smaug. Diesen gilt es zu vertreiben und das Königreich der Zwerge wieder aufzubauen. Doch der Weg ist lang und die Zeit drängt. Auf dem Marsch quer durch das Land treffen die Wanderer auf allerlei fremde und ihnen nicht immer wohlgesonnenen Kreaturen und Völker. Dabei ist ihnen eine Armee von Orks ständig auf den Fersen.

Wer denkt, der Inhalt des Buches sei am Ende von Der Hobbit – Smaugs Einöde bereits nahezu vollständig erzählt, der irrt gewaltig. Peter Jackson nimmt sich so viel Zeit, dass genügend Stoff verbleibt, um damit einen weiteren Film füllen zu können. Mit dem Hinzudichten geht er dabei so behutsam um, dass selbst die Szenen mit Legolas (Orlando Bloom) nicht aufgesetzt und störend wirken. Der blonde Elb hat, orientiert man sich streng an der Vorlage, in der Handlung nichts verloren. Da Elben viel älter werden als Menschen und der König der Waldelben, Thranduil (großartig gespielt von Lee Pace), Legolas Vater ist, erscheint die mitunter sehr lustige Begegnung mit den Reisenden jedoch nicht als allzu unwahrscheinlich. Zusätzlich zu einer Fülle an Querverweisen zu seiner „Der Herr der Ringe“-Trilogie ergänzt Peter Jackson die von Männerfreundschaften strotzende Erzählung um eine erfrischende Prise zarte, aber nie zu schnulzige Romantik. Ich für meinen Teil gönne Zwerg Killi jedenfalls seine Gespräche mit der schönen Elbin Tauriel (Evangeline Lilly). Als besonders positiv empfinde ich den sorgfältigen Umgang mit Nebenfiguren, wie dem Pelzwechsler Beorn (Mikael Persbrand) oder dem von Stephen Fry hinreißend schrullig gemimten Meister der Seestadt Esgaroth. Gerade wegen dieser Details ist Der Hobbit – Smaugs Einöde meiner Meinung nach trotz Änderungen und Ergänzungen insgesamt noch näher an der Vorlage als sein Vorgänger.

Bei der Betrachtung von Peter Jacksons gesamtem Mittelerde-Filmuniversum bis zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nach wie vor nur den Hut vor der großartigen Leistung aller Beteiligten ziehen. Die einzigen Fragen, die ich mir stelle, betreffen nicht die Hobbit-Filme, sondern vielmehr die „Der Herr der Ringe“-Trilogie. Jetzt, da ich sehe, wie mehr Zeit den präsentierten Inhalten nutzt, sind mir manche Änderungen an dem doch weitaus umfangreicheren Abenteuer von Frodo und seinen Gefährten fast ein Rätsel. Wie gerne hätte ich Tom Bombadil und Goldbeere auf der Kinoleinwand gesehen! Und hätte man das Schmieden von Aragorns Schwert oder die Szene mit dem Schattenheer mit einigen zusätzlichen Filmminuten nicht doch näher an der Vorlage orientieren können? All das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau.

Höhepunkt von Der Hobbit – Smaugs Einöde ist zweifellos die Begegnung zwischen Bilbo und dem Drachen Smaug (im englischen Original gesprochen von Benedict Cumberbatch). Das rote Ungetüm, das auf einem Schatz sitzt, bei dem Dagobert Duck neidisch würde, ist das Ergebnis großartiger Animationskunst. Wenn die Haut am langen Hals des Lindwurms beim Sprechen wackelt und seine Brust zu glühen beginnt, bevor er eine Feuersbrunst aus seinem Innern auf seine Feinde ergießt, hüpft mein Herz vor Freude und Verzückung in die Höhe. Besser hätte man das geldgierige Monster nicht auf die Leinwand bringen können. Daher begrüße ich das unvermeidliche Wiedersehen mit Smaug im nächsten Jahr sehr.

Mit einer Spielzeit von 161 Minuten ist Der Hobbit – Smaugs Einöde lang, dank zahlreichen und unterschiedlichen Charakteren sowie wunderschönen Bildern aber nie langweilig. Ich für meinen Teil kann von Mittelerde einfach nicht genug bekommen. Das ist mit Sicherheit auch der Grund dafür, weshalb ich gewisse Déjà-vu-Momente in Punkto Szenerie und Kamerafahrten nicht als störend oder ermüdend empfinde. Es ist vielmehr das wohlige Gefühl in eine bekannte und geschätzte Fantasiewelt zurückkehren zu können. Wer Angst vor langen Fußmärschen und ausgiebigen Gesprächen hat, dem sei versichert, dass Der Hobbit – Smaugs Einöde das Erzähltempo im Vergleich zum ersten Teil erhöht. Bilbo und die Zwerge müssen sich des Öfteren in temporeichen Szenen auf verschiedenste Arten ihrer Haut erwehren. Alles in allem gehört dieser Film für mich definitiv zu den unterhaltsamsten und besten des Jahres.

Zwei alte Haudegen

Arnie und Sly. Zwei Actionhelden vom alten Schlag. Ihre erfolgreiche Zusammenarbeit bei The Expendables (Link zu IMDB) und diverse Soloprojekte ließen die Liebe der beiden Haudegen für die Leinwand wieder entflammen. Jeder von ihnen hatte dem Kino aus anderen Gründen für eine Zeit lang den Rücken gekehrt. Regisseur Mikael Håfström vereint die betagten Muskelpakete in seinem neuesten Film Escape Plan für ein weiteres gemeinsames Abenteuer.

Ausbrecherkönig Ray Breslin (Sylvester Stallone) hat seine Gabe, aus jedem beliebigen Gefängnis der Welt auszubrechen, zum Geschäft gemacht. Im Auftrag verschiedener Organisationen überprüft er die Sicherheit in den Haftanstalten und zeigt Mängel auf. Als er einen Auftrag von der CIA annimmt, findet er sich eines Tages im sogenannten „Grab“, dem modernsten Knast der Welt wieder. Das Problem: Bei Transport wird er von seinem Team abgeschnitten und somit jeglichem Rettungsanker für den Notfall beraubt. Zeit für Ray, sich schleunigst neue Freunde zu suchen, die ihn bei Ausbruch unterstützen können. In Emil Rottmayer (Arnold Schwarzenegger) findet er schließlich einen Verbündeten. Der Mitinhaftierte ist Teil einer Hackerorganisation und weiß seine Muskeln ebenso einzusetzen, wie seinen Grips. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach dem Ausgang und einer Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren.

Wo Stallone und Schwarzenegger drauf steht, ist Action drin. Die zwei Helden tun das, was sie am besten können: Draufhauen und sich in flotten, zynischen Dialogen ergehen. Zusammen mit einer spannenden Story ergibt Escape Plan einen durchaus sehenswerten Streifen, der klassische Elemente mit schicken Effekten vereint, ohne dabei zu gekünstelt oder futuristisch zu wirken. In unterstützenden Rollen sind 50 Cent, Vincent D’Onofrio und die wunderbare Amy Ryan als Ray Breslins Team zu sehen. Der fiese Boss des Supergefängnisses wird von James Caviezel verkörpert. Es dürfte wohl niemanden überraschen, dass Escape Plan ganz auf seine zwei Hauptattraktionen zugeschnitten ist. Dennoch können die Nebenrollen allesamt überzeugen – sogar der Rapper wirkt dank Brille seriös und kann seine 50 Cents zur Handlung beitragen.

Mich persönlich hat Escape Plan über die gesamte Laufzeit gut unterhalten. Der geneigte Actionfan bekommt genau das, was er erwartet. Dieser Film ist sicher kein Meilenstein, kann sich im Vergleich zu anderen Genrewerken aber durchaus sehen lassen. Wer den beiden Haudraufs nicht beim Altern zusehen will, oder gedanklich zu sehr an den von ihnen definierten Klassikern hängt, sollte unter Umständen besser Abstand von ihren gemeinsamen Gefängnisprügeleien halten. Ich für meinen Teil kann nicht anders, als fröhlich grinsen, wenn Arnie zum großen Maschinengewehr greift und mit verbissenem Gesichtsausdruck drauflos ballert oder Sly seine überdimensionierten Muckis spielen lässt. In diesem Sinne: Hut ab, weiter so und bitte noch lange nicht in Rente gehen! Ich freue mich schon auf The Expendables 3 (Link zu IMDB)!

Letzte Ausfahrt

Was Komödien und humoristische Elemente auf der großen Leinwand anbelangt, war 2013 bisher ein Jahr, in dem viele Erwartungen unerfüllt geblieben sind. Die Erinnerung an den unglaublich humorbefreiten dritten Hangover-Teil, an das zweite Abenteuer der Rentneragenten, der alle Gags bereits in seinem Trailer verriet, oder an das untote Team aus Cop und den Cowboy, die viel zu viel Potenzial verschenkten, sind nach wie vor präsent. Natürlich gab es dank der falschen Familie Miller oder den lieber pumpenden statt denkenden Bodybuildern bereits einiges zu lachen. Dennoch waren meine Erwartungen an John Turtletaubs neuen Film Last Vegas eher gering. Zu meiner positiven Überraschung hält der Trailer in diesem Fall, was er verspricht und der ungewöhnliche Junggesellenabschied sorgt für 105 Minuten gute Unterhaltung. (Links in diesem Absatz zu meinen Kritiken zu den betreffenden Filmen)

Es ist vor allem den hochkarätigen Schauspielern zu verdanken, dass die doch sehr vorhersehbare Geschichte um den wohlhabenden Senioren Billy und seine ehemalige Jugendgang über die gesamte Länge von Kurzweil geprägt ist. Jeder von ihnen beweist ein überaus großes Maß an Selbstironie. Als Sam (Kevin Kline) und Archie (Morgan Freeman) erfahren, dass Billy (Michael Douglas) mit über 70 Lebensjahren endlich in den Hafen der Ehe einlaufen will, beschließen sie, ihn gebührend aus dem Junggesellendasein zu verabschieden. Fest entschlossen, noch einmal so richtig einen drauf zu machen, sammeln sie ihren nach dem Tod seiner Frau zum Dauergrantler mutierten Freund Paddy (Robert De Niro) ein und fahren nach Las Vegas. Jeden der alten Herren verleiten eigene Wünsche dazu, dem gewohnten Leben und den eigenen vier Wänden für ein paar Tage zu entfliehen. Vom fest eingefahrenen Alltagstrott eines Ehepaares bis zum überfürsorglichen Sohn gibt es genügend Gründe, gemeinsam die guten alten Zeiten noch einmal auferstehen zu lassen. Und dann ist da noch die attraktive Diana (Mary Steenburgen), die in ihrem Ruhestand endlich dem Traumjob als Barsängerin nachgeht und Paddy und Billy auf Anhieb den Kopf verdreht. Dabei steht Letzterer doch kurz davor, eine knackige Dreißigjährige zu ehelichen! Was den langjährigen Freunden zuerst als letzte Ausfahrt zurück in die weit entfernte Jugend erscheint, entpuppt sich immer mehr zum Trip der unbegrenzten Möglichkeiten.

Last Vegas ist eine romantische Komödie, die verschiedene Aspekte rund um das Thema „Alter“ beleuchtet. Die Witze sind dabei durchweg deftiger, als bei anderen Genrewerken wie Wie beim ersten Mal (Hope Springs, Link zu IMDB). Das Wolfsrudel könnte von Billy und Konsorten noch einiges lernen. Es wird gezockt, gesoffen und geflirtet. Doch verkommt der Film trotz viel Schenkelklopfen nie zu einem dauerhaften Abfeuern von übertriebenen Gags. Die leisen Untertöne sind stets spürbar. Regisseur Jon Turtletaub stellt viele wichtige und richtige Fragen – über das Älterwerden, den in unserer Gesellschaft immanenten Jugendwahn, falsche Schönheitsideale und zwischenmenschliche Beziehungen – ohne dabei zu melancholisch zu werden oder den belehrenden Zeigefinger zu hoch zu heben. Last Vegas ist ein humorvoller Lobgesang auf das Leben und die Freundschaft. So kann auf dem feuchtfröhlichen Ausflug in die glitzernde Wüstenstadt jedes Mitglied der Gruppe, an der die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen ist, auch auf die alten Tage noch etwas dazu lernen.

Mit viel Mut und ohne Scheu vor delikaten Themen beweist die alte Garde Hollywoods mit Last Vegas, dass gewisse Ängste und Marotten nur menschlich sind und dass gegen das Altern an sich kein Kraut gewachsen ist. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß bei der Arbeit an diesem Film. Billy, Archie, Sam und Paddy lassen die Agenten aus RED 2 und die verkaterte Truppe aus Hangover 3 (Links zu IMDB) ganz schön alt aussehen. Last Vegas reiht sich deshalb mühelos in die Liste der gelungenen Komödien des Jahres ein.